Das Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens findet inmitten der tiefsten politischen Krise statt, die Spanien erlebt hat, seit das faschistische Regime von General Franco in den 1970er Jahren durch Massenkämpfe der Arbeiter zu Fall kam. Die seit zehn Jahren in ganz Europa andauernde schwere Wirtschaftskrise, Sozialabbau und Massenarbeitslosigkeit haben Spanien an den Rand des Abgrunds gebracht. Es drohen Diktatur und Bürgerkrieg, da die Madrider Zentralregierung mit brachialer Polizeigewalt das Referendum zu verhindern sucht und dabei von den Regierungen Europas und der USA unterstützt wird.
Die Volkspartei (Partido Popular, PP), die Spaniens Minderheitsregierung bildet und auf die Unterstützung der Sozialistischen Partei (PSOE) und der rechten Bürgerpartei zählen kann, hat ihre Entschlossenheit bekundet, das Referendum zu verhindern und die Wahllokale durch Militärpolizei abzuriegeln. Sie hat praktisch den Ausnahmezustand über Katalonien verhängt. 16.000 Polizisten und die paramilitärische Guardia Civil sind im Einsatz und sollen die katalanischen Finanz- und Polizeibehörden unter Kontrolle nehmen. Rechte Demonstranten haben sich an Polizeistationen versammelt. Sie schwenken die spanische Flagge und begleiten die Abreise von Polizisten nach Katalonien mit Rufen wie „Es lebe Spanien“ und „Schnappt sie euch.“
Vierzehn Mitglieder der katalanischen Regierung wurden verhaftet, über 144 Websites geschlossen, Millionen Plakate und Flugblätter beschlagnahmt, Druckereien und Zeitungsredaktionen durchsucht, Versammlungen verboten und über 700 Bürgermeistern Strafverfolgung angedroht, weil sie das Referendum unterstützen. Die Zentrale der separatistischen CUP (Candidatura d'Unitat Popular, Kandidatur der Volkseinheit) wurde ohne richterliche Anordnung durchsucht und von der Polizei besetzt.
Das spanische Verfassungsgericht, das unter Franco „politische Verbrechen“ ahndete, hat Führer der
Separatistenbewegung wegen Aufruhrs angeklagt, worauf bis zu 15 Jahre Gefängnis stehen. In der Armee wächst die Bereitschaft, das Kriegsrecht zu verhängen. Der pensionierte General Manuel Altolaguirre nannte das Referendum „einen Akt des Hochverrats, der die Anwendung des Kriegsrechts erfordert“.
Die europäischen Großmächte und die Vereinigten Staaten unterstützen die Repressionsmaßnahmen der PP, weil sie das Auseinanderbrechen eines EU-Mitgliedstaats und der NATO befürchten. Gleichzeitig sorgen sie sich, dass das Vorgehen des spanischen Premiers Mariano Rajoy separatistischen Stimmungen Auftrieb gibt. Beim Besuch des spanischen Ministerpräsidenten Rajoy erklärte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron: „Ich kenne Spanien, und zwar das ganze Spanien, als Partner und als Freund… Alles andere interessiert mich nicht.“ Beim Besuch Rajoys in Washington letzte Woche sagte US-Präsident Trump, „Spanien ist ein großartiges Land, und es sollte ein einheitlicher Staat bleiben.“
Die blutige geschichtliche Erfahrung des faschistischen Putsches 1936 und des nachfolgenden dreijährigen Bürgerkriegs, der Franco an die Macht brachte, hat in der Arbeiterklasse eine tiefe Opposition gegen den Rückfall in Krieg und autoritäre Herrschaft hinterlassen. Hafenarbeiter weigerten sich, Schiffe zu entladen, mit denen spanische Polizisten ankamen, um separatistische katalanische Politiker und Wähler zu verhaften, und Feuerwehrleute in Barcelona haben versprochen, die Wahllokale vor der Polizei zu beschützen. Doch mit den etablierten Parteien in Madrid oder den katalanischen Nationalisten, die beide der Arbeiterklasse unverhohlen feindlich gegenüberstehen, ist wirkliche Opposition nicht möglich.
