Ende November hat ThyssenKrupp angekündigt, der Unternehmensvorstand habe den nordrhein-westfälische IG-Metall-Chef Oliver Burkhard eingekauft. Für ein Jahresgehalt von zwei Millionen Euro hat der Gewerkschaftsfunktionär die Aufgabe übernommen, als Arbeitsdirektor massiven Arbeitsplatzabbau, Lohnsenkungen und Flexibilisierungsmaßnahmen gegen die weltweit rund 150.000 Beschäftigten durchzusetzen.
Vor wenigen Tagen wurde ein neues Detail der korrupten Beziehungen zwischen der Gewerkschaft IG Metall und dem Thyssen-Management bekannt. Die sogenannten Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat ließen sich First-Class-Luxusreisen mit Glamour Events nach Asien und Amerika bezahlen, wie das Handelsblatt am vergangenen Freitag berichtete.
Bei einer Brasilienreise stand neben der Besichtigung des neuen Stahlwerkes in der Metropole Rio de Janeiro ein Ausflug zum berühmten Zuckerhut auf dem Programm. Bei einer Reise nach China spendierte der Konzern der Delegation einen Bummel durch das Spielerparadies Macau. Fast immer dabei war der Hauptkassierer der IG Metall Bertin Eichler, der auch als stellvertretender Vorsitzender im Aufsichtsrat von ThyssenKrupp sitzt.
Fünf Touren habe allein er auf Firmenkosten gemacht: nach Kuba, nach Thailand, in die USA und zweimal nach China. So wohnte Eichler vor acht Jahren einem Rennen der Formel-1 in Shanghai bei. Thyssen-Krupp hatte eigens für Eichler und seine Gäste eine Vip-Lounge an der Rennstrecke gemietet. So wurde das Geschäftliche mit dem Angenehmen verbunden.
„Für uns war er der Gewerkschafter mit dem Hang zum Luxus“, zitiert das Handelsblatt eine Führungskraft des Konzerns. Daher hatte er auch nichts dagegen, dass er stets First Class reiste, in der das Ticket für Fernflüge gewöhnlich mehr als 10.000 Euro kostet.
Mit unverhohlener Arroganz rechtfertigte das Vorstandsmitglied der IG Metall seine Teilnahme an diesen Luxusreisen. Gegenüber dem Handelsblatt gab er an, bei Thyssen-Krupp sei es gängige Praxis gewesen, dass Überseereisen von Aufsichtsräten vom Unternehmen in der ersten Klasse gebucht würden. Aus heutiger Sicht sei es allerdings „sinnvoll, diese Praxis zu überprüfen“.
Dass die Betriebs- und Aufsichtsräte in den großen mitbestimmten Unternehmen Hand in Hand mit den Konzernspitzen als Co-Manager arbeiten, ist kein Geheimnis. Gelegentlich kommen die Methoden ans Tageslicht, wie dieses System nach dem Motto „Eine Hand wäscht die andere“ funktioniert.
Ein solcher Fall war der im Sommer 2005 aufgeflogene VW-Skandal. Dem Personalvorstand des größten deutschen Autobauers Peter Hartz, dem Namensgeber der Hartz-Gesetze, standen Millionen zur Verfügung, um den Betriebsrat mit Lustreisen und anderen Zuwendungen zu korrumpieren. Allein der Betriebsratsvorsitzende Klaus Volkert hatte zusätzlich zu seinem üppigen Gehalt knapp zwei Millionen Euro an Sonderzahlungen erhalten.
Die Luxusreisen Bertin Eichlers machen erneut deutlich, dass die Korruption der Gewerkschaftsfunktionäre direkt mit massiven Angriffen auf die Beschäftigten verbunden ist. Als stellvertretender Vorsitzender saß Eichler zusammen mit dem Vorsitzenden Gerhard Cromme in fünf von sechs Ausschüssen des Aufsichtsrats, wurde also in alle Entscheidungen – auch über Werksschließungen, -verkäufe und Arbeitsplatzabbau – früh eingeweiht. Gegenüber den Beschäftigten wurden solche Informationen strikt geheim gehalten. Die Gewerkschafter bildeten eine regelrechte Verschwörung gegen die Arbeiter.
