Nach der Parlamentswahl vom 5. März wird in der Slowakei voraussichtlich noch in dieser Woche eine rechte Regierungskoalition unter Führung des bisherigen Premierminister Robert Fico die Regierungsgeschäfte übernehmen. Die sozialdemokratische Smer-SD von Fico einigte sich mit der rechtsextremen Slowakischen Nationalpartei (SNS), der Partei der ungarischen Minderheit Most-Hid und der neu ins Parlament eingezogenen rechten Partei Siet auf eine Koalition.
Die Vier-Parteien-Koalition verfügt über 81 von 150 Mandaten. Der Austritt einer Partei wäre gleichbedeutend mit dem Verlust der Mehrheit. Sie gilt als extrem instabil, da die kleineren Koalitionspartner von scharfen inneren Differenzen zerrissen sind. Experten halten es für wahrscheinlich, dass sich Ficos Mehrparteienkoalition vor Ende der Legislaturperiode auflöst.
Fico hatte den Wahlkampf in der Slowakei vollständig auf die Flüchtlingsfrage ausgerichtet. Obwohl in dem 5,4 Millionen Einwohner zählenden Land im vergangenen Jahr gerade einmal 330 Asylanträge gestellt und acht bewilligt wurden, versuchte er von der sozialen Krise abzulenken, indem er gegen Flüchtlinge hetzte. Die Folge war ein massiver Rechtsruck. Das Ergebnis für Ficos Smer-SD sank von 44 auf 28 Prozent, gleichzeitig überwanden mehrere äußerst rechte Parteien, darunter eine offen faschistische, die Fünf-Prozent-Hürde und zogen ins Parlament ein.
Hier sind nun acht Parteien vertreten, darunter die rechtsextreme Unsere Slowakei (LSNS) von Marian Kotleba – einem Mann, der im schwarzen Hemd auftritt und die von 1939 bis 1945 regierende, von Hitler abhängige faschistische Regierung lobt. Knapp ein Viertel der Erstwähler stimmte für die LSNS. Kotleba hatte erstmals bei den Regionalwahlen im November 2013 kandidiert und war in der Stichwahl zum Regionalvorsitzenden in der Region Banská Bystrica gewählt worden. Ohne Abgeordnete war sein Einfluss relativ gering. Jetzt sitzt seine Bewegung mit 14 Abgeordneten im Parlament.
Ungeachtet der Instabilität und der offenen Konflikte zwischen den Koalitionspartnern steht die neue Regierung weit rechts. Die SNS ist für ihre Hetze gegen Flüchtlinge und Roma bekannt. Bereits in seiner ersten Amtsperiode von 2006 bis 2010 hatte Fico mit der SNS koaliert. Die SNS tritt auch gegen die ungarische Minderheit auf, die fast eine halbe Million Menschen zählt. Das hinderte Most-Hid, die selbsternannte Verteidigerin der ungarischen Minderheit, aber nicht daran, der Koalition beizutreten.
Die 2009 gegründete Partei spricht für eine gut situierte Schicht von Ungarn in der Slowakei, die versuchen, durch politischen Einfluss ihre eigene Stellung zu verbessern. Die Partei vertritt wirtschaftsliberale Standpunkte und stimmt in der Flüchtlingsfrage mit Fico und der SNS überein. Innerhalb von Most-Hid, die im Wahlkampf eine Koalition mit Fico noch ausgeschlossen hatte, gibt es aber heftige Konflikte. Der stellvertretende Chef von Most-Hid trat aus Protest aus der Partei aus.
Die Partei Siet ist ebenfalls dem rechten Spektrum zuzuordnen. Sie wurde 2014 von dem erzkatholischen Anwalt Radoslav Procházka gegründet, nachdem dieser aus der rechtskonservativen KDH ausgetreten war. Siet verbindet ultrakonservative, nationalistische mit extrem wirtschaftsliberalen Standpunkten. Im Zentrum ihres Wahlkampfes standen die Abwehr von Flüchtlingen und radikale Steuersenkungen für Unternehmen.
In den meisten europäischen Hauptstädten wird die angekündigte Regierung wegen ihrer Instabilität skeptisch betrachtet. Da die Slowakei im Juli für ein halbes Jahr die EU-Präsidentschaft übernimmt, dürfte dies auch Folgen für die Europäische Union haben.
Die Konflikte über die Flüchtlingspolitik in der EU dürften sich weiter verschärfen. Fico trat bisher als entschiedener Gegner der Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf. Nach der Verteilung der ersten Flüchtlinge durch die EU-Kommission und der Zuteilung von 800 Flüchtlingen an die Slowakei klagte er Anfang Dezember 2015 vor dem Europäischen Gerichtshof.
Während die EU-kritischen Töne in der neuen Koalition deutlich stärker werden, ist die Abhängigkeit der Slowakei von Brüssel unverändert hoch. EU-Transfers an die Slowakei machen rund 1,7 Milliarden Euro, etwa 2 Prozent des BIP jährlich aus.
Fico verpflichtete seine neue Regierung in den zehntägigen Koalitionsverhandlungen auf eine Fortführung der harten Sparpolitik der letzen Jahre. Im Zentrum stehen dabei ein ausgeglichener Haushalt bis 2020 und eine harte Haltung gegenüber „Schuldenstaaten” wie Griechenland.
Die Smer-SD wird neun Ministerien kontrollieren, darunter die Schlüsselressorts Finanzen, Inneres und Wirtschaft. Finanzminister soll erneut Peter Kazimir werden, der als strikter Gegner von Finanzhilfen für Griechenland galt und im eigenen Land weitere harte Einschnitte ankündigte. So plant die Regierung weitere Steuerentlastungen für Unternehmen und tiefgreifende Reformen im Gesundheitswesen.
Die SNS soll die Ressorts Verteidigung, Bildung und Landwirtschaft übernehmen, die Ungarnpartei die Ministerien für Justiz und Umwelt und Siet das Verkehrsministerium.
Bereits im Wahlkampf war deutlich geworden, dass die Hetze gegen Flüchtlinge auch zur Ablenkung von den sozialen und wirtschaftlichen Problemen genutzt wurde. Die Regierungsparteien sind sich einig, ihre Agenda gegen die Bevölkerung durchzusetzen.
Die wirtschaftlichen Prognosen sind für die Slowakei denkbar schlecht. Während die offizielle Arbeitslosenquote bei rund 10 Prozent liegt, ist in manchen Regionen der Slowakei fast ein Drittel der Bevölkerung ohne Arbeit. Der Mindestlohn liegt nur knapp über 400 Euro monatlich.
Im Februar protestierten Lehrer und Krankenhauspersonal gegen die unhaltbaren Bedingungen. Rund 600 Krankenschwestern reichten aus Protest ihre Kündigung ein. Dem Klinikpersonal ist es per Gesetz verboten zu streiken. Das durchschnittliche Gehalt einer Krankenschwester liegt zwischen 500 und 800 Euro. Der Protest zeigte massive Auswirkungen.
An dem Lehrerstreik beteiligten sich rund 11.000 Lehrer an landesweit 700 Schulen. Unterstützt wurden sie von Schülern und Eltern. Die Gehälter der Lehrer liegen im Schnitt unter 1000 Euro im Monat. Hunderte Stellen sind unbesetzt, die Arbeitshetze enorm. Selbst die Umfrage eines regierungsnahen Instituts hat ergeben, dass über 52 Prozent der Bevölkerung die Forderungen der Lehrer unterstützen.