Am letzten Freitag kündigte der ThyssenKrupp-Vorstand den Abbau von 2.000 der zurzeit noch 27.600 Stellen im Stahlbereich des Unternehmens in Europa an. Weitere 1.800 Arbeitsplätze sollen durch den Verkauf von Unternehmensteilen wie Electrical Steel wegfallen. Damit ist jeder siebte Arbeitsplatz bei ThyssenKrupp Steel in Europa gefährdet.
Die Stellenstreichungen sollen bis spätestens 2014 erfolgen und 500 Millionen Euro an Kosten einsparen. Sie sind Bestandteil des von Konzernchef Heinrich Hiesinger Ende letzten Jahres angekündigten Sparprogramms in Höhe von 2 Milliarden Euro. (Siehe: Milliardensparprogramm bei ThyssenKrupp)
Von dem Arbeitsplatzabbau betroffen sind die Stahlwerke in Duisburg, dem größten Stahlstandort von ThyssenKrupp mit derzeit noch etwa 12.000 Arbeitsplätzen. Allein hier sollen 1.000 Arbeitsplätze gestrichen werden. Geplant ist unter anderem, eine Bandbeschichtungsanlage zu schließen, sowie 450 Arbeitsplätze in der Verwaltung von ThyssenKrupp Steel einzusparen.
In Dortmund soll eine elektrolytische Beschichtungsanlage geschlossen werden. Ein Werk in Neuwied bei Koblenz mit 375 Arbeitsplätzen und eine Feuerverzinkungsanlage bei ThyssenKrupp Galmed in Spanien sind ebenfalls zur Schließung vorgesehen.
Von dem geplanten Verkauf des Unternehmensbereichs Electrical Steel sind insgesamt 1.800 Arbeiter und Angestellte in Werken in Frankreich, Italien, Indien und in Bochum und Gelsenkirchen betroffen. Allein in Gelsenkirchen sind 600 Arbeitsplätze unmittelbar gefährdet. Findet sich kein Käufer für diese Produktionsbereiche, droht die Schließung. Selbst bei einem Verkauf drohen erfahrungsgemäß Arbeitsplatzabbau und schlechtere Bedingungen für die verbleibenden Arbeitsplätze.
Bereits im letzten Jahr hatte ThyssenKrupp die Edelstahlwerke mit 11.500 Arbeitsplätzen an den finnischen Konkurrenten Outokumpu verkauft, was mit dem Verlust von 2.000 Arbeitsplätzen verbunden war.
Ein Tag vor der Ankündigung des aktuellen Sparprogramms bei ThyssenKrupp Steel wurde bekannt, dass auch das TSTG-Schienenwerk in Duisburg mit etwa 400 Arbeitsplätzen bis zum Ende dieses Jahres endgültig schließen werde. Dieses Werk hatte früher ebenfalls zum Thyssen-Stahlkonzern gehört und war dann an den österreichischen Konkurrenten Voest-Alpine verkauft worden. Der Verkauf war mit der angeblich besseren wirtschaftlichen Perspektive begründet worden.
Die Stahlnachfrage ist in den letzten Monaten aufgrund der internationalen Wirtschaftskrise stark zurückgegangen. In südeuropäischen Ländern, die stark von den von der EU diktierten Sparprogrammen betroffen sind, ist sie regelrecht eingebrochen.
Auch andere Stahlhersteller wie Arcelor Mittal sind von dieser Entwicklung betroffen und reagieren mit der Schließung von Werken und der Entlassung von Arbeitern. Erst vergangene Woche haben betroffene Stahlarbeiter aus Florange (Frankreich), Schifflange (Luxemburg) und Liège (Belgien) vor dem europäischen Parlament in Straßburg gemeinsam für die Verteidigung ihrer Arbeitsplätze demonstriert.
Das jetzt bei ThyssenKrupp gestartete Restrukturierungsprogramm trägt den zynischen Namen „Best in Class – reloaded“ (BIC). Es soll dazu beitragen, dass durch die Vernichtung von Tausenden von Arbeitsplätzen und die stärkere Ausbeutung der verbleibenden Beschäftigten der Unternehmensbereich Stahl einen größeren Beitrag zum Profit des Konzerns beisteuert.
Die von ThyssenKrupp-Konzernchef Heinrich Hiesinger im Dezember letzten Jahres angekündigten Verluste, die beim Bau der Stahlwerke in Brasilien und Nordamerika entstanden sind, werden jetzt als Rechtfertigung benutzt, um Tausende von Arbeitsplätzen zu vernichten. Viele Arbeiter befürchten, dass die Pläne, die jetzt bekannt gegeben worden sind, nur der Anfang von noch größeren Angriffen auf Arbeitsplätze und soziale Errungenschaften sind.
An der Börse löste die Ankündigung der Vernichtung von 3.800 Arbeitsplätzen bei ThyssenKrupp Steel keine Reaktionen aus. Der Wert der ThyssenKrupp-Aktie blieb fast gleich. Ein Arbeitsplatzabbau war von den Aktionären bereits erwartet worden, kommentierte dies der Nachrichtendienst Reuters.