Das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) hält daran fest, dass es nur einen realistischen Weg gibt, Krieg und Diktatur abzuwenden, nämlich die Einheit der Arbeiterklasse in Spanien und Europa im Kampf gegen den Kapitalismus und für die sozialistische Reorganisation der Gesellschaft. Das erfordert einen revolutionären Kampf gegen alle Fraktionen der spanischen Bourgeoisie.
Unsere Ablehnung der EU, der Sozialdemokraten und der Franco-Nachfolgepartei PP tut unserer Opposition gegen die katalanischen Nationalisten – die Katalanische Europäische Demokratische Partei, die Republikanische Linke Kataloniens und die kleinbürgerliche CUP – keinen Abbruch. Die Spaltung der spanischen Arbeiter durch den Aufbau eines neuen kapitalistischen Staates in Katalonien, in dem Parteien das Sagen haben, die seit jeher Krieg und Sparmaßnahmen unterstützen, bringt den Arbeitern nichts. Sie trennt die katalanischen Arbeiter nur von ihrem wichtigsten Verbündeten gegen die Angriffe Madrids: von der spanischen und europäischen Arbeiterklasse.
Viele Arbeiter erkennen das und werden am Referendum nicht teilnehmen. Viele werden abstimmen und damit ihre soziale Wut artikulieren. Ihnen empfiehlt das IKVI dringend, mit Nein zu stimmen, um die katastrophalen Folgen einer Abspaltung zu verhindern.
Die Probleme, mit denen die katalanischen Arbeiter konfrontiert sind, wurzeln nicht in nationaler, sondern in Klassenunterdrückung. Nur wenn sie im Kampf eine Einheit mit ihren Klassenbrüdern schafft, kann die katalanische Arbeiterklasse der Gefahr einer Polizei- und Militärherrschaft entgegentreten.
Die Ausrufung des Referendums und die Aussage, dass ein „Ja“ die Abspaltung bedeute, war ein schäbiges Manöver. 2016, als in zwei Parlamentswahlen keine Partei eine klare Mehrheit erringen konnte, war Madrid acht Monate lang ohne Regierung. In Barcelona unterstützte die CUP Sparmaßnahmen in Katalonien. Um ihrer arbeiterfeindlichen Politik einen „radikalen“ Anstrich zu verleihen, stellte sie die Forderung nach einem eigenen katalanischen Staat auf und versuchte, für ihre eigene reaktionäre Rolle Madrid die Schuld zuzuweisen.
Die Forderung der CUP nach Abspaltung vom spanischen Staat wurde dann von anderen katalanischen Nationalisten aufgegriffen. So sollte die aufkommende soziale Unzufriedenheit über Arbeitslosigkeit und Sparpolitik in nationalistische Kanäle gelenkt werden, da die Herrschaft der Kapitalistenklasse Spaniens in einer beispiellosen Krise steckte.
Die Referendumskampagne kam der herrschenden Klasse gelegen, um die sozialen und ökonomischen Belange von spanischen wie katalanischen Arbeitern und Jugendlichen unter einem Schwall nationalistischer Propaganda zu begraben. Das war eine bewusste und gezielte Strategie. Der katalanische Regionalminister Santi Vila bemerkte bei einem Treffen von Politikern und Geschäftsleuten in zynischer Manier, dass, wenn Katalonien „keine nationalistisch unterlegte Debatte losgetreten hätte, wie hätte es dann Haushaltsanpassungen von über 6 Mrd. Euro überstehen können?“
Die Krise um Katalonien hat erneut die reaktionäre Rolle der Podemos-Partei enthüllt. 2015 unterstützte sie die griechische Syriza, als diese an die Regierung gelangte und die Sparmaßnahmen der EU durchsetzte, heute ruft sie weiterhin zu einem Bündnis mit der PSOE auf, obwohl diese die Unterdrückungsmaßnahmen der PP in Katalonien unterstützt. Ganz im Sinne von Law and Order wirft Podemos der PP vor, durch die Entsendung zu vieler Polizisten nach Katalonien die Sicherheit Spaniens preiszugeben, und signalisiert damit der herrschenden Klasse, dass sie selbst für eine Regierungsbildung zur Verfügung stünde, um die Krise zu entschärfen und eine Vereinbarung mit den katalanischen Nationalisten auszuhandeln.
Sollte es dazu kommen, böte diese Regierung keine Alternative zu dem diktatorischen Kurs und der Politik der Sparmaßnahmen, die die PP verfolgt.
