Die Rolle Deutschlands im Mali-Krieg

Vor einem Monat fielen französische Soldaten, Panzer und Kampfjets in Mali ein. Seither weitet Deutschland seine Beteiligung an diesem Kolonialkrieg von Woche zu Woche weiter aus.

Die Regierung in Berlin hat Frankreich sofort ihre vorbehaltlose Unterstützung erklärt und für den Transport von Truppen, Waffen und Munition der Westafrikanischen Wirtschaftsunion (ECOWAS) in das Kriegsgebiet zwei Transall-Transportflugzeuge zur Verfügung gestellt. Inzwischen ist deren Zahl auf drei erhöht worden, und die Bundeswehr hat in Dakar (Senegal) innerhalb kürzester Zeit einen festen Stützpunkt aufgebaut. Von dort aus operieren diese Maschinen unter Einsatz von 75 Bundeswehrsoldaten.

Auf der „Geberkonferenz“ der Vereinten Nationen zur Finanzierung des Kriegs sagte Berlin Ende Januar Zahlungen von zunächst 20 Millionen Dollar für einen Fonds von insgesamt 456 Millionen Dollar zu. Dieser dient dem Aufbau der malischen Armee und der Finanzierung der „Afrikanisch geführten UNO-Unterstützungsmission für Mali“ (AFISMA).

Wie Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière auf der Sicherheitskonferenz in München am letzten Wochenende mitteilte, wird sich die Bundeswehr mit 40 Pionieren an der Europäischen Ausbildungsmission (EUTM Mali) beteiligen. Diese wird die Truppen von Mali und der ECOWAS vor Ort für Kampfeinsätze trainieren.

Auf einer „Truppenstellerkonferenz für Mali“ in Brüssel hat Berlin am Dienstag vergangener Woche darüber hinaus die Entsendung von 40 Bundeswehrärzten und -sanitätern sowie die Lieferung und den Betrieb eines Feldlazaretts bekannt gegeben.

Auch die von der französischen Regierung angeforderte Unterstützung durch Bundeswehr-Tankflugzeuge wird technisch bereits vorbereitet. Ohne Zwischenbetankung in der Luft wären die französischen Bomber und Kampfjets nicht in der Lage, die extrem weiten Strecken von ihren Stützpunkten in Frankreich oder Afrika zu ihren Einsätzen in Mali zurückzulegen.

Da der Kriegscharakter dieser Operationen und der Ausbildung malischer Soldaten nicht geleugnet werden kann, müssen sie vom Bundestag genehmigt werden. Anfang März soll dies nachträglich geschehen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière und Bundesaußenminister Guido Westerwelle werden nicht müde zu beteuern, dass sie aus „Solidarität mit Frankreich“ und zur „Verteidigung der Sicherheit Europas gegen Terroristen“ handeln. Das ist dieselbe verlogene Kriegspropaganda, mit der die USA den Krieg gegen den Irak gerechtfertigt hatten.

Paris und Berlin geben als Kriegsziel die Ausschaltung von Gruppen wie „al-Qaida im islamischen Maghreb“ (AQIM) und „Bewegung für Einheit und den Dschihad in Westafrika“ (Mujao) an. Dieselben Organisationen sind in Libyen von den USA, Frankreich, Großbritannien und deren Verbündeten Katar und Saudi-Arabien für den Kampf gegen Muammar al-Gaddafi finanziert und bewaffnet worden.

In Syrien sind Organisationen wie al-Nusra, die al-Qaida nahe stehen oder mit ihr zusammenarbeiten, Bestandteil der „Nationalen Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte“ (NCSROF), die von den Nato-Mächten und Golfstaaten als „legitime Vertretung des syrischen Volkes“ anerkannt und für den Sturz des Assad-Regime bewaffnet und finanziert wird.

Der Krieg in Mali ist ein schmutziger Kolonialkrieg. Es geht nicht um einen „Kampf gegen den Terrorismus“, sondern um die militärische Kontrolle über die Sahelzone zwecks langfristiger Plünderung der dort größtenteils noch unerschlossenen Bodenschätze.

Die Regime der nationalen Bourgeoisie, die dort herrschen, sind korrupt und verhasst. Sie konnten sich schon bisher nur mit Hilfe französischer Militärinterventionen gegen Aufstände halten. Frankreich unterhält zu diesem Zweck in seinen ehemaligen Kolonien Stützpunkte mit Marineeinheiten, Panzern und Kampfjets. Im Gegenzug erhalten französische, aber auch andere ausländische Bergbauunternehmen und Investoren von ihnen billiges Land, Explorationsrechte und Abbaukonzessionen.

