ThyssenKrupp: IG Metall spielt Schlüsselrolle bei Lohnsenkung und Stellenabbau

Der ThyssenKrupp-Konzern plant in der Verwaltung und im Dienstleistungsbereich die Löhne zu senken und bis zu 3.300 Arbeitsplätze abzubauen, die Hälfte davon in Deutschland.

Diese Pläne sind Bestandteil und teilweise Ergänzungen des Milliarden-Sparprogramms, das der ThyssenKrupp-Vorstand Ende 2012 angekündigt hatte und dem weltweit über 6.000 Arbeitsplätze zum Opfer fallen, über 3.000 Arbeitsplätze in der Verwaltung und rund 2.000 Arbeitsplätze im europäischen Stahlbereich des Unternehmens. Die verbleibenden Arbeiter und Angestellten sind von massiven Umstrukturierungen, steigender Arbeitshetze und Lohnsenkungen betroffen.

In Dienstleistungsbereichen wie der Informations- und Datenverarbeitung, dem Rechnungswesen, dem Personalwesen und der Immobilienverwaltung sollen weltweit 1.500 Arbeitsplätze gestrichen werden. Aus Deutschland sollen 840 Arbeitsplätze nach Polen verlagert werden, wo die Löhne erheblich niedriger sind.

Darüber hinaus sollen knapp 400 von 840 Arbeitsplätzen der Firmenzentrale in Essen nach Berlin verlegt und dort nach dem niedrigeren Ost-Tarif für das Kraftfahrzeuggewerbe bezahlt werden. Laut Konzern-Betriebsratschef Wilhelm Segerath hat das Lohneinbußen von bis zu 45 Prozent zur Folge. Die verbleibenden Angestellten in Essen sollen nach den Plänen des Unternehmens Lohneinbußen von etwa 20 Prozent hinnehmen.

Der Betriebsrat von ThyssenKrupp hat die Gespräche mit der Konzernleitung über den Personalabbau unterbrochen. Segerath verweist auf die IG Metall, die nun offiziell mit in die Verhandlungen eintreten soll. Doch die IG Metall saß schon die ganze Zeit am Verhandlungstisch – und zwar in Person des Personalvorstands. Der Arbeitsdirektor, wie der Personalvorstand in der Montanindustrie genannt wird, ist niemand anderes als der ehemalige IGM-Bezirkssekretär Oliver Burkhard.

Als ThyssenKrupp Ende 2012 sein Milliarden-Sparprogramm ankündigte, setzte die IG Metall Burkhard auf den freiwerdenden Platz des Arbeitsdirektors, um die geplanten Angriffe gegen die Beschäftigten durchzusetzen. ThyssenKrupp zahlt Burkhard für seine Dienste rund 170.000 Euro im Monat. Nun sitzt er mit seinen ehemaligen IGM-Mitarbeitern und dem Betriebsrat unter Segerath zusammen, um die Kürzungspläne für die ThyssenKrupp-Belegschaften auszuarbeiten.

Diese Verschwörung ist nicht auf den ThyssenKrupp-Gesamtkonzern beschränkt. Bereits im September vergangenen Jahres handelte Segerath mit dem Personalvorstand von ThyssenKrupp Steel Europe (TKS) einen drastischen Kürzungsplan aus, der von der Tarifkommission der IG Metall abgesegnet wurde. Sein Gegenüber in den Verhandlungen dort: Sein Vorgänger als Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats Thomas Schlenz. Dieser hatte im letzten Jahr den Posten des Arbeitsdirektors von TKS übernommen. Schlenz erhält vom Konzern mehr als eine Million Euro im Jahr.

Auch Segerath wird mit einem ähnlichen Posten „belohnt“ werden. Dass er auf der Seite der Kapitaleigner steht, hat er bereits bewiesen. Schlenz und Segerath haben ab Oktober 2014 für die Dauer von vier Jahren eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit von 34 auf 31 Stunden vereinbart. Diese Arbeitszeitverkürzung kommt einer 10-prozentigen Lohnkürzung für die Stahlarbeiter gleich.

Ein weiterer Punkt der Vereinbarung trifft die jungen Auszubildenden. Das Angebot an Ausbildungsplätzen soll zwar erhalten bleiben, aber: „Eine Übernahme der ausgelernten Kräfte im Anschluss an die Ausbildung ist vor dem Hintergrund des fehlenden Bedarfs und akuter Beschäftigungsprobleme in den nächsten Jahren nicht möglich.“ Diese Regelung gilt für alle Auszubildende mit Prüfungsterminen vom Sommer 2013 bis Sommer 2018. Die jungen, gutausgebildeten Fachkräfte werden für ein Jahr in eine Transfergesellschaft der PEAG abgeschoben. Das Zeitarbeitsunternehmen pflegt enge Verbindungen zur IG Metall.

