May Day 2016: Wieder erhebt der deutsche Militarismus sein Haupt

Ulrich Rippert, der Nationale Sekretär der Partei für Soziale Gleichheit (Deutschland), hielt im Rahmen der internationalen Online-Maiversammlung des IKVI die folgende Rede.

Heute vor 100 Jahren sprach Karl Liebknecht hier in Berlin auf dem Potsdamer Platz und rief die Arbeiter zum Kampf gegen Krieg auf.

Das große Massenschlachten des Ersten Weltkriegs dauerte schon fast zwei Jahre. Millionen waren bereits gefallen. Mitten in diesem furchtbaren Krieg erhob Liebknecht mutig seine Stimme.

Die Rede von Ulrich Rippert in Englisch

Sein Aufruf gegen Krieg hatte drei Punkte. Er begann mit dem Zusammenbruch der Zweiten Internationale und sprach über die verheerenden Auswirkungen des Verrats der SPD, die 1914 den Kriegskrediten zugestimmt hatte.

Er erklärte den Klassencharakter des Kriegs und sprach gegen die kapitalistischen Profitmacher. Und er betonte, dass es nur eine Kraft gibt, die dem Gemetzel ein Ende bereiten kann: das internationale Proletariat auf der Grundlage eines internationalen sozialistischen Programms.

Im Aufruf zur Kundgebung schrieb Liebknecht:

„Die proletarische Internationale kann nicht in Brüssel, in Haag oder in Bern durch ein paar Dutzend Funktionäre wieder aufgerichtet werden. Sie kann nur aus der Tat der Millionen auferstehen. Sie kann nur hier in Deutschland wie drüben in Frankreich, in England, in Russland auferstehen, wenn die Massen der Arbeiter allenthalben selbst die Fahne des Klassenkampfes ergreifen und ihre Stimme mit Donnergewalt gegen den Völkermord erschallen lassen...“

Ein Jahr später erhoben sich die russischen Arbeiter gegen den Zarismus und organisierten unter Führung von Lenin und Trotzki eine sozialistische Revolution, die den Krieg beendete.

Als diese Revolution im November 1918 auf Deutschland übergriff, wurden Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg ermordet. Die damalige SPD-Regierung unter Ebert, Noske und Scheidemann erstickte hier in Berlin die Revolution im Blut.

Liebknecht und Luxemburg wurden ermordet, bevor sie die Lehren aus dem Verrat der SPD in vollem Umfang ziehen konnten, aber Lenin und Trotzki betonten, dass der Kampf gegen Krieg einen unnachgiebigen Kampf gegen Opportunismus und Nationalismus erfordert.

Heute, 100 Jahre später, kommen alle ungelösten Probleme des vergangen Jahrhunderts zurück. Wieder erhebt der deutsche Imperialismus und Militarismus sein Haupt.

Vor zwei Jahren verkündete die Bundesregierung das „Ende der militärischen Zurückhaltung“. Seither wird der Militarismus systematisch vorangetrieben. Beim Nato-Aufmarsch gegen Russland in Osteuropa, bei den Kriegen im Nahen Osten und selbst in Afrika ist die Bundeswehr an vorderster Front mit dabei.

„Die Lage ist heute gefährlicher als im Kalten Krieg“, erklärte Außenminister Frank-Walter Steinmeier in einem Interview vor wenigen Tagen. Er sagte: „Die Welt ist auf der Suche nach neuer Ordnung. Und dieses Ringen um Einfluss, um Vorherrschaft vollzieht sich eben nicht in friedlicher Seminaratmosphäre, sondern entlädt sich auch gewaltsam.“

Die militärische Aufrüstung Deutschlands wird mit aller Macht vorangetrieben.

Die Bundesregierung hat ankündigt, die Rüstungsausgaben in den kommenden Jahren um 130 Milliarden Euro zu steigern. Im Frühjahrsbericht der Bundeswehr werden 20 Rüstungsprojekte im Umfang von 60 Milliarden Euro aufgelistet. Eine neue hochmoderne „Cyberstreitmacht“ mit 13.500 Soldaten wird aufgebaut und mit modernster Technik ausgerüstet.

Anfang der Dreißigerjahre hat schon einmal der deutsche Militarismus die Welt überrascht, als er in Windeseile die Niederlage des Ersten Weltkriegs und die Beschränkungen des Versailler Vertrages überwand und eine der modernsten und schlagkräftigsten Armeen aufstellte. Heute versucht der deutsche Imperialismus erneut, sich an die Spitze des weltweiten Rüstungswettlaufs zu stellen.