Auch für den Überfall auf Mali nutzte Frankreich seine Militärbasen in den umliegenden Ländern. Unterstützt wird es beim Krieg um die Sahelzone von anderen imperialistischen Mächten. Wie beim Libyen-Krieg hat Großbritannien sofort seine Unterstützung erklärt. Außer Geld und Waffen hat Premierminister Cameron letzte Woche auch die Entsendung von mehreren hundert Soldaten zugesagt.

Die USA haben die Errichtung eines festen Militärstützpunktes im Niger bekannt gegeben. Außer einer 300-Mann-Eliteeinheit werden dort Drohnen für Überwachungs- und Kampfeinsätze über der Sahelzone stationiert. Auch in Burkina Faso im Süden Malis ist eine US-Drohnenbasis geplant.

Mali und seine Nachbarländer haben sich so innerhalb weniger Wochen in ein wahres Aufmarschgebiet imperialistischer Mächte und ihrer einheimischen afrikanischen Verbündeten verwandelt. Zu den inzwischen rund 4.000 im Einsatz befindlichen französischen Soldaten transportieren die deutschen Transall-Maschinen rund 7.000 Soldaten der ECOWAS. Hinzu kommen Hunderte amerikanische, britische und deutsche Militärs.

Vor zwei Jahren hatten Frankreich, Großbritannien und die USA mit ihrer Aggression gegen Libyen eine neue Runde von Kriegen eröffnet, um den afrikanischen Kontinent wieder direkter kolonialer Herrschaft zu unterwerfen. Damals hatte sich die Berliner Regierung noch gegen eine offene Beteiligung Deutschlands entschieden. Das geschah nicht aus Friedensliebe, sondern mit Rücksicht auf China und Russland, die in Libyen stark mit Investitionen und Handelsverträgen engagiert waren und für die deutsche Wirtschaft bedeutende Handelspartner sind.

Außerdem war die Bundeswehr für einen solch umfassenden und lang dauernden Einsatz schlecht vorbereitet. Mit den Truppen in Afghanistan, am Horn von Afrika und anderen Kriegsgebieten waren ihre Kapazitäten für Auslandeseinsätze weitgehend erschöpft.

Die von der rot-grünen Koalition vor zehn Jahren beschlossene Neuorganisation und Aufrüstung der Bundeswehr zu einer schlagkräftigen Kampfarmee für internationale Einsätze steckte in einer Krise. Der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) war mehr durch publizitätsträchtige Auftritte in den Medien hervorgetreten, als durch tatsächliche Veränderungen in der Struktur der Bundeswehr.

Guttenberg wurde schließlich mit Hilfe einer Plagiatsaffäre zum Rücktritt gezwungen und am 3. März 2011, nur zwei Wochen vor Beginn der Bombardierung Libyens durch die USA, Großbritannien und Frankreich, von Thomas de Maizière (CDU) abgelöst.

De Maizière gilt als stiller, aber effektiver Organisator. Er war zudem von Kindesbeinen an mit der Bundeswehr vertraut. Sein Vater Ulrich de Maizière, Generalstabsoffizier in Hitlers Wehrmacht, hatte in den 1950er und 1960er Jahren als Heeresinspekteur und schließlich als Generalinspekteur die moderne Bundeswehr wesentlich mit aufgebaut.

Thomas de Maizière trieb die „Neuorientierung der Bundeswehr“ mit professioneller Effizienz voran. Im Laufe des Jahres 2012 wurde sie auf der Ebene des Ministeriums und der obersten militärischen Kommandos implementiert. Im Januar dieses Jahres begannen dann auf der dritten, der operativen Ebene eine Vielzahl sogenannter „Fähigkeitskommandos“ zu arbeiten.

So wurde am 15. Januar, rechtzeitig für den ersten Einsatz in Mali, das neue, technologisch hochmodern ausgerüstete Zentrale Logistikkommando der Bundeswehr in Erfurt eröffnet. Unter seinem Befehl organisieren 15.000 Bundeswehrangehörige die Logistik aller weltweiten Einsätze, d.h. ihre Versorgung mit Einsatztruppen, Waffen, Transportmitteln, Kleidung und Verpflegung.

Damit ist Deutschland zwei Jahre nach dem Libyen-Krieg beim Kolonialkrieg in Mali als „ebenbürtiger Partner“ der anderen Großmächte von Anfang an mit dabei.

