Franz Mehrings Marx-Biographie jetzt auch als Epub erhältlich

Franz Mehring, Karl Marx Geschichte seines Lebens

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Die Marx-Biografie von Franz Mehring erschien 1918, hundert Jahre nach der Geburt des großen Revolutionärs und Denkers. Seither sind weitere hundert Jahre vergangen, doch Mehrings Biografie hat nichts von ihrer Aktualität verloren.

Sie sticht unter den zahlreichen Büchern und Artikeln über Marx hervor, weil der Autor sowohl mit dem Werk wie dem Leben von Karl Marx seit Jahrzehnten vertraut war. Er zählte zu den führenden Theoretikern und Publizisten der SPD, als diese noch marxistisch war, und gehörte 1914 zu den wenigen, die sich beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs nicht dem Kriegstaumel hingaben und ihren internationalistischen, sozialistischen Prinzipien treu blieben. Er stand zudem in engem brieflichem und persönlichem Kontakt mit Marx’ engsten Mitarbeitern und Familienangehörigen, darunter Friedrich Engels und Marx’ Tochter Laura Lafargue.

Gestützt auf diesen umfangreichen Fundus an Erfahrung und Wissen schuf der herausragende Schriftsteller und Kenner der deutschen Literatur und Geschichte ein Buch, das Marx‘ Leben und Werk sorgfältig nachzeichnet und lebendig werden lässt.

Der Mehring Verlag hat Mehrings Marx-Biografie 2001 neu herausgebracht. Wir freuen uns, es zum 200. Geburtstag von Marx auch als E-Book anbieten zu können. Als Einleitung veröffentlichen wir hier das Vorwort, das 2001 in der Buchausgabe erschien.

* * *

Im Jahr 1918, kurz vor Ende des 1. Weltkriegs, wurde „Karl Marx - Geschichte seines Lebens“ zum ersten Mal veröffentlicht. Es ist neben der „Lessing-Legende“ und der „Geschichte der deutschen Sozialdemokratie“ das Hauptwerk aus der Feder des marxistischen Schriftstellers und Historikers Franz Mehring.

Monatelang hatte die wilhelminische Militärzensur die Herausgabe der Biographie zu verhindern gesucht. Allein in der ersten Hälfte des Buchs nahm der Zensor an etwa 70 Stellen Anstoß. Nachdem die Proteste bei den Zensurbehörden wirkungslos blieben, auch Debatten im Reichstag und im Preußischen Landtag keine Freigabe erwirkten, schrieb Mehring einen eindringlichen Brief an den Reichskanzler. Einige Zeit später konnte das Werk endlich ohne textliche Konzessionen erscheinen.

Rosa Luxemburg, die den Abschnitt über Band zwei und drei des „Kapitals“ für diese Biographie verfasst hatte, äußerte sich begeistert:

„Sehr verehrter Freund, haben Sie tausend Dank für Ihr Werk und Ihren Brief, auf den ich schon in großer Unruhe wartete. Ich stürzte mich natürlich gleich auf die Lektüre und kann Ihnen gar nicht sagen, wie erquickend und anregend sie auf mich gewirkt hat. Den Eindruck, den mir die ersten Kapitel schon früher einmal gemacht hatten, fand ich durch das Ganze bestätigt: Es ist entschieden Ihr bestes Werk, was das edle Ebenmaß der Komposition, die ruhige Schönheit der Sprache und vor allem den starken Geist und die Frische betrifft, die aus der Arbeit wehen. Ich verspreche mir eine tiefe, aufrüttelnde Wirkung von dem Buche. Man konnte den Massen in diesem Moment nichts Schöneres schenken, um sie an die besten Traditionen zu erinnern.“ [1]

Franz Mehring war erst spät zum Marxismus gestoßen. Er wurde 1846 in Schlawe in Pommern geboren. Sein Vater war ein höherer Steuerbeamter und zuvor preußischer Offizier. Nach dem Studium der Philologie und Geschichte begann Mehring seine journalistische Tätigkeit bei der Berliner radikal-demokratischen Tageszeitung „Die Zukunft“, die von Guido Weiß und Johann Jacoby herausgegeben wurde. 1870 lehnte er Seite an Seite mit der ein Jahr zuvor gegründeten Sozialdemokratischen Arbeiterpartei die Annexion Elsass-Lothringens durch die preußische Armee ab.

Mehring veröffentlichte 1875 eine Polemik gegen den nationalliberalen Historiker Heinrich Gotthard von Treitschke, in der er versuchte, den Liberalismus gegen die preußische Reaktion zu verteidigen. Dies erwies sich jedoch als aussichtslos, da die deutsche Mittelklasse sich unter dem Eindruck der aufstrebenden Arbeiterklasse Bismarck und dem Junkertum in die Arme warf.

Die nächsten Jahre wandte er sich den Nationalliberalen zu und verfasste anti-sozialistische Artikel. 1882 erhielt er die Doktorwürde an der Universität Leipzig. Unter dem Eindruck der Sozialistengesetze, mit denen Bismarck 1878 die sozialdemokratischen Organisationen und Zeitungen verboten hatte, wandte Mehring sich der Sozialdemokratie wieder zu und begann ein intensives Studium der Werke von Karl Marx und Friedrich Engels.