Podemos‘ Bilanz zeigt vielmehr klar, dass die Partei die Armee und die Sicherheitskräfte einsetzen würde, um die Angriffe auf die Arbeiter auszudehnen. Die von der PSOE geführte Regierung mobilisierte 2010 die Armee, um den Streik der Fluglotsen niederzuschlagen. Podemus unterstützt die Bürgermeisterin von Barcelona (der Hauptstadt Kataloniens), Ada Colau, die einen Streik bei den Verkehrsbetriebe unterdrückte und letzten Monat die Mobilisierung der Guardia Civil unterstützte, um einen Streik der Arbeiter der Flughafensicherheit zu beenden. Sollte Podemos an die Macht kommen, würde diese Partei auf Streiks und Widerstand der Bevölkerung mit Polizeistaatsmaßnahmen antworten, wie Syriza in Griechenland.
Das Referendum in Katalonien und die Krise des Kapitalismus
Den Angriffen auf die Arbeiterklasse in Spanien liegt die europäische und weltweite Krise des Kapitalismus zugrunde. Nach einem Vierteljahrhundert ständiger Sozialkürzungen und neuer imperialistischer Kriege im Nahen Osten, seit die stalinistische Bürokratie 1991 die Sowjetunion
auflöste, befindet sich der europäische Kapitalismus in einem fortgeschrittenen Stadium des Zusammenbruchs. Seit dem Finanzcrash an der Wall Street 2008 und der folgenden globalen Wirtschaftskrise versuchen die herrschenden Eliten Europas und Amerikas in besonderem Maße, das Militär und die Polizei aufzurüsten, während sie den Arbeitern verheerende Kürzungen aufzwingen.
Für Spanien, wie auch für Griechenland, Portugal, Italien und viele osteuropäische Länder, hatte das vernichtende Auswirkungen. Der spanische Kapitalismus ist wirtschaftlich am Ende. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 17,8 Prozent, bei den unter 25-Jährigen sogar bei 38,6 Prozent. Einer von vier Arbeitslosen ist seit mindestens vier Jahren ohne Job. 2,5 Millionen Arbeiter tauchen in der Arbeitslosenstatistik nicht mehr auf, doch nur, weil sie im Ausland nach Arbeit suchen.
Aus diesem Grund hat die soziale Ungleichheit dramatisch zugenommen. Die Hälfte aller Haushalte liegt mit ihrem Einkommen unter der offiziellen Armutsgrenze (8.010 € für Ein-Personen-Haushalte und 16.823 für Haushalte mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern) oder ist von Armut bedroht. Dagegen ist die Zahl der Reichen in Spanien (mit einem Vermögen von mindestens 700.000 €) um über 44 Prozent gestiegen. Etwa 0,4 Prozent der Bevölkerung verfügen über die Hälfte des Reichtums in Spanien. 28 der 100 reichsten Milliardäre Spaniens stammen aus Katalonien oder erzielen ihre Gewinne in Katalonien, verglichen mit 25 Milliardären in Madrid.
In ganz Europa und Amerika hat die soziale Ungleichheit ein Ausmaß erreicht, das mit demokratischen Herrschaftsformen unvereinbar ist. Konfrontiert mit Unzufriedenheit in großen Massen der Bevölkerung, sucht die herrschende Elite Zuflucht in Krieg und Polizeistaatsmaßnahmen. Trump droht Nordkorea mit „vollständiger Zerstörung“, mit Völkermord, und seine Regierung verteidigt und schürt faschistische Stimmungen, indem sie den Neo-Nazis Beifall spendet, die in Charlottesville die linke Demonstrantin Heather Heyer töteten.
Ein Blick ins benachbarte Frankreich zeigt schon, wohin die autoritäre Politik Madrids führt. Die unbefristete Aussetzung demokratischer Rechte durch den Ausnahmezustand wird benutzt, um die „Reform“ des Arbeitsrechts durchzusetzen, die die Rechte und Schutzbestimmungen für Arbeiter zerstört und, trotz überwältigender Opposition der Bevölkerung, Kürzungen im Gesundheits- und Bildungswesen und gegen die Arbeitslosen vorsieht.