Wenn nun am heutigen Dienstag die IG Metall zu einer Protestkundgebung vor der ThyssenKrupp-Hauptverwaltung in Essen mit der Forderung „Keine Billig-Tarife! - Für sichere Tarifverträge und sichere Arbeitsplätze!“ aufruft, erinnert das an den berühmten Ausruf „Haltet den Dieb!“.

Es gibt in Deutschland kaum einen Konzern, in dem Gewerkschaft, Betriebsrat und Management so eng miteinander verflochten sind wie bei ThyssenKrupp. Die deutsche „Sozialpartnerschaft“ in der Montanindustrie hat sowohl im Aufsichtsrat als auch über den Personalvorstand im Management zu einer regelrechten Symbiose von IG Metall und Konzernvorstand geführt. Es herrscht eine eingespielte Arbeitsteilung. Der Vorstandsvorsitzende Heinrich Hiesinger und Finanzvorstand Kerkhoff geben die Planzahlen aus, Burkhard, die IG Metall und der Betriebsrat setzen sie in Arbeitsplatzabbau und Lohnsenkungen um.

Alle Abbaumaßnahmen, Sparprogramme und Lohnsenkungen über Ergänzungs- oder Haustarifverträge entstammen der Feder der IG Metall. Es gibt nicht einen einzigen Sozialangriff, der nicht die Unterschrift der IG Metall und des Betriebsrats trägt. Zahnlose Protestaktionen wie die heutige sind nicht mehr als die Begleitmusik für die Durchsetzung immer weiterer Kürzungen.

Kerkhoff weiß das genau. Er betonte angesichts der angekündigten Protestaktion der IG Metall, es bleibe dabei, dass dieses und nächstes Jahr die Kosten um jeweils 850 Millionen Euro sinken müssten. „Das wird nun systematisch abgearbeitet“, sagte er.

Bereits bei der Vorstellung der Geschäftszahlen auf der Bilanz-Pressekonferenz Ende November letzten Jahres betonte Kerkhoff, dass die „Effizienzsteigerungsziele“ des Konzernvorstands im Rahmen der laufenden, immer wieder ergänzten Sparprogramme mit Einsparungen von 600 Millionen Euro um 20 Prozent übertroffen worden seien.

Auch für das erste Quartal des neuen Geschäftsjahrs seien alle Finanzziele „erreicht oder übertroffen“ worden. Der Gewinn im operativen Geschäft ist mit 247 Millionen Euro sogar fast verdoppelt worden.

Die Verteidigung der Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen erfordert einen bewussten Bruch mit der IG Metall und ihrer Verteidigung der kapitalistischen Ausbeutung. Die IGM-Funktionäre reagieren auf die Globalisierung der Produktion und die Verschärfung der internationalen Krise in exakt der selben Art und Weise wie die Konzernleitung. Sie spielen die Beschäftigten auf allen Ebenen gegeneinander aus: im Weltmaßstab nutzen sie die Konkurrenz der Billiglohnländer, innerhalb Deutschlands die unterschiedlichen Löhne und Arbeitsbedingungen in Ost und West und im Konzern organisieren sie das Sozialdumping zwischen den einzelnen Standorten.

Gestützt auf diese Zusammenarbeit mit der IG Metall nutzt ThyssenKrupp die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise, um alle Errungenschaften der letzten hundert Jahre wieder abzuschaffen. Niemand sollte sich Illusionen machen. Der Sozialabbau kennt keine Grenzen. Heute sind es Arbeitsplätze und Löhne, die abgebaut werden, demnächst sind es Errungenschaften, wie die Beteiligung der Konzerne an der Finanzierung der Krankenversicherung, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Renten usw. Für die Aktionäre sind das alles überflüssige Abzüge vom Gewinn und somit von ihrer Dividende.

Nichts kann verteidigt werden, solange die IG Metall und ihre mit Geld überhäuften Abgesandten in den Vorstandsetagen, wie Burkhard und Schlenz, das Heft in der Hand halten.

Gegen die enge Zusammenarbeit von Konzernleitung, Gewerkschaft und Betriebsrat müssen sich Arbeiter unabhängig organisieren. Aktionskomitees müssen aufgebaut werden, die den Arbeitern direkt verantwortlich sind und für ein internationales sozialistisches Programm kämpfen. Wir rufen alle Arbeiter auf, sich mit der Redaktion der WSWS und der Partei für Soziale Gleichheit in Verbindung zu setzen.

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