Im Jahr 1891 trat er der wieder legalisierten SPD bei und wurde Mitglied der Redaktion der „Neuen Zeit“, des theoretischen Organs der Partei. Schon sehr bald stellte er sich auf die Seite des marxistischen Flügels der Sozialdemokratie gegen den Teil, der unter Eduard Bernstein die Orientierung auf die Arbeiterklasse durch eine versöhnlerische Haltung gegenüber der Bourgeoisie ersetzen wollte. 1902 veröffentlichte Mehring erstmals die Frühschriften von Marx und Engels. Im gleichen Jahr übernahm er den Posten des Chefredakteurs der sozialdemokratischen „Leipziger Volkszeitung“. Zwischen 1906 und 1911 lehrte er an der Parteischule in Berlin. Gegen die Position der „Praktiker“ schrieb er 1902 in der „Neuen Zeit“: „Der Emanzipationskampf des modernen Proletariats kann nicht wie ein Guerillakrieg geführt werden, von Tag zu Tag und von Ort zu Ort, ohne einen Generalstab; die Arbeiterklasse wird niemals siegen, wenn sie sich nicht auch geistig überlegen zeigt der alten und trotz aller kapitalistischen Zerrüttung noch immer mächtigen Kultur, die sie überwinden muss, um eine höhere Kultur zu schaffen.“ [2]

Die Jahre vor Ausbruch des 1. Weltkriegs waren durch einen immer schärfer werdenden Fraktionskampf in der SPD gekennzeichnet. Mehrings früherer Freund Karl Kautsky zwang ihn 1913, die Redaktion der „Neuen Zeit“ zu verlassen. Am Beginn des Kriegs stellte Mehring sich gemeinsam mit Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und wenigen anderen gegen die Kriegsunterstützung durch die Mehrheit der SPD-Führung. 1915 gründete er mit Rosa Luxemburg die Zeitschrift „Die Internationale“ und übernahm die führende Rolle in ihrer Herausgabe, als Luxemburg ins Gefängnis geworfen wurde. Im Alter von 70 Jahren wurde Mehring 1916 für einige Monate inhaftiert, ein Jahr später mit großer Mehrheit in einem Berliner Wahlkreis in das preußische Parlament gewählt.

Nach der Novemberrevolution 1918, der Abdankung des Kaisers und dem Ende des Kriegs setzte er seine Kraft für die Gründung der Kommunistischen Partei ein. Als die sozialdemokratische Regierung Ebert-Scheidemann-Noske durch ihre Freikorps Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am 15. Januar 1919 ermorden ließ, erholte sich Franz Mehring von diesem Schlag gegen seine engsten Freunde nicht mehr; er starb am 29. Januar.

Die kurz vor seinem Tod veröffentlichte Marx-Biographie besticht durch die anschauliche Art und Weise, in der er nicht nur das Leben von Karl Marx sondern auch die großen Ideen und Werke darzulegen versteht. Die scharfen Proteste, die Kautsky und Rjasanow schon bei der Ankündigung, diese Biographie zu schreiben, 1913 erhoben und auf die Mehring in seinem Vorwort Bezug nimmt, sind nur durch deren politische Haltung kurz vor dem Weltkrieg zu erklären, wo sie jede tiefgehende Diskussion in der Partei über revolutionäre Perspektiven und die Traditionen der Sozialdemokratie verhindern wollten. In einem Brief vom 23. November 1913 unterstützte Rosa Luxemburg Franz Mehring: „Jetzt warte ich auf Ihre Lektion an Rjasanow; ich bringe es kaum fertig, dieses Gewebe von Kleinlichkeit, Gehässigkeit und Bedienteneifer zu lesen.“ [3]

Bereits ein Jahr zuvor schrieb sie an Kostja Zetkin: „Von Mehring habe ich Nachrichten, dass er sich mit K.K. (Karl Kautsky) brieflich wegen der Artikel über mich scharf gezankt hat, dass Bebel gegen ihn in der ‘Neuen Zeit’ auftritt, dass er gegen den Vorstand zum Platzen geladen ist und dass er jetzt den K.K. zum ‘Sumpf’ rechnet und eine ‘neue Linke’ aufsteigen sieht unter seiner und ‘Röschens’ Führung. Das hat mir Spaß gemacht. Jedenfalls ist es für die Sache sehr nützlich, dass M. sich von K.K. ganz getrennt hat.“ [4]

Nichtsdestotrotz gibt es Schwächen in den Ausführungen Mehrings, die, besonders vom heutigen Standpunkt aus, kritisch betrachtet werden müssen. Die Abschnitte, die in der Marx-Biographie Ferdinand Lassalle und Michail A. Bakunin gewidmet sind, zeichnen ein zu überhöhtes Bild der beiden Revolutionäre. Es handelt sich um einen Versuch der „Ehrenrettung“ der Persönlichkeiten Lassalles und Bakunins vor der scharfen und zuweilen bissigen Kritik von Marx.

