ThyssenKrupp-Stahl: Betriebsrätekonferenz bereitet Arbeitsplatzabbau vor

Am vergangenen Freitag kamen rund 250 Betriebsräte des Stahlbereichs von ThyssenKrupp (TKS) in Duisburg zu einer Konferenz zusammen. Auch Vertreter des Vorstands nahmen daran teil. Die rund 28.000 Stahlarbeiter in den deutschen Werken, darunter rund 20.000 in Nordrhein-Westfalen, erhofften sich Auskunft über die Zukunft ihrer Werke und Arbeitsplätze. Doch die spärlichen Informationen, die Konzernvorstand, IG Metall und Betriebsräte preisgaben, gaben lediglich ihren schlimmsten Befürchtungen neue Nahrung.

Der Vorstand und der Aufsichtsrat, in dem auch die IG Metall und die Betriebsratsspitzen sitzen, diskutieren derzeit eine umfassende Restrukturierung des Stahlgeschäfts, einschließlich der Schließung ganzer Werke und des Abbaus Tausender Arbeitsplätze. Auch über den vollständigen Abstoß der Stahlproduktion durch den ThyssenKrupp-Konzern wird diskutiert.

Seit Monaten verhandelt ThyssenKrupp mit dem indischen Mischkonzern Tata über die Zusammenlegung der beiden Stahlgesellschaften. Im Zentrum des Verbunds stünden laut Manager Magazin das Thyssenkrupp-Stahlwerk im Duisburger Norden mit 13.000 Beschäftigten und die Tata-Anlage im niederländischen Ijmuiden mit rund 9.000 Beschäftigten. Letztere liegt an der Nordseeküste und produziert Rohstahl, warm- und kaltgewalzte Bleche sowie beschichtete Bandprodukte.

Vor allem in kleineren Werken von TKS geht nun die Angst um, sie könnten der Fusion zum Opfer fallen und geschlossen werden. Das gilt u.a. für die Werke im Duisburger Süden, in Dortmund, Kreuztal, Andernach und Bochum.

Selbst die Schließung der Duisburger Hüttenwerke Krupp Mannesmann, die ThyssenKrupp und der Salzgitter-Stahlkonzern gemeinsam mit dem französischen Konzern Vallourec betreiben, soll zur Diskussion stehen. Dort arbeiten mehr als 3.000 Menschen.

Thyssenkrupp-Finanzvorstand Guido Kerkhoff, der laut Manager Magazin die Verhandlungen mit Tata führt, hatte nur einen Tag vor der Duisburger Betriebsrätekonferenz angedeutet, dass es Werksschließungen geben werde. Bei der Vorstellung der Zahlen für das dritte Geschäftsquartal verweigerte er Auskünfte über die Fusionsgespräche mit Tata und antwortete auf die Frage, ob er Werkschließungen ausschließen könne, lediglich: „Man muss jetzt eine Periode lang eine gewisse Unsicherheit aushalten.“

Der Vorstandsvorsitzende des ThyssenKrupp-Gesamtkonzerns, Heinrich Hiesinger, hatte schon zuvor erklärt: „Mit und ohne Partner wird restrukturiert.“

Und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Der Präsident des Weltstahlverbands und Vorstandsvorsitzende des österreichischen Stahlkonzerns Voestalpine, Wolfgang Eder, dringt immer wieder darauf, „Überkapazitäten“ abzubauen. In Europa seien das zwischen 30 und 40 Millionen Tonnen (bei einer Erzeugung von 166 Millionen Tonnen im letzten Jahr). Die mehr als 85.000 Jobs, die seit 2008 in der EU abgebaut wurden, seien bei weitem nicht genug.

Nun sollen bei ThyssenKrupp in Deutschland und bei Tata in Großbritannien weitere Zigtausende Arbeitsplätze wegfallen. Im süditalienischen Taranto steht das Ilva-Stahlwerk mit 14.000 Beschäftigten zur Übernahme bereit. Eder mahnt, solche Zusammenlegungen müssten zu einer „strukturellen Anpassung der Kapazitäten“ führen. Die gegenwärtige Welle von Fusionsplänen sei ein Schritt, der diese Anpassungen einläute. Das Bewusstsein für Einschnitte sei vorhanden, so Eder. Man komme nicht um diese Maßnahmen herum. Die Proteste dagegen sehe er als „Teil des Prozesses“.

ThyssenKrupp-Stahlchef Andreas Goss präsentierte den Betriebsräten am Freitag in Duisburg eine Grafik über die Auslastung verschiedener Werke, aus der hervorgeht, dass die Werke in Bochum, im Duisburger Süden und die Tochter ThyssenKrupp Rasselstein GmbH in Andernach (Eifel) gefährdet sind.

Sollte das Grobblech-Werk im Duisburger Süden schließen, wäre auch die Zukunft des angrenzenden Hüttenwerks Krupp Mannesmann bedroht. Goss soll gesagt haben: „Wenn unser Stahlgeschäft eine Zukunft haben soll, können wir nicht die Augen davor verschließen, dass wir unterausgelastete Anlagen haben und es massive Überkapazitäten am Markt gibt.“

Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende des Stahlbereichs, Günter Back, berichtete der Lokalpresse, ThyssenKrupp-Chef Hiesinger habe Goss aufgefordert, bis Mai 2017 ein Konzept für den Stahlbereich vorzulegen. Es sei von einer „Wertlücke“ von 800 Millionen bis 1,6 Milliarden Euro die Rede gewesen, allein die Personalkosten seien um 200 Millionen Euro zu hoch.

