Die jüngsten „Reformpläne“ der Bundesarbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leyen sollen angeblich künftige Altersarmut verhindern. Sie sind das Papier nicht wert, auf das sie geschrieben sind.
Die vorgeschlagene steuerfinanzierte Zuschussrente für Geringverdiener wird die Altersarmut nicht verhindern. Sie trägt vielmehr alle Anzeichen eines plumpen Täuschungsmanövers. Sie soll verdecken, dass die Regierung und ihre Vorgängerinnen alles getan haben, um die Sozialsysteme auszuhöhlen und zu zerstören, durch die Alte und Kranke früher vor dem vollkommenen Absturz in die Armut bewahrt wurden.
Die „Reform“, die 2013 in Kraft treten soll, garantiert angeblich vor allem Frauen, die Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt haben, eine monatliche Rente von 850 Euro. Aber erstens ist es schon heute kaum möglich, mit einer so geringen Rente über die Runden zu kommen. In zwei Jahren wird dies angesichts von Preissteigerungen sowie der ständigen Erhöhung von Mieten und Gebühren für Energie, Wasser, öffentlichen Nahverkehr usw. noch weniger möglich sein.
Zweitens würde von den gegenwärtig etwa 400.000 Alten, die sich mit den dürftigen 650 Euro Grundsicherung durchschlagen müssen, weil ihre Rente nicht ausreicht, sowie von den zukünftigen Rentnerinnen und Rentnern kaum jemand von der „Reform“ profitieren. Denn die Voraussetzungen für den Bezug dieser Zuschussrente sind derart ausgestaltet, dass sie kaum jemand erfüllen kann. Sogar von der Leyen selbst geht von gerade einmal 17.000 Menschen aus, die in den Genuss ihrer groß angekündigten Reform kämen.
Wer Anspruch auf die 850 Euro anmelden will, muss nämlich nicht nur 45 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt und 35 Jahre gearbeitet, sondern auch noch eine private Riesterrentenversicherung abgeschlossen haben. Die Ministerin wies die Kritik an dieser Vorrausetzung mit dem Argument zurück, dass der Mindestbeitrag für eine Riesterrente bei nur fünf Euro liege. Abgesehen davon, dass auch fünf Euro für Arme viel Geld sind, wenn es am Monatsende kaum noch für eine warme Mahlzeit reicht, haben viele Geringverdiener keine Riesterrente abgeschlossen, weil sie ihnen nach den bisherigen Regelungen keinen Cent über die Grundsicherung hinaus eingebracht hätte.
Trotz einiger Erleichterungen sind die 45 Beitragsjahre unrealistisch hoch angesetzt. Zwar sollen als Versicherungsjahre im Gegensatz zu gegenwärtigen Regelungen auch Zeiten der Arbeitslosigkeit, Schule und Ausbildung sowie des Studiums gelten, aber gerade Frauen, die lange aus dem Beruf waren, werden davon wenig nachweisen können.
Kindererziehung, die Pflege von Angehörigen und Minijobs sollen ebenfalls als Beitragsjahre angerechnet werden. Das gilt aber nur, wenn in die Rentenversicherung ein Aufstockungsbetrag gezahlt wird. Welche Hausfrau oder Witwe aus den unteren Einkommensschichten kann den Betrag dafür aufbringen?
Insgesamt werden bei dem hohen Sockel von Langzeitarbeitslosen und den Vielen, die es aufgegeben haben, sich arbeitssuchend zu melden, nur Wenige diese Kriterien erfüllen können. Kleine Selbständige, deren Einkommen kaum zum Leben ausreicht und die daher nur wenig für ihre Altersvorsorge anlegen konnten, werden überhaupt nichts erhalten, weil die „Reform“ nur für Arbeitnehmer gilt.
So werden die Pläne von der Leyens, die angesichts der „Schuldenbremse“ sicher auch noch im Gesetzgebungsverfahren abgespeckt werden, die wachsende Altersarmut nicht verhindern, sondern höchstens in der Öffentlichkeit den Eindruck erzeugen, dass etwas dagegen getan werde.
Altersarmut nimmt zu
Im August wiesen Presse und Medien vielfach darauf hin, dass etliche Indikatoren auf eine dramatische Zunahme der Armut Älterer in Deutschland hindeuten.
Die OECD warnte letzte Woche, Millionen Deutschen drohe im Alter ein Leben in Armut. Deutschland gehöre international zu den Schlusslichtern bei der Alterssicherung von Geringverdienern. Das liegt vor allem an den zahlreichen „Dämpfungsmaßnahmen“, mit denen in den letzten Jahren die Rentensysteme angeblich gegen den demographischen Wandel abgesichert wurden. In Wirklichkeit verschärften sie die Altersarmut, so dass künftige Rentnergenerationen von ihren Alterseinkünften nicht mehr leben können, wenn sie nicht zusätzlich private Versicherungen abgeschlossen haben.
Ob ihnen die Einkünfte aus der „privaten Vorsorge“ sicher sind, ist allerdings angesichts der Turbulenzen auf den Finanzmärkten zu bezweifeln. So wurden in den USA, wo die private Altersvorsorge traditionell viel weiter verbreitet ist, zahlreiche Rentner durch die Finanzkrise in Armut gestürzt, weil die Rentenfonds massive Verluste machten oder ihre Ersparnisse plötzlich nichts mehr wert waren.
