Jörg Baberowski verliert in allen Punkten gegen Bremer Studierende

Am Donnerstag endete Jörg Baberowskis Versuch, studentische Kritik an seinen rechtsradikalen Standpunkten zu verbieten, in einer vollständigen Niederlage.

Der Professor der Berliner Humboldt-Universität zog den Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung gegen den Bremer Asta zurück, der ihn in einem Flugblatt zitiert und als rechtsradikal und rassistisch bezeichnet hatte. Zuvor hatte das Oberlandesgericht Köln in einer mündlichen Verhandlung unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass es andernfalls ein Urteil gegen Baberowski fällen würde. Dieser muss nun die gesamten Prozesskosten tragen.

Mit dem Rückzug des Antrags bricht das gesamte Konstrukt zusammen, mit dem Baberowski versucht hatte, seine Kritiker zum Schweigen zu bringen. Er war dabei von rechten Medien und Professoren unterstützt worden.

Baberowski hatte behauptet, Zitate von ihm würden aus dem Zusammenhang gerissen und falsch interpretiert, um ihn zu diffamieren und zu schmähen. Kritik an seinen rechten politischen und historischen Standpunkten hatte er als Angriff auf die Freiheit der Wissenschaft und seinen Ruf als anerkannter Historiker denunziert.

Das Oberlandesgericht Köln lehnte diese Sichtweise ab. Nach einem gründlichen Studium der ausführlichen Schriftsätze, die sowohl der Asta Bremen wie Baberowski eingereicht hatten, gelangte es zum Schluss, Baberowski sei im Wesentlichen richtig zitiert worden und die Kritik an ihm sei legitim.

Die Vorsitzende Richterin des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts, Margarete Reske, wies gleich zu Beginn ihrer Ausführungen Baberowskis Behauptung zurück, es handle sich bei den Texten des Asta um einen Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit.

Die strittigen Äußerungen, die zu zitieren Baberowski dem Asta verbieten wollte, stammen aus einer Podiumsdiskussion im Deutschen Historischen Museum (DHM) und aus einem Interview auf 3SAT. Die Richterin hielt fest, dass sich Baberowski in diesen Kontexten nicht dezidiert als Wissenschaftler geäußert habe. Es sei um umstrittene Fragen der Tagespolitik gegangen, und diese hätten es „natürlich in sich, denn die waren genau in dieser Zeit heftigst in der öffentlichen Diskussion“. Baberowski habe sich in einen Bereich begeben, in dem man sich unter der Überschrift „Öffentlicher Meinungskampf“ auch einer derart scharfen Kritik stellen müsse. Zwar müsse Baberowski vor Falschzitaten geschützt werden, nicht jedoch vor scharfer Kritik.

Reske unterstrich, dass es sich bei den Äußerungen des Astas nicht um Schmähungen, sondern um sachbezogene Kritik handle. Sie ging dann ausführlich auf die beiden Zitate ein, die zu wiederholen das Landgericht Köln dem Bremer Asta in erster Instanz verboten hatte.

Das Landgericht Köln hatte im November letzten Jahres auf Antrag Baberowskis eine Einstweilige Verfügung gegen den Bremer Asta verhängt. Am 15. März hatte es dann die Verfügung in der mündlichen Verhandlung eingeschränkt und dem Asta erlaubt, Baberowski einen Rechtsradikalen zu nennen, weil hierzu ein „hinreichender tatsächlicher Anknüpfungspunkt“ gegeben sei. Die restlichen Punkte der Einstweiligen Verfügung hatte es aber aufrecht erhalten.

Der Asta legte gegen diese Entscheidung Berufung ein, über die nun das Oberlandesgericht als zweite Instanz verhandelte.