ThyssenKrupp kann sich beim Abbau der Arbeitsplätze auf die uneingeschränkte Unterstützung der Gewerkschaft IG Metall stützen. Hauptkassierer Bertin Eichler, der bei der IG Metall jährliche Mitgliederbeiträge von 460 Millionen und ein geschätztes Vermögen von 2 Milliarden Euro verwaltet, ist stellvertretender Vorsitzender des ThyssenKrupp-Aufsichtsrats. Er war erst kürzlich in die Schlagzeilen geraten, weil er sich von dem Konzern Luxusreisen finanzieren ließ.
Eichler hatte schon vor einem Jahr dem Verkauf der Edelstahlsparte an Outokumpu zugestimmt, obwohl er die Absicht der finnischen Firma kannte, die Werke in Krefeld und Bochum zu schließen. Vier Tage vor der entscheidenden Aufsichtsratssitzung hatte er auf einer Demonstration gegen den Verkauf noch zynisch versprochen, IG Metall und Betriebsrat würden Jobs und Standorte verteidigen, und gerufen: „Kein Standort und kein Beschäftigter in Deutschland darf unter die Räder kommen.“
Auf der Aufsichtsratssitzung versicherte er dann den Kapitaleignern, dass die Gewerkschaft trotz „abweichender Auffassung“ hinter der Verkaufsvereinbarung stehe. Im Sitzungsprotokoll, aus dem die Online-Ausgabe der Rheinischen Post am 15. Januar dieses Jahres zitierte, heißt es dazu: „Herr Bertin Eichler hebt hervor, dass die Transaktion von zwei Stahlwerken ein explosives Thema sei. ... Die Arbeitnehmerseite respektiere die abweichende Auffassung einiger Arbeitnehmer. Sie bedeute nicht, dass die Arbeitnehmerseite nicht hinter den getroffenen Vereinbarungen stehe.“
In Vorbereitung auf die neuen Sparmaßnahmen hat der Stahlkonzern führende Gewerkschaftsfunktionäre in den Vorstand rekrutiert. Thomas Schlenz, der über zehn Jahre lang Konzernbetriebsratsvorsitzender von ThyssenKrupp war, wechselte im letzten Jahr als Arbeitsdirektor zu ThyssenKrupp Steel. Oliver Burkhard, bis vor kurzem IG Metall-Chef von Nordrhein-Westfalen, wechselte als Arbeitsdirektor zu ThyssenKrupp. Die vorrangige Aufgabe der beiden besteht jetzt darin, den vom Vorstand und ihnen selbst beschlossenen Arbeitsplatzabbau möglichst reibungslos über die Bühne zu bringen. Sie werden dafür mit siebenstelligen Jahresgehältern fürstlich belohnt.
Unter diesen Umständen verwundert es nicht, dass IG Metall, Betriebsräte und die rot-grüne Landesregierung den vorgesehenen Arbeitsplatzabbau widerspruchslos akzeptieren. Nach dessen Bekanntwerden erklärten sie unisono, er müsse „sozialverträglich“ von statten gehen. IG Metall und Betriebsrat fügten hinzu, es dürfe keine „betriebsbedingten Kündigungen“ geben. Von einem Erhalt oder gar der Verteidigung der Arbeitsplätze kein Wort!
Auf diese Art und Weise wurden bei ThyssenKrupp, Opel und zahlreichen anderen Betrieben in den vergangenen Jahren Zehntausende von Arbeitsplätzen vernichtet. Um „betriebsbedingte Kündigungen“ zu vermeiden, werden Arbeiter und Angestellte von Vorgesetzten und Betriebsräten individuell unter Druck gesetzt, damit sie Aufhebungsverträge, Versetzungen oder Frühverrentung bei entsprechenden Lohneinbußen und Rentenkürzungen akzeptieren.
Der Betriebsratsvorsitzende von ThyssenKrupp Steel, Günter Back, akzeptierte den Arbeitsplatzabbau widerspruchslos und zeigte sich sogar erleichtert, dass zunächst kein Hochofen stillgelegt werde. „Hände weg von den Hochöfen – das war uns wichtig und das ist uns gelungen“, erklärte er gegenüber der Ruhrgebietszeitung WAZ.
Auch dass an der Kapazität von zwölf Millionen Stahl trotz Arbeitsplatzabbau keine Abstriche gemacht werden, freut Betriebsräte und IG Metall, auch wenn dies eine stärkere Arbeitsbelastung für die verbleibenden Beschäftigten bedeutet.
Während die Verteidigung der Arbeitsplätze für diese hoch bezahlten Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre kein Thema ist, arbeiten sie bei der Durchsetzung des angekündigten Sparprogramms und der damit verbundenen Angriffe gegen die Arbeiter aufs engste als Co-Manager mit dem Konzernvorstand zusammen.
Darüber hinaus tun IG Metall und Betriebsräte alles in ihrer Macht Stehende, um die Arbeiter an verschiedenen Standorten und in verschiedenen Ländern voneinander zu spalten und gegeneinander auszuspielen. So fordert die IG Metall außer ihrem Mantra, dass es keine „betriebsbedingten Kündigungen“ geben dürfe, „Investitionen in eine nachhaltige Stahlstrategie am Standort Deutschland“.