Perspektive

80 Jahre seit Hitlers Machtergreifung

Vor achtzig Jahren, am 30. Januar 1933, ernannte Reichspräsident Paul von Hindenburg den Führer der Nationalsozialisten, Adolf Hitler, zum deutschen Reichskanzler. In den folgenden zwölf Jahren beging Hitlers Regime Verbrechen, wie sie die Menschheit noch nie erlebt hatte. Es zerschlug die organisierte Arbeiterbewegung, unterwarf das Land einer totalitären Diktatur, zerstörte Europa in einem unprovozierten Angriffskrieg und ermordete Millionen Juden, Sinti, Roma und Angehörige anderer Minderheiten.

Der 30. Januar 1933 war eine historische Zäsur. Bisher galten Barbarei und Antisemitismus als Kennzeichen wirtschaftlicher und kultureller Rückständigkeit. Nun übertrugen die Eliten eines Landes, das wirtschaftlich hoch entwickelt war und als Kulturnation galt, die Macht einem barbarischen Antisemiten, dessen Partei sich auf den Bodensatz der Gesellschaft stützte.

Der Grund dafür waren die unlösbaren Widersprüche des deutschen und internationalen Kapitalismus. Die Folgen des Ersten Weltkriegs und der 1929 einsetzenden Weltwirtschaftskrise hatten große Teile der Arbeiterklasse und der Mittelschichten ruiniert. Die deutsche Gesellschaft war tief gespalten, die Demokratie existierte nur noch dem Namen nach. Die Weimarer Republik schleppte sich mithilfe von Notverordnungen und Präsidialkabinetten dahin und steuerte auf eine gesellschaftliche Explosion zu.

Unter diesen Umständen beschloss Hindenburg, Hitler mit der Regierungsmacht zu betrauen. Die Nazis wurden gebraucht, um die Arbeiterbewegung zu zerschlagen. Sie verfügten über Massenanhang unter verzweifelten Schichten des Kleinbürgertums und des Lumpenproletariats, die sie gegen die organisierte Arbeiterbewegung mobilisieren konnten. Die Zerschlagung der Arbeiterbewegung wiederum war die Voraussetzung für die Vorbereitung eines Eroberungskriegs, nach dem die deutsche Wirtschaft dringend verlangte.

Hindenburgs Entscheidung wurde von den Spitzen der Reichswehr, der Wirtschaft und der bürgerlichen Parteien getragen. Hitler musste die Macht nicht erobern, sie wurde ihm von den gesellschaftlichen Eliten übergeben. Die Behauptung, die Mehrheit des deutschen Volkes habe Hitler unterstützt, ist dagegen falsch.

Noch in der letzten Wahl vor der Machtübergabe, im November 1932, hatten die beiden großen Arbeiterparteien SPD und KPD eine halbe Million mehr Stimmen erhalten als Hitlers NSDAP. Die Arbeiter hassten die Nazis. Sie stimmten nicht nur gegen Hitler, sondern wollten auch gegen ihn kämpfen. Doch ihre Führer erwiesen sich als unfähig, einen solchen Kampf zu führen.

Die SPD, die 1918/19 die proletarische Revolution niedergeschlagen hatte, dachte nicht daran, die Arbeiter zu mobilisieren. Sie verschanzte sich hinter dem Staat, dem sie die Aufgabe übertrug, die Nazis zu zähmen. Sie vertröstete ihre Mitglieder auf die Polizei, auf die Reichswehr und auf Hindenburg, den sie in der Reichtagswahl 1932 unterstützte – und der Hitler neun Monate später zum Kanzler ernannte.

Die sozialdemokratisch beherrschten Gewerkschaften gingen noch weiter. Der ADGB beteuerte Hitler seine Loyalität und demonstrierte am 1. Mai 1933 unter Hakenkreuzfahnen. Es nutzte ihm nichts. Am 2. Mai stürmten die Nazis die Gewerkschaftshäuser.

Der Schlüssel, Hitler zu stoppen, lag in den Händen der Kommunistischen Partei, die 1919 als Antwort auf die Rechtsentwicklung der SPD gegründet worden war. Doch die KPD verfolgte unter dem Einfluss Stalins eine zutiefst irrige Politik. Sie weigerte sich, einen Unterschied zwischen Nationalsozialisten und Sozialdemokraten zu machen und bezeichnete letztere als Sozialfaschisten. Sie lehnte es strikt ab, ein Verteidigungsbündnis mit der SPD gegen die Nazis zu schließen.

