Teilverkauf von Karstadt bedroht Arbeitsplätze und Löhne

Der einst von Betriebsräten und Verdi-Gewerkschaftern als edler Retter aus der Not gepriesene Finanzinvestor Nicolas Berggruen verkauft die wertvollsten Teile des Karstadtkonzerns an den dubiosen österreichischen Immobilieninvestor René Benko. Veräußert werden die Mehrheitsanteile (75,1 Prozent) an den drei Edelkaufhäusern Alsterhaus (Hamburg), KaDeWe (Berlin) und Oberpollinger (München) sowie an den 28 Sporthäusern von Karstadt.

Dieser Deal bedeutet alles andere als die Sicherung der Arbeitsplätze in den verbliebenen 83 Karstadthäusern. Vielmehr sieht die Zerschlagung des 130 Jahre alten Kaufhausunternehmens danach aus, als solle der Tod auf Raten eingeleitet werden. Während die Gewerkschaft von einem „ersten Schritt“ zur Rettung spricht, sehen Experten darin bestenfalls eine „letzte Chance“, wobei sie weitere Opfer der Belegschaft voraussetzen.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schätzt den Verkauf folgendermaßen ein: „Der Vorgang wirkt wie ein Notverkauf, als ob die Branchengerüchte stimmten, dass Karstadt ohne weitere Geldspritze im kommenden Frühjahr keine Liquidität mehr gehabt hätte.“

Berggruen hält sich mit Stellungnahmen über seine weiteren Pläne sehr zurück. Die Vermutung liegt mehr als nahe, dass seine vollmundigen Versprechen bei der Übernahme, er werde das Unternehmen und die „Kultmarke Karstadt“ als Ganze erhalten, ein Täuschungsmanöver waren und er in Wirklichkeit in der üblichen Manier einer Finanzinvestor-Heuschrecke beabsichtigte, den Konzern zu zerschlagen und auszuweiden.

Berggruen hatte den insolventen Konzern 2010 für einen symbolischen Euro gekauft. Er sicherte den Beschäftigten eine gute Zukunft zu. Zuvor war der Konzern vom Insolvenzverwalter unter kräftiger Mitwirkung von Verdi heftig saniert worden. Etliche Kaufhäuser waren geschlossen, Mitarbeiter entlassen und umfangreiche Lohn- und Gehaltskürzungen vereinbart worden.

Es war der dritte Sanierungspakt seit 2004. Alle drei wurden auf dem Rücken der Belegschaft ausgehandelt und trugen die Unterschriften von Verdi und dem Betriebsrat. Die Belegschaft von Karstadt muss seit fast zehn Jahren um ihre Arbeitsplätze bangen und wurde durch Gewerkschaft, Unternehmensleitung und Insolvenzverwalter immer wieder zu neuen Zugeständnissen erpresst.

Karstadt war Teil des 2004 in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Arcandor-Konzerns, zu dem auch die Versandhäuser Quelle und Neckermann gehörten. Die Sanierung auf Kosten der Belegschaft trug schon damals die Unterschrift der Gewerkschaft, konnte den Konzern aber nicht retten. Neckermann und Quelle gingen 2007 bzw. 2009 Pleite, während Berggruen Karstadt übernahm. Der von Verdi ausgehandelte Sanierungsplan sah vor, dass die Belegschaft bis 2012 auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe von 150 Millionen Euro verzichtet.

Der deutsch-amerikanische Finanzinvestor Berggruen, dessen Vermögen vom Forbes Magazine inzwischen auf zwei Milliarden US-Dollar geschätzt wird, wurde von der Gewerkschaft als „Retter“ bejubelt. Tatsächlich hat er keines der Versprechen eingelöst, die er bei der Übernahme von Karstadt machte.

Berggruens Philosophie lautete, dass die Kaufhäuser sich selbst retten, d.h. die zur Rettung nötigen 400 Millionen Euro zu Lasten der Belegschaft erwirtschaften. In den letzten Jahren wurden ganze Abteilungen geschlossen und erneut Tausende der ursprünglich 25.000 Arbeitsplätze vernichtet. Die Karstadt-Beschäftigten mussten Jahr für Jahr immer weitere Opfer für die Sanierung bringen. Urlaubs- und Weihnachtsgeld wurden gestrichen. 2.000 Vollarbeitsplätze fallen nach dem Sanierungsplan „Karstadt 2015“ weg. Da viele Beschäftigte nur eine Teilzeitstelle haben, verlieren damit etwa 4.000 ihren Arbeitsplatz. Außerdem ist der Konzern aus der Tarifbindung ausgestiegen, um die tariflichen Gehaltserhöhungen im Einzelhandel zwei Jahre lang auszusetzen.