In einer Pressemitteilung des Asta vom Oktober 2016 hatte es über Baberowski geheißen: „Von seinen Anhänger*innen gerne als honoriger Akademiker beschrieben, sind seine Thesen in der jüngeren Vergangenheit von offener Hetze und erschreckender Brutalität geprägt. In einer Podiumsdiskussion zum Thema Interventionsmacht Deutschland am Deutschen Historischen Museum im Oktober 2014 sagt Baberwoski: ‚Und wenn man nicht bereit ist, Geiseln zu nehmen, Dörfer niederzubrennen und Menschen aufzuhängen und Furcht und Schrecken zu verbreiten, wie es die Terroristen tun, wenn man dazu nicht bereit ist, wird man eine solche Auseinandersetzung nicht gewinnen.‘“

Baberowski hatte moniert, dass der Asta die folgenden Abschnitte nicht mit zitiert hatte. Darin hatte Baberowski erklärt, dass man sich gut überlegen solle, „für welchen Krieg man a) gerüstet ist und ob man ihn gewinnen kann. Und wenn man ihn nicht gewinnen kann, soll man es lassen.“ Das Landgericht hatte behauptet, aus diesen Sätzen gehe hervor, „dass der Verfügungskläger es gerade nicht gutheißt, die in der zitierten Passage angesprochenen kriegerischen Mittel anzuwenden“.

Auch diese Argumentation wies Richterin Reske zurück. Betrachte man die weiteren Ausführungen nach dem Zitat, „dann meinen wir nicht, dass der Kläger gesagt hat, man soll den Krieg nicht führen“, erklärte sie. Er sage nur, dass man die Auseinandersetzung mit diesen Mitteln, den selbst gesetzten moralischen Grenzen, nicht gewinnen könne. „Ob er die moralischen Grenzen für richtig hält, sagt er in diesem Zusammenhang nicht.“ Baberowskis These sei, dass man Krieg gegen den Terror nur mit Gegenterror gewinnen könne.

Das Gericht halte die Aussage auch nicht für mehrdeutig, weil es gar nicht wisse, welche andere Bedeutung man der Äußerung beimessen könne, ergänzte Reske. Ferner halte sie es für fraglich, dass der Kläger sich in diesem Zusammenhang gegen die Führung solcher Kriege ausgesprochen habe. Dies ergebe sich dem Gericht zufolge insbesondere aus dem weiteren Kontext der Veröffentlichungen Baberowskis.

Reske nahm in diesem Zusammenhang auf Texte Bezug, die der Asta in seinem Schriftsatz zitiert hatte, um die militaristischen Standpunkte Baberowskis zu belegen. So zitierte sie eine seiner Kolumnen in der Baseler Zeitung vom 5. August 2016: „Wie aber soll man einen Krieg beenden, wenn man nicht kämpfen will? (...) Indifferenz und Nächstenliebe sind schlechte Ratgeber (...) Die Terroristen halten uns für feige und verweichlicht, und sie führen uns unsere Feigheit Tag für Tag vor Augen.“

Reske betonte auch, dass die Bezeichnung von Baberowskis Äußerungen im DHM als „offene Hetze“ oder als Thesen von „erschreckender Brutalität“ Wertungen seien, die von der Meinungsfreiheit geschützt seien.

Ähnlich argumentierte die Richterin in Bezug auf das zweite Zitat, das dem Bremer Asta verboten worden war.

In der Pressemitteilung hatten die Studierenden geschrieben: „Gleichzeitig sieht er als Gastautor in der FAZ die Integration von Geflüchteten als Unterbrechung eines deutschen ‚Überlieferungszusammenhangs‘ und folglich als Bedrohung für ‚den sozialen Kitt, der unsere Gesellschaft einmal zusammengehalten hat‘. Das Niederbrennen eines Flüchtlingsheimes in Tröglitz und die zwei Tage dauerenden Angriffe Rechtsextremer auf ein Wohnheim für Geflüchtete in Heidenau kommentierte Baberowski schließlich lapidar mit den Worten: ‚Überall, wo Bürger nicht eingebunden sind, kommt es natürlich zu Aggression.‘ Jörg Baberowski erforscht Gewalt nicht, sondern legitimiert sie und fordert sie geradezu ein. Seine Ansichten sind kein konstruktiver Beitrag zur Debattenkultur, sondern akademisch vorgetragene Hetze, die das Anzünden und Belagern von Geflüchtetenunterkünften verharmlosend als natürliche Reaktionen verärgerter Bürger*innen beschreibt.“