Das Handelsblatt hat die Aufsichtsratsprotokolle von Thyssen-Krupp der vergangenen sieben Jahre ausgewertet und berichtet, Vize-Aufsichtsratschef Eichler sei „durch Zurückhaltung“ aufgefallen. „Von der in IG-Metall-Kreisen gern zitierten ‚gesellschaftlichen Gegenmacht’ war im Aufsichtsrat nicht viel zu spüren.“ Stattdessen habe er „gern und viel“ gelobt – und zwar die Konzernspitze.
Eichler selbst wies den Vorwurf, seine Zurückhaltung im Aufsichtsrat sei den Luxusreisen geschuldet, „entschieden zurück“.
Am Montag dieser Woche stellte sich IG-Metall-Chef Berthold Huber demonstrativ hinter Eichler und sprach dem Hauptkassierer der Gewerkschaft sein Vertrauen aus. Es sei absurd, erklärte Huber im Handelsblatt vom Montag, die Aufsichtsräte mit zweierlei Maß zu messen. Dass die „Vertreter der Anteilseigner erster Klasse fliegen oder sich von den Tantiemen vielleicht ein privates Ferienhaus kaufen“, kümmere doch auch niemanden. „Also bitte: Gleiche Maßstäbe für alle!“
Deutlicher könnte Huber kaum zum Ausdruck bringen, auf welche Seite die IG Metall steht. „Im Übrigen“, betonte Huber, sehe „auch die Bundeskanzlerin in unserer Mitbestimmung ausdrücklich ein Erfolgsmodell und einen Wettbewerbsvorteil für Deutschland“.
Huber und Eichler stehen an der Spitze einer reichen Arbeiteraristokratie, die aufs engste mit den Konzernchefs und der Regierung verbunden ist und den Arbeitern ebenso feindlich wie diese entgegentritt.
Nach eigenen Angaben erhält IGM-Chef Huber ein Jahresgehalt von 240.000 Euro (Einnahmen aus mehreren Aufsichtsräten nicht mitgerechnet). Eichler wird kaum weniger bekommen. Schließlich verwaltet er das Vermögen des Gewerkschaftsapparats, das laut Huber „weit über 2 Milliarden Euro“ beträgt.
Ein Großteil der Einnahmen der Gewerkschaft stammt aus ihrer Vertretung in den Aufsichtsräten. Hunderte von Funktionären sitzen dort und kassieren zum Teil über 100.000 Euro Tantiemen im Jahr, von denen 90 Prozent bei der gewerkschaftseigenen Hans-Böckler-Stiftung abgeführt werden sollen. Über diesen Weg finanzieren die Konzerne die Gewerkschaft, und die Funktionäre vertreten als Gegenleistung die Interessen der Konzerne.
Allein Thyssen-Krupp zahlte im Geschäftsjahr 2011/2012 den von der IG Metall entsandten Aufsichtsratsmitgliedern 638.646 Euro. Eichler erhielt davon 159.500 Euro. Die BMW AG, in deren Aufsichtsrat Eichler ebenfalls sitzt, zahlte 2010 fast zwei Millionen Euro an die Gewerkschaftsvertreter.
Hinter der beispiellosen Arroganz, mit der Eichler und Huber die Luxusreisen und andere Formen der Korruption rechtfertigen, steht eine wachsende Schicht steinreicher Gewerkschaftsbürokraten, die ähnlich wie die Banken- und Konzernchefs an der Wirtschaftskrise verdienen und eine privilegierte Stellung einnehmen. Denn je mehr sich die Krise verschärft und je mehr in Betrieben und Verwaltungen der Widerstand gegen Entlassungen und Sozialabbau steigt, desto bedeutsamer wird der Gewerkschaftsapparat für die herrschende Klasse, um jeden Widerstand von unten im Keim zu ersticken.