Die soziale Krise zerstört die politische Ordnung, die nach Francos Tod mit der neuen Verfassung von 1978 in Spanien eingeführt wurde. Die PSOE und die stalinistische Kommunistische Partei Spaniens (PCE) priesen damals die „Transición“ als friedliche Wende zur parlamentarischen Demokratie. Dieser Übergang, begleitet von einem „Pakt des Vergessens“ und einem Amnestiegesetz (1977), das unter dem Faschismus begangene Verbrechen straffrei stellte, erlaubte es den Angehörigen des Franco-Regimes, mit ihren Verbrechen ungestraft davonzukommen, indem die PSOE und die PCE ins herrschende Establishment integriert wurden.
Während des Übergangs gewährte das Franco-Regime den regionalen Bourgeoisien beträchtliche Zugeständnisse, um ihre Loyalität zum Staatsapparat sicherzustellen. Katalanisch durfte öffentlich und überall gesprochen werden; inzwischen belegt es unter den gesprochenen Sprachen in der EU Platz neun. Mehr als 80 Fernseh- und 100 Radiostationen senden täglich in Katalanisch, mehr als 150 Universitäten weltweit unterrichten Katalanisch, und über 400 Zeitungen erscheinen in dieser Sprache.
Während die katalanische Bourgeoisie in Barcelona in der gesamten Ära nach Franco mit Forderungen nach Autonomie und Lostrennung liebäugelte, gab es ein stillschweigendes Einvernehmen, dass sie keine Lostrennung fordert und Madrid im Gegenzug das katalanische Nationalempfinden nicht allzu sehr verletzt.
Dieses Einvernehmen ist nun zerbrochen, und in der herrschenden Klasse Spaniens ist ein erbitterter und heftiger Fraktionskampf im Gange. In einem Land, in dem sich viele Arbeiter noch an das Franco-Regime erinnern (das erst vor 40 Jahren endete), sind die drakonischen Maßnahmen Madrids höchst alarmierend. Inmitten der tiefsten Krise des Kapitalismus seit den 1930er Jahren kehrt das Regime, das sich nach der Transición herausbildete, zunehmend zu der autoritären Politik des Franco-Regimes zurück, aus dem es einst hervorging.
Arbeiter, die sich der Unterdrückung durch Madrid entgegenstellen, dürfen sich nicht damit begnügen, die eine oder andere repressive Maßnahme der PP abzulehnen. Sie haben es nicht mit dem Scheitern der Minderheitsregierung zu tun, sondern mit dem Scheitern des Kapitalismus. Ihre Aufgabe besteht darin, diese Regierung durch die revolutionäre Mobilisierung der Arbeiterklasse für den Sozialismus in Spanien und ganz Europa zu stürzen.
Die reaktionäre Rolle des katalanischen Separatismus und seiner pseudolinken Fürsprecher
Die katalanischen Separatisten stehen nicht für die Interessen linker Kräfte, die gegen Spaniens Finanzaristokratie kämpfen, sondern für Fraktionen der herrschenden Klasse, die ihre Interessen gegen die Arbeiterklasse und die Zentralregierung in Madrid zur Geltung bringen.
Wenn es nicht eine Unmenge an kleinbürgerlichen „linken“ Gruppierungen gäbe, dann hätten die Separatisten nicht von der sozialen Unzufriedenheit, die zu einem großen Teil ihrer eigenen Politik zuzuschreiben ist, und von der Feindschaft gegen die EU und Madrid profitieren können. Diese Gruppierungen, die sich nach der Transición an die PSOE und die stalinistischen Kräfte in der PCE und Podemos anpassten, haben jahrzehntelang den Nationalismus als Alternative zum Klassenkampf propagiert.
Immer wieder haben sich die pseudolinken Gruppen für „Selbstbestimmung“ ausgesprochen, um Allianzen mit rechten bürgerlichen Bewegungen zu rechtfertigen und einen unabhängigen Kampf der Arbeiterklasse zu unterdrücken. Sie schreckten nicht einmal davor zurück, im Namen der Selbstbestimmung die imperialistischen Stellvertreterkriege in Libyen und Syrien zu rechtfertigen.
