Ein großer Schritt vorwärts

250 Arbeiter in Chicago haben das Glaswerk Republic Windows and Doors (kurz: Republic) besetzt. Das ist ein wichtiger Schritt, der die volle Unterstützung der Arbeiterklasse im ganzen Land und weltweit verdient.

Zum ersten Mal seit Beginn der Wirtschaftskrise hat eine Gruppe von Arbeitern aus eigener Initiative den Kampf gegen Angriffe der Wirtschaft auf ihre Arbeitsplätze und ihren Lebensstandard aufgenommen. Tausende werden jeden Tag Opfer solcher Angriffe.

Diese Arbeiter zeigen enormen Mut. Als das Management vergangenen Freitag die Firma überraschend dicht machte, akzeptierten sie es nicht, einfach aus der Fabrik geworfen zu werden. Die Arbeiter waren erst drei Tage vorher darüber informiert worden. Sie wollen das Werk nicht eher verlassen, als bis jeder Arbeiter sein ausstehendes Geld für Urlaub und Abfindung erhalten hat.

Diese Aktion hat eine große objektive Bedeutung. Die gleichen Bedingungen, die diese Arbeiter in den Kampf getrieben haben, erfahren Millionen in den USA und weltweit. Solche Kämpfe werden immer häufiger ausbrechen, weil die Wirtschaftskrise Arbeitern keine andere Wahl lässt, als für ihre Klasseninteressen kollektiv zu kämpfen.

In diesem Sinn weckt der Kampf die Erinnerung an die Große Depression der 1930er Jahre, als die Besetzungsstreiks der Gummi- und Autoarbeiter eine Welle großer Massenstreiks in der Industrie auslösten.

Wie auch viele Arbeiter in andern Betrieben, haben die Arbeiter in Chicago es nicht nur mit einem Unternehmer, sondern mit dem gesamten kapitalistischen Wirtschaftssystem und seinen politischen Vertretern zu tun. Republic war gezwungen, seine Tore zu schließen, weil die Bank of America, eine der größten Banken der Welt, der Firma die Kreditlinie kündigte. Bank of America hat mehr als 25 Mrd. Dollar aus dem Bankenrettungspaket der Regierung für die Wall Street erhalten.

Für Arbeiter, die ihre Arbeitsplätze, Häuser und Ersparnisse verloren haben, gab es kein Rettungspaket. Aber für die Bankvorstände und Spekulanten, deren Verantwortungslosigkeit die ganze Wirtschaft an den Rand des Zusammenbruchs gebracht hat, stellte die Regierung sofort unbegrenzte Mittel zur Verfügung. Das unterstreicht nur die Klasseninteressen, die die beiden großen Parteien der Wirtschaft vertreten - die Demokraten genauso wie die Republikaner.

Obwohl die Arbeiter große Entschlossenheit zeigen, weist ihr Kampf auch politische Schwächen auf. Die Gewerkschaft United Electrical, Radio and Machine Workers of America (UE) versucht, den Kampf auf Appelle an die Demokratische Partei und die Banken zu beschränken. Die Gewerkschaft hat Politiker wie Jesse Jackson herbeigeholt, die eine lange Bilanz im Abwürgen von Arbeiterkämpfen aufweisen.

Außerdem reichen die erhobenen Forderungen überhaupt nicht aus, um den Bedürfnissen der Arbeiter gerecht zu werden. Die Arbeiter brauchen nicht nur Abfindungen und eine zeitigere Mitteilung, dass sie auf die Straße geworfen werden, sondern einen Kampf gegen Fabrikschließungen und zur Verteidigung aller Arbeitsplätze. Ein solcher Kampf macht es nötig, sich an die Arbeiterklasse in ganz Chicago, den USA und international zu wenden und eine neue politische Bewegung der Arbeiterklasse für den Kampf für eine Alternative zum kapitalistischen Profitsystem zu schmieden.

Der Ausbruch dieses Kampfs hat die Regierung überrascht und erschreckt. Sie ist sich über die wachsende Empörung im Klaren, die das Rettungspaket der Wall Street mit seinem nackten Klassencharakter auslöst. Deswegen haben Medien und Politiker den Arbeitern bisher in Worten ihre Sympathie bekundet. Der gewählte Präsident Barack Obama und der Gouverneur von Illionis, Blagojevich, versuchen mit ihren Erklärungen Druck auf die Bank of America und auf Republic auszuüben, die Krise schnell zu lösen. Viele andere, im Kampf stehende Arbeiter könnten diesen Fall zum Beispiel nehmen.

Vertreter der Demokratischen Partei halfen, für Montag ein Treffen der Bank of America mit Republic und der Gewerkschaft UE zu vermitteln, um eine schnelle Lösung herbei zu führen.

Aber der sprichwörtliche Geist ist aus der Flasche und kann nicht wieder eingesperrt werden. Gleich, wie dieser Kampf ausgeht, das Beispiel von Chicago wird andere auf Gedanken bringen.

Die Betriebsbesetzung ist eine Demonstration der gesellschaftlichen Kraft der Arbeiterklasse. Diese 250 Arbeiter haben mehr Entschlossenheit gezeigt als die Autoarbeitergewerkschaft UAW mit ihren Millionen an Beitragseinnahmen und ihrem Milliarden schweren Streikfond. Die UAW hat vor der Arbeitsplatzvernichtung und den Forderungen der Autokonzerne und des Kongresses nach Zugeständnissen auf der ganzen Linie kapituliert, ohne auch nur den Anschein eines Kampfes zu erwecken.

Dieser Gegensatz unterstreicht, dass der mangelnde Massenwiderstand gegen die Politik der Konzerne und Banken nicht an einem Mangel an Opposition in der Arbeiterklasse liegt. Die Verantwortung dafür liegt vielmehr bei der Gewerkschaftsbürokratie, die in den letzten dreißig Jahren alles getan hat, um die Initiative und den Widerstand der Arbeiter zu erdrosseln.

Alle Skeptiker und Opportunisten, die einen Kampf für sozialistisches Bewusstsein in der Arbeiterklasse für unmöglich halten, sind erneut widerlegt worden. Arbeiter kämpfen für ihre Interessen, und sie greifen dazu zu Methoden, die implizit das System des kapitalistischen Privateigentums in Frage stellen. Mit der Vertiefung der Wirtschaftskrise werden immer mehr Kämpfe ausbrechen. Das wird Millionen Arbeiter vor die Frage stellen: Welche Klasse kontrolliert die Betriebe und die Finanzen der Gesellschaft und trifft die wirtschaftlichen Entscheidungen?

Auch wenn Arbeiter durchaus noch Illusionen in die kommende Obama-Regierung haben, wird sie das nicht davon abhalten, für ihre Interessen zu kämpfen. Je mehr Arbeiter in den Kampf kommen, desto eher werden sie die Notwendigkeit erkennen, diese Illusionen abzustreifen und sich einer politischen Alternative zu den zwei kapitalistischen Parteien zuzuwenden.

Was jetzt nötig ist, ist ein landesweiter und weltweiter Kampf, der sich auf eine sozialistische Perspektive stützt.

Siehe auch:
Eine politische Bilanz des Kampfs bei American Axle
(3. Mai 2008)
American Axle Chef Dauch und das "Recht" auf Privateigentum
( 5. April 2008)
Wählt Basiskomitees und kämpft gegen den Ausverkauf der UAW: American Axle Streik am Scheideweg
( 5. April 2008)
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