In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung zur Eröffnung der Münchner Sicherheitskonferenz betonte de Maizière die Bedeutung dieser Veränderung. Mit mehr als 6.000 Soldaten im Auslandseinsatz leiste Deutschland auch im europäischen Vergleich einen erheblichen Beitrag, sagte er. Frankreich habe dagegen nur 2.700 Soldaten in multilateralen Einsätzen und Großbritannien 11.000. „Unser Engagement hat 1992 in Kambodscha mit Sanitätseinsätzen begonnen, aber mittlerweile ist klar, dass die Bundeswehr auch kämpfen kann.“

Im selben Interview stellte de Maizière klar, dass die Bundeswehr nicht daran denkt, sich 2014 aus Afghanistan zurückzuziehen, und noch mindestens weitere zehn bis fünfzehn Jahre dort bleiben wird. Ende 2014 werde der Einsatz nur in der bisherigen Form vorbei sein, sagte er. „Wir werden dann in anderer Weise in Afghanistan präsent sein, damit die bisherigen Bemühungen nicht vergeblich waren. Das ist, wenn Sie so wollen, gelebte Nachhaltigkeit.“

Auf die Frage, ob eine solche Politik innenpolitisch auch durchgesetzt werden könne, entgegnete er: „Ja natürlich. Aber wir werden vor allem die Art der Begründung ändern müssen. … Internationale Einsätze müssen realistisch erklärt sein und die Begründungen dürfen nicht zu pathetisch vorgetragen werden.“

Im Klartext: Hatte die Bundesregierung in den 1990er Jahren und zu Beginn des Afghanistaneinsatzes noch behauptet, es gehe um die „Verteidigung von Menschenrechten“ und den „Bau von Brunnen, Schulen und Krankenhäusern“, wird sie künftig Kriege mit deutschen Interessen begründen und offen erklären, dass sie hohe Opfer und Kosten verlangen.

Vorläufig werden Kriegseinsätze wie in Mali noch im Rahmen bestehender Bündnisse wie der NATO, der UNO oder der EU durchgeführt und „legitimiert“. Doch schon heute verfolgt der deutsche Imperialismus dabei auch seine eigenen Interessen.

Die Bundeskanzlerin machte dies deutlich, als sie fünf Tage nach Beginn der französischen Aggression in Mali Alassane Ouattara, den Präsidenten des Nachbarstaates Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste), empfing und mit ihm eine erhebliche Ausweitung der Investitionen deutscher Energie- und Agrarkonzerne in diesem Land vereinbarte.

Auf der anschließenden Pressekonferenz sagte sie wörtlich: „Oft wird in Deutschland gedacht: Das ist eigentlich ein französischer Einflussbereich, deshalb brauchen wir uns dort gar nicht zu engagieren. Der Präsident wird seinen Besuch benutzen, um auch in Deutschland klarzumachen, dass dies keinesfalls ausschließlich so ist, sondern dass auch andere Länder einen guten Zugang zur Côte d’Ivoire haben.“

110 Jahre nach dem barbarischen Völkermord des deutschen Kaiserreichs an den Hereros und Namas in Deutsch-Südwestafrika und siebzig Jahre nach Rommels mörderischem Afrikafeldzug im Zweiten Weltkrieg tritt Deutschland wieder offen als Kolonialmacht auf, um sich am „Wettlauf um Afrika“ zu beteiligen.

Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid vom 17. Januar lehnen 60 Prozent der Bevölkerung in Deutschland diese Politik entschieden ab. Doch umso vehementer wird sie von allen Bundestagsparteien unterstützt.

SPD und Grüne greifen dabei die regierende Koalition von rechts an: Deutschland müsse sich umfassender und tatkräftiger am Krieg in Mali beteiligen! Die Linkspartei trägt die offizielle Kriegspropaganda mit, laut der es um die „Eindämmung des Terrorismus“ und die Beilegung „innerer Konflikte in Mali“ geht. Sie kritisiert lediglich die Wahl der Mittel und bezeichnet den „Einsatz von Gewalt“ bei der Einmischung in dem afrikanischen Land für falsch.

Auch der DGB übt den Schulterschluss mit der Bundeswehr. Inmitten des Mali-Kriegs stattete de Maizière dem DGB auf dessen Einladung einen Besuch ab. Es war der erste derartige Besuch seit 30 Jahren. Der DGB-Vorsitzender Michael Sommer betonte anschließend die gute Atmosphäre des Zusammentreffens. Der Gewerkschaftsdachverband und die Bundeswehr hätten eine weitere Zusammenarbeit und die Ausarbeitung einer gemeinsamen Erklärung vereinbart.

De Maizière erwähnte die früheren Friedensdemonstrationen des DGB und behauptete unwidersprochen, auch die Bundeswehr sei eine „Friedensorganisation“.

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