Auch in der jetzigen Situation mischen sie sich ein, um den Separatismus zu unterstützen und die Arbeiter zu spalten. International Viewpoint, das Hauptorgan des pablistischen Vereinigten Sekretariats, behauptet: „Ein Sieg in Katalonien wäre ein Sieg für alle Volks-, revolutionären und demokratischen Kräfte in Europa und auf der Welt.“
Die Workers’ Revolutionary Current der Moreno-Anhänger ruft zur Massenmobilisierung beim Referendum auf, „die ein großer Schlag gegen das Regime wäre“ und „auf den Trümmern Spaniens einen verfassungsgebenden Prozess in Katalonien und im übrigen Spanien in Gang setzen würde“.
Damit, behaupten sie, würden „die großen demokratischen und sozialen Forderungen erfüllt“.
Doch die Balkanisierung Spaniens wäre kein Sieg für die Arbeiterklasse. Das globale Kapital könnte Arbeiter im Hinblick auf Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen gegeneinander ausspielen und in eine endlose Abwärtsspirale treiben.
Das beste Beispiel für neue Staaten, die auf den Trümmern eines größeren entstanden, ist das ehemalige Jugoslawien. Auch dort propagierten die pseudolinken Gruppen auf betrügerische Weise das „Recht auf Selbstbestimmung“, um das imperialistische Streben nach Aufsplitterung des jugoslawischen Bundesstaats und kapitalistischer Restauration zu unterstützen. Die Folge war ein Blutbad. In mehreren ethnischen Kriegen, die sich über zehn Jahre, von 1991 bis 2001 erstreckten, verloren etwa 140.000 Menschen ihr Leben, vier Millionen wurden vertrieben. Höhepunkt war der NATO-Krieg gegen Serbien. Heute, etwa 2 Jahrzehnte später, leidet die gesamte Region nach wie vor darunter.
Die reaktionäre arbeiterfeindliche Politik der katalanischen Nationalisten bestätigt aufs Neue die Einschätzung des bürgerlichen Nationalismus, die das Internationale Komitee während der Jugoslawienkriege getroffen hat.
Das IKVI untersuchte die Auswirkungen der beispiellosen globalen Integration von Produktionsprozessen, die objektiv die internationale Einheit der Arbeiterklasse stärkten und die Basis für eine sozialistische Weltwirtschaft schufen. Vor knapp zwei Jahrzehnten warnte das IKVI, dass diese Entwicklung einen objektiven Impuls für einen neuen Typus nationalistischer Bewegung liefert, der auf die Aufspaltung existierender Staaten abzielt. „Das global mobile Kapital befähigt kleinere Länder, direkte Beziehungen zum Weltmarkt anzuknüpfen … Eine kleine Küstenenklave mit guten Verkehrsverbindungen, Infrastruktur und einer ausreichenden Zahl an billigen Arbeitskräften kann für das multinationale Kapital attraktiver sein als ein größeres Land mit einem weniger produktiven Hinterland.“
Katalonien ist die reichste Region Spaniens und erwirtschaftet 20 Prozent des spanischen Bruttoinlandprodukts. Die separatistischen Parteien wollen einen neuen Ministaat schaffen, um Steuern zu vereinnahmen, die bisher an die Zentralregierung abgeführt werden, und zugleich direkte Beziehungen zu den globalen Banken, transnationalen Unternehmen und zur EU knüpfen. Durch eine verschärfte Ausbeutung der Arbeiterklasse wollen sie Katalonien in eine Freihandelszone mit niedrigen Steuersätzen verwandeln.
Die katalanischen Nationalisten und ihre pseudolinken Unterstützer geben sich als Progressive aus. Doch den katalanischen Separatismus unterscheidet nichts Wesentliches von ähnlichen separatistischen Bewegungen in Europa – von der Scottish Nationalist Party in Großbritannien, oder von eindeutig rechten Gruppierungen wie der italienischen Lega Nord und der belgischen Vlaams Belang. Der Separatismus hat sich immer in Regionen zu Wort gemeldet, die dem Rest des Landes ökonomisch überlegen sind, was die lokale Bourgeoisie zu ihrem eigenen Vorteil auszunutzen sucht.
