Auf der heutigen Betriebsversammlung bei Ford in Saarlouis leitet der IG-Metall-Betriebsrat unter Vorsitz von Markus Thal die Stilllegung des Werks ein, in dem einst über 7000 Beschäftigte arbeiteten.
Die Schließung beinhaltet wichtige Lehren für die Arbeiterklasse über Ford und die Autoindustrie hinaus. Arbeitsplätze und Löhne können nur verteidigt werden, wenn die Belegschaften sich mit ihren Kolleginnen und Kollegen in anderen Betrieben und Konzernen verbünden – in unabhängigen Aktionskomitees und gegen die IG Metall.
Die Gewerkschaft und ihre Betriebsräte sind diejenigen, die die Werksschließungen und Massenentlassungen durchsetzen – mit Frühverrentung, Altersteilzeit- und Abfindungsregelungen oder Transfergesellschaften.
Diese Regelungen waren auch Bestandteil des Sozialtarifvertrags, den die IG Metall im Februar den zu der Zeit noch 3750 saarländischen Ford-Beschäftigten zur Absegnung vorgelegt hatte. Inzwischen haben rund 2700 Arbeiterinnen und Arbeiter zumindest Vorverträge unterschrieben, die regeln, unter welchen Konditionen sie das Werk endgültig verlassen. Vernichtet sind dann auch die 1800 Arbeitsplätze der insgesamt elf Betriebe im Ford-Zulieferpark.
Ab Ende 2025 sollen dann nur noch 1000 Beschäftigte bei Ford selbst übrigbleiben. Auf diese 1000 Arbeitsplätze haben sich 1050 Arbeiter beworben. Was mit dem Überhang von 50 Kolleginnen und Kollegen passiert, ist offen.
Ford hat angekündigt diese 1000 Arbeitsplätze bis 2032 zu finanzieren. Doch wie weit diese Verpflichtung eingehalten wird, ist unklar. Denn die ganze Zukunft von Ford in Europa steht in Frage.
Zunächst soll die Kunststofffertigung für andere Ford-Werke weitergeführt werden. Als einziges Ford-Werk weltweit gibt es in Saarlouis eine Stoßfängerfertigung (Spritzguss) und eine Boron-Fertigung (Warmpressen).
Das geschrumpfte Werk wird 2032, womöglich auch schon früher, endgültig geschlossen. Denn der Pharmakonzern Vetter wird 2026 mit dem Aufbau einer Produktionsstätte auf dem jetzigen Ford-Werksgelände beginnen, die 2030 bis zu 2000 Beschäftigte umfassen soll. Es kann daher durchaus sein, dass Ford sich auch schon vor 2032 endgültig aus dem Saarland zurückzieht.
Dennoch wird heute Betriebsratschef Thal verkünden, dass alle „Kolleginnen und Kollegen eine Zukunft haben“. Das ist eine von Thals vielen Lügen. In Wirklichkeit haben er und die IG Metall die Zukunft von vielen Tausenden Fordarbeitern und ihren Familien zerstört.
Angesichts der Erfahrungen der letzten fünf, insbesondere der letzten zwei bis drei Jahre, ist es Zeit, Bilanz und die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen.
Seit 2019 schließt Ford in Europa, den USA, Brasilien, Russland und Indien ganze Werke. Die Betriebsräte und die Gewerkschaften haben dabei stets alles getan, den Widerstand dagegen ins Leere laufen zu lassen.
Im Bieterwettbewerb zwischen den Beschäftigten in Saarlouis und im spanischen Almussafes (Valencia) ab Herbst 2021 haben sie die beiden Belegschaften gegeneinander ausgespielt und dem Management gewaltige Lohnzugeständnisse angeboten, deren Details bis heute verheimlicht werden.
Als vor zwei Jahren mitgeteilt wurde, dass das Werk in Saarlouis geschlossen werden soll, unternahmen Betriebsrat und Gewerkschaft alles, um einen ernsthaften Kampf zur Verteidigung des Werks und der Arbeitsplätze zu verhindern. Die Belegschaft wurde systematisch demobilisiert, um die Stilllegung zu ermöglichen. Zahnlose Proteste in wohldosierten Mengen dienten vor allem dazu, die Wut der Belegschaft aufzufangen.
Thal, die IG Metall und die saarländische Regierung diktierten der Belegschaft, all ihre Hoffnungen auf einen Investor zu legen, der angeblich das gesamte Werk übernehmen wolle. Im Oktober 2023 löste sich dann diese Hoffnung in Luft auf.
Daraufhin begannen die hektischen Vorbereitungen auf die endgültige Bekanntgabe der Schließung. Dazu veranstalteten Betriebsrat und IG Metall noch Mitte Januar 2024 kurze Warnstreiks für einen Sozialtarifvertrag, also für die Bedingungen der endgültigen Schließung.
Die jetzt eingeleitete Werksschließung und Vernichtung von Tausenden von Arbeitsplätzen, ist das Ergebnis dieses abgekarteten Spiels, das Betriebsrat, Gewerkschaft, SPD-Landesregierung und Konzern seit fast drei Jahren betreiben.
Die IG Metall und ihre Betriebsräte konnten die Schließung des Werks nur durchsetzen, weil sie die Opposition dagegen mit mafiösen Methoden unterdrückte. Die Behauptung, es habe keine Möglichkeit gegeben das Werk und die Arbeitsplätze zu verteidigen, war von Anfang an falsch. Es war der Standpunkt der Gewerkschafts-Apparatschiks, die im Aufsichtsrat sitzen und – genau wie das Management – die Profitinteressen höher stellen, als die Rechte und Interessen der Beschäftigten.