Leo Trotzki und seine Anhänger kämpften unermüdlich für eine solche Einheitsfront, und wurden deshalb von den Stalinisten erbittert verfolgt. Der Kurs der Stalinisten nahm ultralinke Formen an, tatsächlich verdeckte er aber die Weigerung der KPD, unter sozialdemokratischen Arbeitern um Einfluss zu kämpfen und Hitler ernsthaft entgegenzutreten.

„Keinerlei Politik der Kommunistischen Partei hätte die Sozialdemokratie in eine Partei der Revolution verwandeln können“, schrieb Trotzki im Mai 1933. „Aber das war auch gar nicht beabsichtigt. Nötig war es, bis ans Ende den Gegensatz zwischen Reformismus und Faschismus zur Schwächung des Faschismus auszunutzen und gleichzeitig vor den Arbeitern die Untauglichkeit der sozialdemokratischen Führung aufzudecken, um den Reformismus zu schwächen. Beide Aufgaben verschmolzen naturgemäß in eins. Die Politik der Kominternbürokratie aber führte zum umgekehrten Resultat: Die Kapitulation der Reformisten kam den Faschisten und nicht der Komintern zugute, die sozialdemokratischen Arbeiter hielten sich an ihre Führer, die kommunistischen Arbeiter verloren ihren Glauben an sich und an ihre Führung.“

Trotzki zog aus der katastrophalen Niederlage der deutschen Arbeiterklasse weitreichende Schlussfolgerungen. Bisher hatte die von ihm geführte Linke Opposition für eine politische Neuorientierung der Kommunistischen Parteien gekämpft. Doch als sich die Kommunistische Internationale weigerte, Lehren aus der deutschen Katastrophe zu ziehen und ihren Mitgliedern verbot, über die verheerende Politik der KPD zu diskutieren, war dies nicht länger möglich.

„Eine Organisation, die der Donner des Faschismus nicht geweckt hat“, erklärte Trotzki, „zeigt dadurch dass sie tot ist und nichts sie wieder beleben wird. Das offen und mit klarer Stimme zu sagen, ist eine wahrhafte Pflicht gegenüber dem Proletariat und seiner Zukunft.“ Die Aufgabe war nicht länger, die Komintern zu reformieren, sondern neue kommunistische Parteien und eine neue Internationale aufzubauen.

Trotzki traf damit auf den heftigen Widerstand zentristischer Gruppen, die trotz Kritik am Stalinismus die Gründung einer neuen Internationale für verfrüht erklärten und behaupteten, dies sei erst bei einem neuen Aufschwung der revolutionären Bewegung möglich. Trotzki wies solche Argumente entschieden zurück. „Marxisten sind keine Fatalisten“, erklärte er. „Sie bürden dem ‚historischen Prozess‘ nicht die Aufgaben auf, die der historische Prozess ihnen gestellt hat. … Ohne eine geschlossene und gestählte revolutionäre Partei ist eine sozialistische Revolution undenkbar.“

Diese Worte sind heute von brennender Aktualität. Die internationale Krise des Kapitalismus, die sich seit der Finanzkrise 2008 dramatisch verschärft hat, setzt wieder heftige Klassenkämpfe auf die Tagesordnung. In Ägypten, Griechenland, Portugal oder Spanien rebellieren Arbeiter fast täglich gegen das brutale Spardiktat und die politischen Angriffe ihrer Regierungen. Diese greifen zu autoritären Herrschaftsmethoden und ermutigen faschistische Organisationen – wie die Goldene Morgendämmerung in Griechenland, die Nationale Front in Frankreich und Jobbik in Ungarn – um die Arbeiter zu unterdrücken.

Eine Vielzahl von pseudolinken und gewerkschaftlichen Organisationen tun alles, um die Kämpfe der Arbeiter in eine Sackgasse zu führen und die bürgerliche Herrschaft zu verteidigen. Die dringendste Aufgabe ist jetzt der Aufbau einer neuen revolutionären Führung, die die Arbeiter international vereint und für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft mobilisiert – des Internationalen Komitees der Vierten Internationale und seiner Sektionen, der Parteien für Soziale Gleichheit.

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