Dabei wäre ein „unabhängiges“ Katalonien alles andere als unabhängig. Seine Abhängigkeit von den europäischen und internationalen Großmächten würde noch verstärkt. Im Bündnis mit der EU würde
es die Politik fortführen, die die katalanischen separatistischen Parteien im Bündnis mit Madrid verfolgt haben: brutale Sparmaßnahmen, Kürzungen bei Bildung, Gesundheit und in anderen sozialen Bereichen. Es würde Polizei einsetzen, um Streiks und Proteste niederzuschlagen. Es wäre eine Sackgasse für Arbeiter.
Gegen Krieg und Diktatur! Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa!
Mit dem repressiven Vorgehen Madrids und dem Streben der katalanischen Nationalisten nach einer Lostrennung von Spanien reagieren Fraktionen der herrschenden Klasse auf die tödliche Krise des Kapitalismus. Die herrschende Klasse hat Angst vor der zunehmenden revolutionären Stimmung in der Bevölkerung. Die Umfrage der EU „Generation What“ kam zu dem Ergebnis, dass mehr als die Hälfte der europäischen Jugendlichen unter 34 – in Spanien, Italien, Frankreich und England waren es über 60 Prozent – sich einem „großen Aufstand“ gegen die bestehende Macht anschließen würden.
Zum einhundertsten Jahrestag der Oktoberrevolution von 1917 und des Sturzes des Kapitalismus in Russland durch die Bolschewistische Partei unter Führung Wladimir Lenins und Leo Trotzkis steht die EU vor einem gewaltigen Aufschwung von Arbeiterkämpfen in ganz Europa. Diese objektive Entwicklungstendenz muss jedoch noch in eine bewusste politische Strategie übersetzt werden.
Die gegenseitigen Drohungen zwischen Madrid und Barcelona verheißen nichts Gutes. Noch ehe sie in Massenkämpfe eingetreten ist, sieht sich die Arbeiterklasse der Gefahr von Bürgerkrieg und Krieg im Herzen Europas gegenüber. Arbeiter müssen sich der Androhung von Gewalt und dem Anheizen nationalistischer Konflikte widersetzen. Allerdings lässt sich die Krise in Spanien nicht durch spontane Aktionen Einzelner lösen.
Der Konflikt in Katalonien bestätigt die Haltung des IKVI, dass die Verteidigung grundlegender sozialer und demokratischer Rechte bedeutet, eine bewusste internationale und revolutionäre Bewegung der Arbeiterklasse gegen Krieg und Diktatur, und für Sozialismus aufzubauen.
Das erfordert insbesondere den Aufbau einer neuen sozialistischen Partei, um den Kämpfen der Arbeiter Führung zu geben. Es ist notwendig, sich der Tradition des kompromisslosen Kampfes zuzuwenden, den die Bolschewistische Partei und die trotzkistische Bewegung, repräsentiert durch das IKVI, geführt haben.
In Fabriken, Betrieben, Arbeitervierteln, Schulen und Universitäten in Spanien und ganz Europa müssen Diskussionen darüber geführt werden, wie die Kämpfe gegen all die negativen gesellschaftlichen Folgen des Kapitalismus mit einem politischen Kampf gegen Sparpolitik, Krieg und Kapitalismus verbunden werden können. Auf dieser Grundlage kann in der Bevölkerung ein Netzwerk aus Komitees in Betrieben und Wohnvierteln geschaffen werden, das unabhängig von den Parteien der Wirtschaft und den Gewerkschaften ist und in Opposition zu ihnen steht. So entsteht die Basis für die Entwicklung einer sozialistischen Bewegung, die die Eroberung der Staatsmacht anstrebt, um das Wirtschaftsleben auf der Grundlage gesellschaftlicher Bedürfnisse statt des Profits neu zu organisieren.
Das IKVI ruft zum Aufbau der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa auf, gegen ein kapitalistisches Spanien und gegen einen kapitalistischen Staat Katalonien. Nur Arbeiterregierungen in jedem Land und die Vereinigung Europas auf sozialistischer Grundlage können die gesellschaftliche Reaktion aufhalten, Krieg verhindern und die harmonische Entwicklung von Europas Wirtschaft ermöglichen, um die Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen. Das IKVI appelliert an alle Arbeiter und Jugendlichen, die mit dieser Erklärung übereinstimmen, unser Material zu lesen und zu verteilen, Kontakt aufzunehmen zur WSWS und sich unserem Kampf für den Aufbau einer Sektion des IKVI in Spanien anzuschließen.