Das Ford-Aktionskomitee, das auf Initiative der World Socialist Web Site (WSWS) gebildete wurde, hat sich von Beginn an dieser Verschwörung entgegengestellt und eine Perspektive zur Verteidigung des Werks aufgezeigt.
In seinem ersten Aufruf im Januar 2022 schrieb das Aktionskomitee: „Die Behauptung der Betriebsräte, es gäbe zur Erpressung des Bieterwettbewerbs und zu Lohnsenkung und Sozialabbau keine Alternative, weisen wir aufs Schärfste zurück. In Wahrheit wurden alle Rechte und sozialen Errungenschaften der Arbeiter – sei es der Achtstundentag, das geregelte Lohnsystem, der bezahlte Urlaub, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Arbeitssicherheit und vieles anders mehr – im gemeinsamen, solidarischen Kampf aller Arbeiter gegen die Kapitalisten erkämpft.“
Daher sei eine neue politische Orientierung notwendig, um sich der Erpressung durch Management und Betriebsrat zu widersetzen; eine, die von den gemeinsamen Interessen aller Arbeiter an allen Standorten ausgeht und sich der Logik des kapitalistischen Profitsystems widersetzt.
Bereits damals warnte das Aktionskomitee, dass der Bieterwettbewerb nur Verlierer kennen wird. Auch das hat sich bewahrheitet. Im Werk in Almussafes, in dem vor dem Bieterwettbewerb 9300 Menschen beschäftigt waren, sollen nach der inzwischen dritten Abbaurunde nur noch 3200 übrigbleiben. Die Gewerkschaft UGT (Unión General de Trabajadores) und der von ihr dominierte Betriebsrat unterscheiden sich nicht von der IG Metall. Aktuell werden in Valencia noch einmal 1600 Jobs gestrichen. 600 Beschäftigte müssen gehen, weitere 1000 werden mit einer möglichen Übergangslösung oder einer Rückkehr-Option vertröstet, wenn 2027 die geplante Produktion eines neuen Hybridmodells anläuft. Die ist jedoch genauso vage wie überhaupt die Zukunft Fords in Europa.
Denn schon jetzt ist klar, dass die E-Mobilitätsziele Fords genauso wie bei anderen großen Herstellern nicht erreicht werden. Die großen europäischen und US-amerikanischen Hersteller mit Ausnahme von Tesla haben inzwischen einen Technologie-Rückstand, der nur schwer einzuholen sein wird.
In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau berichtet der Soziologe Klaus Dörre eher beiläufig von einem Gespräch mit Ford-Betriebsräten, die ihm erzählt haben: „Wir haben einen BYD auseinandernehmen lassen und mussten erkennen, dass wir die Technik nicht verstehen.“
Daher können die asiatischen Hersteller auch günstigere Fahrzeuge anbieten. Der elektrische Ford Explorer, dessen Produktion gerade in Köln angelaufen ist, hat einen Grundpreis von 53.500 Euro. Der Fiesta, dessen Produktion dort im letzten Sommer ausgelaufen war, kostete in der Basisversion etwas mehr als 20.000 Euro. Der günstigste Focus, der noch nächstes Jahr in Saarlouis vom Band läuft, kostet ohne Extras 32.000 Euro.
Daher ist die Gefahr inzwischen groß, dass sich Ford vollständig aus Europa zurückzieht. In Köln sollen erneut mehrere Tausend Arbeitsplätze vernichtet werden, in der Verwaltung, der Entwicklung und auch in der Produktion.
Es ist für die Ford-Arbeiter in Köln, aber auch in Almussafes, in Großbritannien, Rumänien und der Türkei notwendig, die Schlussfolgerungen aus dem Verrat der Kolleginnen und Kollegen in Saarlouis zu ziehen.
Baut von der IG Metall und den anderen Gewerkschaften unabhängige Aktionskomitees auf! Nehmt dazu Kontakt untereinander auf und schließt euch zusammen. Kontaktiert auch Beschäftigte in anderen Konzernen. Die Entlassungen und Werksschließungen bei Ford sind erst der Anfang. In der Auto- und Zulieferindustrie entwickelt sich ein Arbeitsplatzmassaker, wie es die Branche seit dem Zweiten Weltkrieg nicht erlebt hat. Erst gestern hat der Volkswagen-Konzern angekündigt, wegen der schwachen Nachfrage nach seinem Oberklasse-Elektroauto Audi Q8 e-tron sein Werk in Brüssel mit 3000 Beschäftigten wahrscheinlich zu schließen.
Jeder Arbeitsplatz muss bedingungslos verteidigt werden.
Grundlage des Kampfs muss sein, was die Beschäftigten zum Leben brauchen und nicht, was die Kapitalisten gedenken ihnen zuzugestehen. Die Mär vom fehlenden Geld muss abgelehnt werden. Hunderte Milliarden werden für die Aufrüstung, den Krieg in der Ukraine und den Völkermord in Gaza ausgegeben, sie müssen in Arbeitsplätze, Löhne und soziale Infrastruktur investiert werden.
Ein gemeinsamer Kampf zur Verteidigung aller Arbeitsplätze ist notwendig und darf nicht länger aufgeschoben werden.
Zieht die Lehren aus der Erfahrung von Ford-Saarlouis und schreibt eine Whatsapp-Nachricht an folgende Nummer: +491633378340 und füllt das folgende Formular aus.