Auch hier hatte Baberowski darauf beharrt, dass er verfälschend zitiert worden sei. Er habe auch gesagt: „Gott sei Dank ist in Deutschland noch niemand umgekommen.“ Zwar seien Asylbewerberheime angezündet worden, und dies sei schlimm genug. „Ich glaube, angesichts der Probleme, die wir in Deutschland haben mit der Einwanderung, die jetzt gerade stattfindet, ist es ja noch eher harmlos, was wir haben.“

Die erste Instanz hatte in ihrer Urteilsbegründung behauptet, diese Aussagen ließen die Bewertung nicht zu, die der Bremer Asta daraus zog. Auch dies ließ die Richterin nicht gelten. Im Gesamtzusammenhang lasse die Aussage die Deutung, die die Beklagte ihr beigemessen habe, zu. Offenbar seien für Baberowski die Probleme mit den Einwanderern schwerwiegender als die Gewalt gegen Flüchtlinge. Diesen Kommentar als „lapidar“ zu bezeichnen, sei deshalb gerechtfertigt.

Baberowski war nicht zu dem Prozess erschienen, den er selbst angestrengt hatte. Sein Anwalt Sebastian Gorski versuchte, die skurrile Argumentation seines Mandanten zu verteidigen und zu begründen, weshalb Kritik an rechtsradikalen Positionen der Wissenschaftsfreiheit abträglich sei.

Gorskis Kanzlei Schertz Bergmann hatte einen 52-seitigen Schriftsatz eingereicht, der Baberowskis rechte Positionen rechtfertigte – darunter seine Behauptung, dass Hitler nicht grausam war, und seine Verteidigung des Nazi-Apologeten Ernst Nolte sowie des Nazi-Juristen Carl Schmitt. Neben dem Bremer Asta griff der Schriftsatz auch die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) und ihre Jugendorganisation International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) heftig an, weil sie Baberowskis rechte Standpunkte systematisch kritisiert haben.

Doch gegen die Argumente der Richter und auch den mit Studierenden gefüllten Gerichtssaal kam Gorski nicht ansatzweise an. „Ich sehe schon, dass ich hier heute nicht auf der Gewinnerstraße bin“, sagte er am Ende und zog den Antrag auf die Einstweilige Verfügung zurück, den er nun seit sieben Monaten für seinen Mandanten durchzusetzen versucht. Damit wollte er verhindern, dass die Argumente, die die Richter vorgebracht hatten, in einer offiziellen Urteilsbegründung niedergeschrieben werden.

Trotz dieses Winkelzugs ist das Ergebnis der mündlichen Verhandlung am Oberlandesgericht eindeutig: Baberowski ist mit seinem Versuch gescheitert, Kritik an seiner rechten Agenda gerichtlich zu verbieten. Das andauernde Argument seiner Verteidiger, die Kritiker des Professors hätten seine Zitate aus ihrem Zusammenhang gerissen, ist vollständig widerlegt.

Der Bremer Asta hatte in seinem 33-seitigen Schriftsatz nachgewiesen, dass Baberowski in dutzenden Zeitungsartikeln, Interviews und Talkshows rechtsradikale Positionen vertrat und dafür von rechtsextremen Kreisen gefeiert wurde. Er warf dem Professor vor, er versuche, „das Gericht zu missbrauchen, um kritische Studierende mundtot zu machen und jede Kritik an seiner rechten Agenda zu unterdrücken“. Die Bedeutung des Urteils gehe deshalb „weit über diesen Fall hinaus“.

Diese Einschätzung ist durch Baberowskis Niederlage bestätigt worden. Der Asta der Universität Bremen erklärte dazu in einer ersten Stellungnahme: „Das ist ein wichtiger Tag für den Kampf gegen rechte Hetze und die Meinungsfreiheit auf dem Campus und überall sonst!“

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