Gegenwärtig vollzieht sich das noch in enger Zusammenarbeit mit den USA. Bei seinem jüngsten Besuch in Deutschland organisierte Präsident Obama einen Kriegsgipfel zur Vorbereitung einer neuen militärischen Offensive in Syrien und Libyen. Unmittelbar danach kündigte die Bundeswehr an, Truppen und schweres Kriegsgerät nach Litauen zu verlegen, um die Abschreckung gegen Russland zu stärken.

Doch das Wiedererstarken des deutschen Militarismus verschärft nicht nur die Konfrontation mit Russland, sondern verstärkt auch die Spannungen zwischen den europäischen Mächten. Das Gespenst eines europäischen Kriegs kehrt zurück, und auch die transatlantischen Konflikte können schnell militärische Form annehmen.

Alle Parteien unterstützen die militärische Aufrüstung und den Kriegskurs. Die SPD fungiert als Einpeitscher und Kriegstreiber. Die Grünen haben ihren „Öko-Pazifismus“ längst mit Militarismus getauscht und unterstützen die Kriegsentwicklung im Namen der Menschenrechte.

Eine besonders üble Rolle spielt die Linkspartei. Unter der Parole „Einheit gegen Rechts!“ unterstützt sie die Kriegsparteien und versucht, eine sozialistische Entwicklung der Arbeiterklasse zu verhindern.

Auch die Gewerkschaften unterstützen die Kriegspolitik. Sie fordern Schutzzölle und Protektionismus und haben einen Pakt zwischen DGB und Bundeswehr geschlossen.

Politik und Medien bilden eine regelrechte politische Verschwörung gegen die Bevölkerung.

Doch anders als vor 100 Jahren, als die SPD die Revolution unterdrückte und den Kapitalismus rettete, verlieren die sozialdemokratischen Parteien und Gewerkschaften heute an Einfluss.

Bei den jüngsten Präsidentschaftswahlen in Österreich erzielte der SPÖ-Kandidat, der früher Gewerkschaftsvorsitzender war, nur 11 Prozent der Stimmen und schied aus.

In Frankreich demonstrieren seit Wochen tausende Arbeiter und Jugendliche gegen die Arbeitsmarktreformen der Hollande-Regierung. Und hier in Deutschland begannen in der vergangenen Woche Streiks im öffentlichen Dienst und in der Metallindustrie.

Wir begrüßen die wachsende Rebellion gegen die sozialdemokratischen Parteien und Gewerkschaften. Während die Linkspartei und alle Pseudolinken verzweifelt versuchen, die Kontrolle der bürokratischen Apparate aufrechtzuerhalten, kämpfen wir für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse.

Die Wut und Opposition von Millionen Menschen verlangt nach einer neuen Strategie. Der Kampf gegen Sozialabbau, Diktatur und Krieg erfordert die Mobilisierung der internationalen Arbeiterklasse auf der Grundlage eines antikapitalistischen und sozialistischen Programms. Das ist die Bedeutung unserer internationalen Kampagne gegen Militarismus und Krieg.

Als wir an der Berliner Humboldt Universität rechten Professoren und ihrer Kriegspropaganda entgegentraten, bekamen wir viel Unterstützung. Alle Versuche der Universitätsleitung, uns einzuschüchtern und unsere Opposition gegen die krasse Geschichtsfälschung und Verharmlosung der Nazi-Verbrechen zu unterdrücken, konnten wir zurückschlagen. Anfang des Jahres konnten wir die Zahl unserer Abgeordneten im Studentenparlament vervierfachen.

Jetzt haben wir entschieden, diese politische Kampagne auszuweiten und in die Betriebe zu tragen.

Wir haben eigene Kandidaten für die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im kommenden Herbst aufgestellt und den Wahlkampf bereits begonnen. Wir machen die Wahl zu einem Referendum gegen Militarismus und Krieg.

Wir werden nicht zulassen, dass dieselben Konzerne und Banken, die schon zweimal die Welt in den Abgrund gestürzt und die größten Kriegsverbrechen begangen haben, einen Dritten Weltkrieg organisieren.

Wir verbinden die Kampfbereitschaft und den Mut, mit dem Karl Liebknecht vor 100 Jahren gegen den Ersten Weltkrieg kämpfte, mit den großen politischen Lehren, die seitdem in unserer Bewegung, dem Internationalen Komitee der Vierten Internationale aufgehoben sind.

Das ist der große Unterschied. Vor 100 Jahren brachen die SPD und mit ihr die Zweite Internationale zusammen, nachdem sie bereits Jahre vorher in opportunistische Richtung abgeglitten waren.

Heute gewinnt unsere Partei Einfluss, die über Jahrzehnte unter schwierigen Bedingungen für ein internationales sozialistisches Programm gekämpft und einen starken internationalen Kader aufgebaut hat.

Diese Prinzipien gewinnen heute große politische Macht und Anziehungskraft.

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