Auf einer außerordentlichen Betriebsversammlung bei Hoesch Spundwand und Profil (HSP) in Dortmund kam es Anfang des Monats zu heftigen Auseinandersetzungen.
„Wir fühlen uns verraten und verschaukelt“, riefen Arbeiter, als HSP-Geschäftsführer Roger Schlim die Schließung des Dortmunder Traditionswerks bekannt gab. „Dieser Standort ist nicht wirtschaftlich“, erklärte Geschäftsführer Schlim, fügte aber angesichts des lautstarken Protests von Arbeitern hinzu, die Entscheidung über die Schließung sei „noch nicht gefallen“.
HSP habe 2014 ein Jahres-Minus von 97 Millionen Euro verzeichnet, rechnete Schlim vor. Das Wegbrechen von Aufträgen für die öffentliche Infrastruktur in Folge europaweiter Sparmaßnahmen und der Einkauf teuren Rohmaterials seien für die roten Zahlen verantwortlich und könnten von der Muttergesellschaft nicht länger aufgefangen werden, sagte er. Doch seine Ausführungen wurden immer wieder von Zwischenrufen und Protestbekundungen der empörten Arbeiter unterbrochen, heißt es in Medienberichten.
Auf die Fragen von Arbeitern, wie es unmittelbar weitergehen solle, antwortete Schlim, es würden noch 70.000 bis 90.000 Tonnen Rohmaterial warten. „Das wollen wir abwalzen.“ Die versammelten Arbeiter in der voll besetzten ehemaligen Waschkaue des Werks reagierten empört und forderten Kampfmaßnahmen und Streik: „Meiner Meinung nach darf keine Tonne das Werk verlassen, solange der Stilllegungsbeschluss nicht vom Tisch ist“, wird ein Arbeiter in einem Bericht der Lokalpresse zitiert.
Die Dortmunder Hoesch Spundwand und Profil (HSP) blickt auf eine über 100-jährige Geschichte zurück. Seit Ende der 1990er Jahre gehört das Werk zur Salzgitter AG. In den vergangenen Jahren wurden immer wieder Arbeitsplätze abgebaut. Gegenwärtig arbeiten dort noch 363 Arbeiter. Ende März waren es noch etwas mehr als 500. An diesen rund 500 Stellen hängen weitere 1.000 bis 1.500 Arbeitsplätze.
Die Wut der Beschäftigten ist auch deshalb so groß, weil erst im März Vorstand, Betriebsrat und IG Metall einen Deal ausgehandelt hatten, der den Abbau von 163 Stellen vorsah. Der Betrieb wurde von drei auf zwei Schichten zurückgefahren. Betriebsrat und Gewerkschaft verteidigten die Zugeständnisse damals wie heute als Maßnahme zur Sicherung des Standorts. In einer Presseerklärung des Betriebsrats und der IG Metall vom 2. Juni heißt es dazu: „Mit einem zukunftsgerichteten Betriebsrat in Dortmund und dem Konzernbetriebsrat in Salzgitter wurden im März einschneidende Maßnahmen zum Erhalt des Standorts Dortmund akzeptiert und beschlossen.“ In Wirklichkeit nahmen sie damit die Schließung vorweg.
Als die Beschäftigten nach der Betriebsversammlung am selben Tag die Notwendigkeit eines Streiks diskutierten, reagierte der Betriebsrat prompt. Der Vorsitzende Klaus Frerichs sprach sich gegen einen Streik aus und erklärte am nächsten Tag: „Wir wollen dem Konzern zeigen: Wir sind noch da, wir können das, wir geben nicht auf.“ Er hoffe auf einen Investor, der HSP vielleicht übernehmen wolle. Frerichs forderte, die öffentliche Hand müsse Geld für Spundwände für den Ausbau von Hochwasserschutzanlagen bereitstellen.
Seit der Stilllegungsankündigung sind die IG Metall und der Betriebsrat vor allem darauf bedacht, den Weiterbetrieb von HSP zu gewährleisten. HSP-Betriebsrat Klaus Röhr erklärte: „Man hat damit gerechnet, trotzdem sitzt der Schock tief.“ Röhr riet der Belegschaft, „sich einen Funken Hoffnung zu bewahren“. Hans-Jürgen Urban, der als geschäftsführendes Mitglied im Vorstand der IG Metall sitzt und für seinen Posten als stellvertretender Chef des Salzgitter-Aufsichtsrats fette Tantiemen einstreicht, behauptete, man werde keine Schließung akzeptieren – und forderte im gleichen Atemzug die Fortsetzung der Produktion bei HSP bis zum Ende des Jahres.
Der Niedergang des Werks begann bereits vor knapp 20 Jahren. 1996 wurde die HSP-Tochter Bergbaustahl mit 100 Mitarbeitern geschlossen. Daraufhin erfolgte 1997 im Rahmen der Fusion von Thyssen und Krupp-Hoesch die Ausgliederung von HSP aus der Krupp-Hoesch Stahl AG. Damals zählte das Werk 670 Beschäftigte. 1999 machte dann das Gerücht über den geplanten Verkauf von HSP die Runde. Nach einem achttägigen Streik der Belegschaft verkaufte Thyssen-Krupp das Werk schließlich an die Salzgitter Gruppe. Schon damals waren der Betriebsrat und die IG Metall eng in die Planung der Geschäftsleitung – entweder Verkauf oder Schließung des Werks – eingebunden. Immer wieder brachte Salzgitter danach diese beiden Szenarien auf den Tisch, um die Belegschaft zu Zugeständnissen zu bewegen.
In Folge der Wirtschaftskrise und der drastischen Verschärfung der öffentlichen Sparmaßnahmen wurden 2008 flexible Arbeitszeitkonten und 2009 Kurzarbeit im Werk eingeführt. Der Betriebsrat bot der Geschäftsleitung erhebliche Zugeständnisse an und drängte die Belegschaft, diese zu akzeptieren. „Mehr als fünf Tage Kurzarbeit oder zehn Prozent Einbußen bei den Gehältern werden wir nicht mittragen“, erklärte der damalige Betriebsratsvorsitzende Gerd Pfisterer (MLPD).
Im März dieses Jahres stimmte der Betriebsrat dann der Entlassung von 163 Mitarbeitern zu und gab der Geschäftsführung damit grünes Licht für die Abwicklung des Werks.
Die Schließung von HSP folgt einem bekannten Muster. Besonders deutlich sind jedoch die Parallelen zu den Vorgängen bei der Abwicklung des Bochumer Opel-Werks, insbesondere in Bezug auf die Rolle von Betriebsratsrat und IG Metall. Auch in Bochum sprach sich der Betriebsrat gegen einen Kampf der Belegschaft gegen die Schließung aus. Als er sich 2013 mit Sarah Wagenknecht und weiteren führenden Politikern der Linkspartei ein Podium in Bochum teilte, trat der Opel-Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel der Forderung von Arbeitern nach einem unbefristeten Streik barsch entgegen: „Das ist absoluter Blödsinn, vollkommener Unsinn.“
Stattdessen leiteten der Betriebsrat und die IG Metall mit immer weiteren Zugeständnissen, die angeblich das Werk retten sollten, die Schließung des Werks auf Raten ein und versuchten, ähnlich wie bei HSP, mit vagen Versprechungen, die „Hoffnung“ der Belegschaft aufrecht bzw. die Beschäftigten hinzuhalten.
Auch bei Opel hatte es aus den Reihen von Gewerkschaft und Betriebsrat geheißen: „Wir kämpfen bis zum Schluss, arbeiten aber auch bis zum Schluss“.