Altersarmut bedeutet, dass nicht (mehr) erwerbstätige Teile der Bevölkerung ihren Bedarf weder aus ihrem Vermögen, noch aus Leistungen der gesetzlichen und privaten Versorgungssysteme decken können.
Angeblich geht es der heutigen Rentnergeneration so gut wie nie zuvor und Altersarmut ist ein seltenes Phänomen. Zum Beweis wird angeführt, dass nur etwas mehr als 2 Prozent der gegenwärtigen Rentner die Aufstockung ihrer Altersbezüge durch die sogenannte Grundsicherung (Sozialhilfe) beantragt haben.
Altersarmut ist aber keineswegs so selten. So hat die Zahl von Grundsicherungsbeziehern im Alter und bei Erwerbsminderung um mehr als 40 Prozent zugenommen. Hinzu kommen viele Alte, vor allem Frauen, die sich nicht trauen oder schämen, Grundsicherung zu beanspruchen, und lieber versuchen, durch Einsparungen bei Ernährung, Kleidung oder Ausgaben für Kultur oder Gesundheit zu sparen.
Die Sozialverbände gehen davon aus, dass mindestens Dreiviertel der Altersarmen keine Grundsicherung beantragt haben. Das hat zur Folge, dass sie von ihren Minirenten etwa 40 Prozent für eine Wohnung ausgeben müssen, die in fast 60 Prozent der Fälle über keine Zentralheizung oder über kein Bad verfügt.
Arbeit trotz Rente
So gehen immer mehr Rentner und Rentnerinnen nebenher einer geringfügigen Beschäftigung (Putzen, Zeitungen austragen usw.) nach, um ihre Rente aufzustocken. In der Politik wird dies so gedeutet, dass sie sich angeblich noch fit fühlen und daher das Renteneintrittsalter weiter heraufgesetzt werden kann. Dabei sind die meisten arbeitenden Rentner und Rentnerinnen weiter tätig, weil die Rente einfach nicht zum Lebensunterhalt ausreicht.
Weil immer mehr Menschen das Rentenalter erreichen, die arbeitslos oder geringfügig beschäftigt waren und daher nur Minirenten beziehen, ist die Zahl der nebenbei arbeitenden Rentner in wenigen Jahren um 60 Prozent gestiegen. So gingen 2010 etwa 660.000 Menschen im Alter zwischen 65 und 74 Jahren einer geringfügigen Beschäftigung oder einem Minijob nach. Dies seien 244.000 mehr als im Jahr 2000, erklären die Sozialverbände.
Auch die Zahl von Rentnern, die sich überwinden konnten, zusätzlich zu ihrer Rente die sogenannte staatliche Grundsicherung zu beantragen, hat zugenommen, auch wenn sie 2009 mit rund 400.000 Personen immer noch recht gering war. 2003 waren es allerdings nur 258.000 gewesen.
Der Anstieg der Altersarmut ist vor allem der weit verbreiteten Niedriglohnarbeit, die SPD und Grüne zu verantworten haben, und von der Leyens Kürzungen im Sozialhaushalt zu verdanken.
Die Bundesministerin hat in ihrem Haushalt erst jüngst massive Kürzungen bei den Ärmsten der Armen vorgenommen, um auf der andern Seite mit Programmen zu punkten, die nicht funktionieren. Typisch ist das „Bildungspaket“ für arme Kinder, bei dem Diskriminierung und Stigmatisierung bewusst zur Kostensenkung eingesetzt werden. Um das „Bildungspaket“ zu finanzieren, werden z.B. keine Beiträge mehr zur Rentenversicherung für Langzeitarbeitslose überwiesen.
Allein durch diese Streichung bei den Rentenbeitragszahlungen spart der Sozialhaushalt jährlich zwei Milliarden Euro ein. Auch die Kürzungen bei den Erwerbsminderungsrenten für Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nur noch wenig arbeiten können, tragen zur wachsenden Altersarmut bei.
Wie in der gesamten Gesellschaft sind die Einkommen auch im Alter sehr ungleich verteilt. Sicher gibt es eine Schicht gut abgesicherter Rentner und Pensionäre, die sich durch eine langjährige Erwerbsbiografie und relativ hohe Löhne oder Einkommen eine gute Altersversorgung sichern konnten. In den letzten Jahrzehnten war dies aber für einen wachsenden Teil der Bevölkerung infolge der Wirtschaftskrise, der neoliberalen Wirtschaftspolitik und insbesondere infolge der Einführung der Hartz-Gesetze durch die rotgrüne Regierung nicht mehr der Fall.
Die Presse hat kürzlich den Fall geschiedener DDR-Rentnerinnen aufgegriffen, die wenig rentenversicherungsrelevant gearbeitet haben, weil sie z. B. Kinder erzogen haben. Sie erhalten Renten zwischen 250 und höchstens 650 Euro und keinen Versorgungsausgleich vom Ehemann, weil das DDR-Recht das (wie auch das westdeutsche vor 1977) nicht vorsah. Die Politiker der etablierten Parteien ziehen sich eiskalt auf die Rechtslage zurück und bedauern, dass der Staat da „nichts machen könne“.
Diesen und anderen Altersarmen könnte nur durch ein bedingungsloses Grundeinkommen geholfen werden, das durch eine Besteuerung der wirklich Reichen in dieser Gesellschaft finanziert wird.