Geht man von einem durchschnittlichen Arbeitgeberbruttolohn von 50.000 bis 55.000 Euro pro Beschäftigtem aus, bedeutet dies den Abbau von 3500 bis 4000 Arbeitsplätzen – plus weiteren Tausenden bei Zulieferern oder Dienstleistern der Werke. Goss wollte nicht ausdrücklich bestätigen, dass das Versprechen, bis 2020 auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten, eingehalten werde.

Mit diesem Versprechen hatte der Betriebsrat seine Zustimmung zu Lohnkürzungen, vor allem durch die Einführung einer 31-Stundenwoche, gerechtfertigt. Er war deshalb bei den letzten Betriebsratswahlen im größten Stahlwerk im Duisburger Norden mit rund 13.000 Beschäftigten von der Belegschaft abgestraft worden.

Doch die IGM und ihre Betriebsräte machen genau so weiter wie bisher. Sie dienen den Konzernen bei den Angriffen auf die Arbeiter als Betriebspolizei. Noch vor wenigen Monaten hatten sie gemeinsam mit den Stahlkonzernen demonstriert und die Verhängung von Handelskriegsmaßnahmen gegen China verlangt, das seinen Stahl verstärkt auf dem Weltmarkt anbietet.

Auf diese Weise spielen sie im Namen der „Verteidigung des Stahlstandorts Deutschland“ die deutschen Arbeiter gegen ihre europäischen und chinesischen Kollegen aus, während sie gleichzeitig eng mit den Unternehmen zusammenarbeiten, um die deutschen Konzerne auf Kosten der Löhne und Arbeitsplätze „konkurrenzfähig“ zu halten. So sabotieren sie jeden effektiven Widerstand gegen die international operierenden Konzerne und ebnen dem weiteren Abbau von Arbeitsplätzen, Löhnen und Sozialleistungen den Weg.

Die Gerüchte über Werkstillegungen und Arbeitsplatzabbau, die sie in der lokalen Presse lancieren, dienen ebenso wie ihre Klagen über den Konzernvorstand dazu, die Arbeiter einzuschüchtern und zu verwirren,. So forderte der Bevollmächtigte der IG Metall Duisburg-Dinslaken, Dieter Lieske, „Klarheit vom Management“; der Betriebsratsvorsitzende des TKS-Werks Kreuztal (Siegerland), Axel Ganseuer, warf Finanzchef Kerkhoff vor, er sei „unmenschlich“; und Oliver Möscheid, der Betriebsratschef im Werk Hohenlimburg, sagte: „Irgendwo wird es einschlagen, aber niemand weiß wo.“

Das alles ist ein abgekartetes Spiel. Die IG Metall und die Betriebsratsspitzen sitzen seit Jahrzehnten im Aufsichtsrat des Gesamtkonzerns und der Stahltochter. In den Aufsichtsratspräsidien und den wichtigsten Ausschüssen dieser Gremien diskutieren sie alle strategischen Entscheidungen mit den Vorständen des Konzerns, die aufgrund der Mitbestimmung nicht selten zuvor ihre Betriebsrats- oder Gewerkschaftskollegen waren. So war der Personalvorstand (Arbeitsdirektor) von ThyssenKrupp Stahl, Thomas Schlenz, früher lange Zeit Betriebsratsvorsitzender des Gesamtkonzerns.

IG Metall und Betriebsräte wissen sehr gut über die Pläne des Konzerns Bescheid, wahren aber Stillschweigen. So berichtete die Onlineplattform DerWesten.de nach dem Betriebsratstreffen vom Freitag, den Betriebsräten sei schon bei einem Treffen mit ThyssenKrupp-Chef Hiesinger am 2. Juni „klar geworden, dass der Konzernchef in jedem Fall Anlagen oder Standorte schließen wolle“. Trotzdem hatten sie die Arbeiter erst drei Wochen später über dieses Treffen informiert, als das Manager Magazin bereits über geplante Werksschließungen berichtete.

Inzwischen warnen auch IG Metall und Betriebsrat vor Werksschließungen. Doch ihre Proteste dienen nur dazu, die Arbeiter zu zermürben. Das ist auch Sinn und Zweck des „Aktionstags“, den die IG Metall am 31. August – um fünf vor zwölf – vor der Zentrale von ThyssenKrupp Stahl in Duisburg zur „Verteidigung aller Standorte“ organisiert. Er ist eine Alibi-Veranstaltung, um die Verteidigung aller Standorte zu verhindern.

Am gleichen Tag kommt der Stahl-Aufsichtsrat unter Vorsitz von ThyssenKrupp-Chef Hiesinger und seinem Stellvertreter Detlef Wetzel (Vorsitzender der IG Metall) zusammen. Dem Gremium gehören auch Gesamtbetriebsratschef Back sowie die Betriebsratsvorsitzenden der Werke Dortmund (Sabine Birkenfeld), Duisburg-Süd (Werner von Häfen) und Bochum (Harald Pfennig) an. Mit dabei ist auch Oliver Burkhard, der ehemalige IGM-Vorsitzende in NRW. Er ist inzwischen Personalvorstand der ThyssenKrupp AG und sitzt als Unternehmensvertreter im Aufsichtsrat.

IGM und Betriebsräte handeln hier die Bedingungen der Restrukturierung aus, um die Arbeiter schließlich vor vollendete Tatsachen zu stellen. Hinter den Kulissen ist dabei das Hauen und Stechen zwischen den Betriebsräten der einzelnen Standorte über die Frage, welches Werk geschlossen wird, in vollem Gange.

Nur die Vereinigung der Stahlarbeiter aller Standorte, Länder und Kontinente auf einer sozialistischen Grundlage, die die Arbeitsplätze und Löhne höher stellt als die Profitinteressen der Stahlkonzerne, kann die Lebensgrundlage von Millionen Stahlarbeitern und ihren Familien erfolgreich verteidigen.

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