Spätestens 2016 schließt das Bochumer Opel-Werk. Betriebsrat und Opel-Vorstand haben die Belegschaft am Montag auf einer Betriebsversammlung darüber informiert. Es ist das erste Produktionswerk in der Autoindustrie, das nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland geschlossen wird.
Schon am Freitag hatte Bochums Betriebsratschef Rainer Einenkel angekündigt, dass in der Fabrik mit mehr als 3.200 Opel-Beschäftigten und über 1.000 Arbeitern in ausgegliederten Unternehmen nach dem Auslaufen des aktuellen Familienwagens Zafira Ende 2016 kein neues Modell vom Band laufen werde. Dies hat auch für viele tausend Arbeiter in den Zulieferbetrieben den Jobverlust zur Folge. Ungeachtet dieser Hiobsbotschaft ist am kommenden Samstag ein Tag der offenen Tür geplant, um das 50-jährige Bestehen zu feiern.
„2016 endet die Fertigung kompletter Fahrzeuge in Bochum“, bestätigte der derzeitige Opel-Vorstandschef Thomas Sedran am Montag auf der Betriebsversammlung. Als er den Saal nach seiner nicht einmal einminütigen Stellungnahme durch den Hintereingang verlassen wollte, versuchte Augenzeugenberichten zufolge ein Vertrauensmann der IG Metall ihn zur Rede zu stellen. Dieser sei daraufhin vom Security-Personal zu Boden gestoßen und heftig attackiert worden.
Nun ist offiziell, was der Betriebsrat und die IG Metall seit Monaten wussten, aber den Beschäftigten verheimlicht haben. Der Opel-Vorstand und die amerikanische Konzern-Mutter General Motors (GM) waren schon mit der Forderung nach der Schließung des Bochumer Werks in die Verhandlungen gegangen, die seit Anfang des Jahres laufen. Einenkel hatte aber immer wieder behauptet, er verhandle nicht über eine Schließung des Werks.
In Wirklichkeit hatte der Vorstand von Anfang an deutlich gemacht, dass er sich bei der Entscheidung über die Zukunft des Bochumer Werkes nicht vom Betriebsrat reinreden lasse. Vielmehr bestehe die Aufgabe des Betriebsrats darin, die Pläne, die ihm der Vorstand vorlegt, den Arbeitern gegenüber zu vertreten und durchzusetzen. In einer nunmehr seit acht Jahren laufenden Auseinandersetzung haben Opel-Vorstand und Betriebsratschef Einenkel die Belegschaft zermürbt und per Salamitaktik dem endgültigen Aus entgegengeführt.
Als Einenkel um die Jahreswende 2004/2005 Vorsitzender des Betriebsrates wurde, arbeiteten noch über 10.000 Menschen im Bochumer Werk. Sie hatten sich im Oktober 2004 mit einem von den Betriebsräten weitgehend unabhängigen sechstägigen Arbeitskampf gegen weitere Entlassungen gestellt. GM hatte damals einen Sparplan für die europäische Tochter vorgelegt, der den Abbau von 12.000 Arbeitsplätzen vorsah – davon bis zu 10.000 in Deutschland.
Der Betriebsrat unter Einenkel sorgte in den folgenden Jahren dafür, dass der massive Arbeitsplatzabbau und die ständigen Lohnsenkungen ohne größere Proteste durchgesetzt wurden. Im Namen der „Standortsicherung“ stimmte Einenkel auch der Schließung des belgischen Opel-Werks in Antwerpen 2010 zu. Nun ist Bochum an der Reihe.
Einenkel wandte immer die gleiche Masche an. Er beschwor öffentlich die Kampfbereitschaft der Bochumer Opel-Arbeiter, arbeitete jedoch hinter den Kulissen mit dem Vorstand die Abbau- und Lohnsenkungspläne aus, um der Belegschaft diese anschließend als Kompromiss und „kleineres Übel“, als „Rettung des Werks“ oder „langfristige Standortsicherung“ zu verkaufen. In Wirklichkeit hat jeder einzelne Kompromiss das Werk der Schließung einen Schritt näher gebracht.
Selbst jetzt versuchen Einenkel und der Opel-Vorstand, die Arbeiter hinzuhalten. Die Einstellung der Fahrzeugproduktion bedeute nicht das Aus für den Standort im Ruhrgebiet, sagte Sedran: „Opel bleibt auch zukünftig in Bochum präsent. Nicht nur mit dem Logistikzentrum, auch mit einer im Detail noch festzulegenden Komponentenfertigung.“
Das Logistikzentrum mit 430 Beschäftigten solle erhalten werden. In dem geplanten Komponentenwerk sollten angeblich bis zu 1.000 Jobs entstehen. Zudem liefen mit Opel und der nordrhein-westfälischen Landesregierung noch Verhandlungen über „weitere Alternativen“.
Doch das ist das altbekannte, abgekartete Spiel. Teilen der Belegschaft wird eine trügerische Hoffnung vorgegaukelt, um sie ruhig zu stellen. Allein in diesem Jahr hat Opel 2.600 Stellen in Europa abgebaut, die meisten in Deutschland. Und erst vor knapp zwei Wochen hatte Opel in Bochum die Einigungsstelle angerufen, um die Schließung des Bochumer Werks II im nächsten Jahr einzuleiten. In diesem Werk werden von 300 Arbeitern vor allem Getriebe, aber auch Achsen für den GM-Konzern gefertigt.
Die Anrufung der Einigungsstelle durch Opel zwingt den Betriebsrat innerhalb von zwei Wochen zur Aufnahme von Verhandlungen. Es wird nicht mehr darüber verhandelt, ob, sondern nur noch wie und unter welchen Bedingungen die 300 Arbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren. Anders als bei anderen Arbeitsplätzen in der Fahrzeugproduktion kann Opel die dort eingesetzten 300 Arbeiter betriebsbedingt kündigen, was die Abfindungszahlungen erheblich senkt. Welche Komponenten nach Schließung der Getriebefertigung in Bochum gebaut werden könnten, bleibt ein Geheimnis.
Am 30. November rief Einenkel die gesamte Frühschicht – rund 1.000 Arbeiter – während der Pause vor das Tor, um gegen die Schließung des Getriebewerks zu protestieren. Dabei bereitete Einenkel die Belegschaft schon auf die endgültige Schließung des Standorts vor. „Das könnte eine Generalprobe für das Werk I sein“, sagte er und behauptete, die Aktion sei nur eine erste Warnung: „Wir können auch anders.“
Auf der Betriebsversammlung am Montag sagte er, es habe „schon viele gegeben, die von dieser Stelle aus gesagt haben, es werden hier keine Autos mehr gebaut werden. Wir werden auch nach 2016 Autos bauen.“ Das soll vor allem die Arbeiter ruhig stellen.
Der Betriebsrat hat in Bochum bisher jeden Arbeitsplatzabbau und alle Lohnsenkungen akzeptiert. Er wird auch die Schließung des Werks durchsetzen, wenn die Arbeiter sich nicht unabhängig von ihm und der IG Metall organisieren.
Siehe auch: „Verteidigt alle Arbeitsplätze in der Autoindustrie“