Dieser Artikel wurde geschrieben, bevor der Oberste Gerichtshof Spaniens die Ermittlungen von Richter Baltasar Garzón zur Untersuchung der Verbrechen der Franco-Ära gestoppt hat. Das Gericht entschied mit zehn zu fünf Stimmen, die Öffnung von Massengräbern in denen Tausende ermordete Gegner des faschistischen Regimes verscharrt sind, vorläufig zu unterbrechen.
Als Begründung gab das Gericht an, vor der Exhumierung der Leichen müsse die Zuständigkeit von Richter Garzon für diese Untersuchung vom Verfassungsgericht überprüft werden.
Der prominente Untersuchungsrichter Baltasar Garzon hat Ermittlung über Tausende Massengräber in ganz Spanien eingeleitet. Bis heute wurde niemand wegen der schrecklichen Verbrechen, die unter der faschistischen Diktatur von General Francisco Franco verübt wurden, strafrechtlich verfolgt. Der Erlass für die Untersuchung macht deutlich, dass die spanischen Gerichte nie irgendwelche Ermittlungen über diese Verbrechen durchgeführt hat.
Garzons Ermittlungen umfassen drei Perioden - den Bürgerkrieg vom 17. Juli 1936 bis zum Februar 1937, die Zeit des Ausnahmezustands von März 1937 bis Anfang 1945 und die Zeit der "Repression" von 1945 bis 1952, "die gekennzeichnet ist durch die Eliminierung von Untergrundkämpfern und denjenigen, die sie unterstützt haben". Die Begründung für die Untersuchung macht klar, dass es ihr nicht darum geht, politische Fragen aufzuwerfen, sondern "um das viel bescheidenere Ziel", eine Untersuchung über "unfreiwilliges Verschwinden" zu führen.
In den fünfzehn Tagen, die der Staatsanwaltschaft bewilligt wurden, um Listen von vermissten Personen aufzustellen, wurden zirka 114.266 Menschen ermittelt. Das Ausmaß der Morde in manchen Städten und Gemeinden war grauenhaft - in Cordob, der drittgrößten Stadt Andalusiens, verschwanden 7.091 Menschen, in Malaga, an der westlichen Mittelmeerküste, verschwanden 7.797 und im nord-spanischen Burgos 4.800 Menschen. Laut der Anklagevertretung "ist klar, dass solche Listen überprüft, analysiert und überarbeitet werden müssen, um sie zu ergänzen und auf den neuesten Stand zu bringen".
Die Ermittlungen wurden aufgrund von Eingaben von Vereinen der Opfer der Franco-Diktatur und verschiedenen Einzelpersonen an den Obersten Gerichtshof eingeleitet. Das geht aus dem Erlass hervor, der den Ermittlungen zugrunde liegt. Bei allen Eingaben ging es um "mutmaßliche Verbrechen durch rechtswidrige Festnahmen, die auf verbürgten Fakten beruhen; in der Hauptsache auf der Grundlage eines vorgefassten Plans und durch die systematische Eliminierung von politischen Gegnern durch vielfache Morde, Folterungen, Ausweisungen und unfreiwilliges Verschwinden (gesetzwidrige Haft) von Menschen seit 1936, in den Jahren, die auf den Bürgerkrieg folgten, und nach dem Krieg in vielen Gegenden Spaniens".
Die Forderung nach einer politischen Abrechnung mit dem Franco-Regime ist angesichts der weit verbreiteten Feindschaft gegen seine politischen Erben in der Volkspartei (PP) stärker geworden. Diese Opposition führte bereits von fünf Jahren zum Sturz der Regierung von Jose Maria Aznar.
Die Regierung der Sozialistischen Partei (PSOE) von José Luis Zapatero kam als Folge dieser Feindschaft an die Macht - wobei die Ablehnung der Teilnahme Spaniens am Irak-Krieg im Vordergrund stand, aber ebenso die rechte Wirtschafts- und Sozialpolitik der PP. Die PSOE hat jedoch nur das absolute Minimum getan, um den Forderungen nach Gerechtigkeit nachzukommen. 2007 hat sie das Gesetz zur Historischen Erinnerung verabschiedet, mit dem die "Opfer" des Bürgerkriegs auf beiden Seiten rehabilitiert werden. Sie hat außerdem bestimmte faschistische Symbole und Denkmäler beseitigt.
Garzons Erlass indes geht viel weiter. Er drückt erneut "seine große Hochachtung vor allen Opfern [aus], die während des Bürgerkriegs und in der Nachkriegszeit unaussprechlicher Gewalt, Massakern und groben Verletzungen ihrer Rechte ausgesetzt waren"; er dehnt diese Anerkennung auf alle aus, "ungeachtet ihrer politischen, ideologischen, religiösen oder anderen Zugehörigkeit und ohne den Versuch, eine Differenzierung zu machen".
Dennoch richtet sich der Schwerpunkt der Ermittlungen unmissverständlich gegen die Faschisten.
Garzon hat erklärt, das Innenministerium werde ersucht, Informationen über die obersten Führungskräfte der Spanischen Falange zwischen 1936 und 1951 zu liefern und "entscheiden, ob Anklage erhoben wird, oder im Falle des Todes die Beendigung der Schuldfähigkeit erklären". Das bedeutet, dass alle Überlebenden theoretisch immer noch mit Strafverfolgung rechnen müssen, obwohl das angesichts der inzwischen verflossenen Zeit unwahrscheinlich ist.
