107. Das Prinzip national ausgerichteter Politik und Reformen fand einen etwas anderen Ausdruck in der Gründung des Staates Israel im Jahre 1948 durch die Teilung des britischen Protektorats Palästina. Weltweit betrachteten viele Menschen die Gründung des jüdischen Staates Israel mit Sympathie, denn sie waren über den faschistischen Horror entsetzt, der zur Vernichtung von zwei Dritteln der europäischen Juden geführt hatte. Objektiv betrachtet war die Gründung Israels gesellschaftlich wie politisch reaktionär, da sie auf dem Prinzip ethnisch-religiöser Ausgrenzung beruhte und die Palästinenser ihrer Heimat beraubte. Der Staat Israel sollte später zur Hauptstütze und Militärbastion des amerikanischen Imperialismus im Nahen Osten werden. Diese Tragödie sowohl für die jüdische als auch die arabische Bevölkerung wurde durch den Stalinismus ermöglicht, der durch seine Verrätereien und seinen Antisemitismus viele ursprünglich sozialistisch orientierte Juden in die Arme des Zionismus trieb. In den 1920er Jahren hatte die Kommunistische Partei Palästinas für eine vereinte Bewegung von jüdischen und arabischen Arbeitern gekämpft. Doch die nationalistische Degeneration der stalinistischen Parteien wirkte sich auch in der KPP aus, die sich noch vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs entlang ethnischer Linien teilte. Die sowjetische Bürokratie vervollständigte ihren Verrat an der Arbeiterklasse in dieser Weltregion, indem sie als Teil ihrer Nachkriegsabkommen mit dem Imperialismus die Gründung Israels befürwortete. Im Gegensatz dazu vertrat die Vierte Internationale eine internationalistische Position, die sich auf die Einheit der Arbeiterklasse stützte. Sie schrieb im Jahre 1948:
„Die Vierte Internationale weist die zionistische Lösung‘ der jüdischen Frage als utopisch und reaktionär zurück. Sie erklärt, dass eine vollkommene Ablehnung des Zionismus die notwendige Bedingung ist, um die Kämpfe der jüdischen Arbeiter mit den sozialen, nationalen und Befreiungskämpfen der arabischen Werktätigen zu vereinen. Sie erklärt, dass die Forderung nach jüdischer Einwanderung in Palästina durch und durch reaktionär ist, wie es überhaupt reaktionär ist, die Einwanderung von unterdrückenden Völkern in Kolonialländer zu fordern. Sie ist der Auffassung, dass die Frage der Einwanderung sowie die Beziehung zwischen Juden und Arabern erst dann angemessen gelöst werden kann, wenn der Imperialismus durch eine frei gewählte verfassungsgebende Versammlung vertrieben wird, in der die Juden als nationale Minderheit volle Rechte genießen.“[68]
David North, Das Erbe, das wir verteidigen, Arbeiterpresse Verlag 1988, Seite 138-139