Auch der Fiskus musste auf dreistellige Millionensummen verzichten, während Berggruen Millionen einstrich. Außer der Kaufsumme von einem Euro, die die sonst fällige Schenkungssteuer ersparte, hat er keinen Cent seines Vermögens in den Kaufhauskonzern investiert. Einen Kredit über 65 Millionen Euro, der Bedingung für die Übernahme war und für den er sehr hohe Zinsen verlangte, ließ er sich nach kurzer Zeit wieder zurückzahlen.

Für eine einmalige Zahlung von 5 Millionen erwarb Berggruen zudem die Namensrechte von Karstadt, die ihm nach Angaben des manager magazins jährlich 7,5 Millionen Euro Lizenzgebühren einbringen. Laut Bild am Sonntag landet dieses Geld über mehrere Zwischenfirmen im Nicolas Berggruen Charitable Trust in der britischen Steueroase Virgin Islands. Die Zeitung berief sich auf ihr vorliegende Dokumente der US-Börsenaufsicht SEC.

In einem Brief an die verbliebenen 20.0000 Mitarbeiter verspricht Berggruen jetzt, die 300 Millionen aus dem Verkauf der Edelkaufhäuser und der Sportkette – eine von Experten als lächerlich gering angesehene Summe – nicht für sich zu behalten, sondern vollständig zu investieren. „Es fließt kein Kaufpreis an meine Holding oder gar an mich persönlich“, erklärt er scheinheilig. Niemand müsse sich Sorgen machen, beteuert er wie schon 2010. „Im Gegenteil. Lassen Sie uns gemeinsam weiter kämpfen“, schreibt er geradezu zynisch. Die 300 Millionen seien „sein Beitrag“ zur Gesundung des Unternehmens.

Aber nicht nur um ihre Arbeitsplätze, sondern auch um ihre Löhne müssen die Karstadt-Beschäftigten weiter zittern. Denn ominös erklärte Berggruen, man müsse zur Sanierung auch den „Tarifweg“ weiter beschreiten, d.h. den Ausstieg aus der Tarifbindung fortführen.

Er glaube nach wie vor an das Konzept von Karstadt und den Sanierungsplan „Karstadt 2015“, schreibt er in dem Brief. „Besonders wichtig“ sei ihm in diesem Zusammenhang auch, dass die genannten Veränderungen keinen Abbau von Arbeitsplätzen nach sich ziehen. Dabei verschweigt er, dass der Sanierungsplan 2015 gerade dies vorsieht. Diesen hatte der Vorstandschef Andrew Jennings ausgehandelt, kurz bevor er seinen Rückzug aus dem Unternehmen bekannt gab, offenbar, weil Berggruen kein Geld für die Sanierung locker machen wollte.

Die Beschäftigten haben berechtigte Zweifel an den schönen Worten, mit denen sie schon mehrmals getäuscht wurden. Erstens ist unklar, wo und wie die 300 Millionen investiert werden sollen. Handelsexperten vermuten, dass nur die profitabelsten Häuser in Städten mit hoher Kaufkraft etwas abbekommen und die anderen abgewickelt werden.

Und zweitens will der neue Mehrheitseigentümer der Premium- und Sporthäuser genau wie Berggruen vor allem Gewinne einstreichen. Benkos Signa-Holding gehören nämlich schon heute zahlreiche Karstadtimmobilien „in besten Innenstadtlagen“. Vermutlich wird Benko darauf bestehen, dass vor allem diese etwas von dem Geldsegen erhalten und damit den Wert seiner Immobilien steigern.

Auch in den Premiumhäusern geht die Angst um, denn es wird befürchtet, dass zahlreiche Arbeitsplätze dem Konzept „shop im shop“ geopfert werden: Stammarbeitsplätze fallen weg, weil immer mehr Teilflächen der Kaufhäuser an Edelmarken vermietet werden.

In den Medien wird spekuliert, dass das ganze Manöver rapide auf den Untergang der Marke Karstadt zusteuert und die Konkurrenz, die Kaufhof AG, nur darauf wartet, das operative Geschäft zu übernehmen. In diesem Fall dürften von den 83 Kaufhäusern höchstens ein Dutzend übrig bleiben und die große Mehrheit der Beschäftigten auf der Straße landen.

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