Schwerwiegender ist möglicherweise Garzons Absicht, eine fünfköpfige Expertengruppe einzusetzen, um "die Anzahl, den Ort der Beisetzung und die Identität der Opfer" festzustellen. Sie sollen durch eine zehnköpfige vom Gericht beauftragte Polizeieinheit unterstützt werden, die die Vollmacht besitzt, alle staatlichen Archive einzusehen. Eine solche gerichtlich angeordnete Nachforschung wäre in der Lage, Verbindungen zwischen dem Franco-Regime und breiten Schichten der herrschenden Elite und dem Staatsapparat aufzudecken, die oft auch Historikern - damals wie heute - verborgen geblieben sind.
Der Erlass zeigt, dass der bewaffnete Aufstand Francos vom 18. Juli 1936 gegen die Volksfrontregierung von langer Hand vorbereitet war und mit äußerster Brutalität durchgeführt werden sollte.
Befehl Nr. 1, der von General Emilio Mola vorbereitet und im April/Mai 1936 erteilt wurde, lautet: "Der Einsatz muss äußerst brutal und so bald wie möglich erfolgen, um den Feind zu schwächen, der stark und gut organisiert ist." Er verlangt die Inhaftierung der Führer sämtlicher politischer Parteien, Gewerkschaften und Organisationen, die nicht der Nationalen Heilsbewegung [den Faschisten] nahe stünden und "exemplarische Bestrafungen von Einzelpersonen, um die Rebellion und die Streikbewegung zu erdrosseln".
Befehl Nr. 6 lautete, dass gleich nach dem Sieg der faschistischen Bewegung ein Leitungsgremium eingerichtet werden sollte, das aus dem Präsidenten und vier Armeeoffizieren bestehen werde, und "unbeschränkte Macht ausüben wird" ungehindert von Gerichten.
Dekret Nr. 2 verlangt "Schnellgerichtsverfahren" und die Erschießung von Gegnern und Nr. 3 fordert die Verhaftung und Inhaftierung des Präsidenten der Republik, des Premierministers, sämtlicher Minister, Staatssekretäre, Direktoren und Gouverneure "als Täter, die Verbrechen gegen die Heimat begangen, die Macht usurpiert und Hochverrat gegen Spanien verübt haben". Erlass Nr. 4 hob die Verfassung und das Autonomiestatut auf, löste das Nationale Parlament, die Parlamente der autonomen Gebiete und das Verfassungsgericht auf.
Als der Aufstand am 19. Juli 1936 begann, erklärte Mola: "Es ist notwendig ein Bild des Schreckens zu verbreiten..., offen oder heimlich sollten die Anhänger der Volksfront erschossen werden."
In einer Rede im Radio Burgos am 31. Juli 1936 fügte er hinzu: "Ich könnte unsere vorteilhafte Lage dazu nutzen, um den Feinden einen Kompromiss anzubieten, aber das will ich nicht. Ich möchte meinen Willen durchsetzen, um sie zu besiegen. Und um sie auszulöschen."
Hauptmann Gonzalo de Aguilera, Graf von Alba de Yeltes, erklärte gegenüber dem amerikanischen Journalisten John T. Whitaker, die Faschisten müssten ein Drittel der männlichen Bevölkerung eliminieren "um das Problem der Arbeitslosigkeit... und die Gefahr, die das Proletariat für die herrschenden Klassen darstellt, zu beseitigen".
Er erklärte, sie mussten "systematisch" die Leichen der Ermordeten "verstecken", damit die Familien die Gräber nicht fänden.
Und schließlich sagte Franco am 27. Juli 1936 in Tanger gegenüber Jay Allen von der Chicago Daily Tribune: "Wir kämpfen für Spanien. Sie kämpfen gegen Spanien. Wir sind entschlossen, das um jeden Preis durchzuziehen."
Als Allen antwortete: "Dann müssen sie halb Spanien ermorden", habe Franco "seinen Kopf herumgedreht, mich angelächelt und entschlossen gesagt,Ich habe gesagt, wenn das der Preis ist, dann muss es so sein’."
Die Militärgerichtshöfe, die am 28. Juli 1936 zum Zweck der Unterdrückung politischer Gegner eingerichtet wurden, waren "für die strafrechtliche Verfolgung ohne ordentliches Gerichtsverfahren von Menschen verantwortlich, die willkürlich inhaftiert und gefoltert wurden; sie verhängten im Eilverfahren schwere Strafen wie die Todesstrafe, Zwangsarbeit, die Konfiszierung des Besitzes oder lange Gefangenschaft in Konzentrationslagern oder rechtswidrigen Geheimgefängnissen."
Kaum jemand wird widersprechen, dass diese Taten "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" sind. Der Erlass verwendet mehrere Seiten auf die Argumentation, dass dies nach spanischer und internationaler Rechtssprechung tatsächlich der Fall ist; er definiert Verbrechen gegen die Menschlichkeit als "Teil eines umfassenden oder systematischen Angriffs auf Zivilisten aufgrund ihrer politischen, rassischen, nationalen, ethnischen, kulturellen, religiösen, geschlechtlichen oder anderen Zugehörigkeiten".
Er erklärt allerdings, dass es bei der Eröffnung eines solchen Prozesses eine Reihe von "Fallstricken" gebe - der wichtigste sei das Gesetz 46/197, das am 15. Oktober 1977 während des so genannten "Übergangs zur Demokratie" erlassen wurde. Es erteilt eine Amnestie für alle politischen Maßnahmen, auch für Verbrechen oder Vergehen, die vor dem 15. Dezember 1976 verübt wurden.
Der Erlass stützt sich auf eine Reihe von Urteilen der Vereinten Nationen und argumentiert, dass die Amnestie von 1977 "niemals" so ernste Vorfälle wie Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit betreffen könne und dass "Staaten die Verpflichtung haben, gegen Verdächtige zu ermitteln, und wenn genügend Beweise vorhanden sind, diejenigen, die für diese Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, strafrechtlich zu belangen und, wenn sie verurteilt werden, zu bestrafen".