Ferdinand Lassalle war einer der widersprüchlichsten Charaktere in der jungen deutschen Arbeiterbewegung. Herausragend in seiner revolutionären Agitation war er der Gründer des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV), der ersten politischen Partei der Arbeiterbewegung. Gleichzeitig waren seine politischen Mittel oft von größtem Opportunismus gekennzeichnet. 1928 wurde der Briefwechsel zwischen Bismarck und Lassalle entdeckt, der alles Misstrauen, das Marx immer gehegt hatte, bestätigte. Bereits im Mai 1863, noch vor der Gründung des ADAV, lud Bismarck Lassalle zu einer Unterredung über die „Arbeiterfrage“ ein. Lassalle schrieb am 8. Juni 1863:

„Aber es wird Ihnen aus diesem Miniaturgemälde (dem Statut des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins) deutlich die Überzeugung hervorgehen, wie wahr es ist, dass sich der Arbeiterstand instinktmäßig zur Diktatur geneigt fühlt, wenn er erst mit Recht überzeugt sein kann, dass dieselbe in seinem Interesse ausgeübt wird, und wie sehr er daher, wie ich Ihnen schon neulich sagte, geneigt sein würde, trotz aller republikanischen Gesinnungen - oder vielleicht gerade auf Grund derselben - in der Krone den natürlichen Träger der sozialen Diktatur im Gegensatz zu dem Egoismus der bürgerlichen Klassen zu sehen, wenn die Krone ihrerseits sich jemals zu dem - freilich sehr unwahrscheinlichen - Schritt entschließen könnte, eine wahrhaft revolutionäre und nationale Richtung einzuschlagen und sich aus einem Königtum der bevorrechteten Stände in ein soziales und revolutionäres Volkskönigtum umzuwandeln.“ [5]

Diese Unterordnung unter den Staat blieb ein Problem in der deutschen Arbeiterbewegung, wie es sich am Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts in den Positionen Eduard Bernsteins deutlich zeigte.

Auch die Haltung Mehrings, den „ehrlichen Revolutionär“ in Michail Bakunin zu verteidigen, kann vom heutigen Standpunkt nicht mehr geteilt werden. Dessen moralische Integrität ist durch die Dokumente aus den zaristischen Archiven, in denen er sich gegenüber dem Zaren vollständig von seinen revolutionären Ansichten distanziert und sie widerruft, um aus der Verbannung gerettet zu werden, zerstört.

Diese Dokumente lagen Franz Mehring zu seiner Zeit natürlich noch nicht vor. Die Größe und die Schönheit dieser Biographie werden durch diese Punkte auch in keiner Weise berührt. Gerade in der heutigen Zeit, in der der Marxismus immer wieder totgesagt worden ist, kann dieses Buch eine wichtige Aufgabe dabei spielen, den Gedanken und die großen Ideen von Karl Marx wieder zu beleben.

Den Schriften Franz Mehrings kann man nur die größtmögliche Verbreitung wünschen. Rosa Luxemburg gab der Bewunderung für dessen Lebenswerk in ihrem Brief zu seinem siebzigsten Geburtstag vom 27. Februar 1916 Ausdruck:

„Sie sind der Vertreter der echten geistigen Kultur in all ihrem Glanz und Schimmer. Wenn nach Marx und Engels das deutsche Proletariat der historische Erbe der klassischen deutschen Philosophie ist, so sind Sie der Vollstrecker dieses Vermächtnisses gewesen. Sie haben aus dem Lager der Bourgeoisie gerettet und zu uns, ins Lager der sozial Enterbten, gebracht, was noch an goldenen Schätzen der einstigen geistigen Kultur der Bourgeoisie übriggeblieben war. Durch Ihre Bücher wie durch Ihre Artikel haben Sie das deutsche Proletariat nicht bloß mit der klassischen deutschen Philosophie, sondern auch mit der klassischen Dichtung, nicht nur mit Kant und Hegel, sondern mit Lessing, Schiller und Goethe durch unzerreißbare Bande verknüpft. Sie lehrten unsere Arbeiter durch jede Zeile aus Ihrer wunderbaren Feder, dass der Sozialismus nicht eine Messer-und-Gabel-Frage, sondern eine Kulturbewegung, eine große und stolze Weltanschauung sei. ... Jetzt sehen freilich die Erben der klassischen Philosophie - seit dem furchtbaren Zusammenbruch im Weltkriege - wie elende Bettler aus, die von Ungeziefer gefressen werden. Aber die ehernen Gesetze der geschichtlichen Dialektik, die Sie so meisterhaft dem Proletariat tagaus, tagein zu erklären wussten, werden es mit sich bringen, dass sich die Bettler, die ‘Geusen’ von heute, wieder aufraffen und morgen zu stolzen und schroffen Kämpfern werden. Und sobald der Geist des Sozialismus in die Reihen des deutschen Proletariats wieder einzieht, wird seine erste Gebärde sein - nach Ihren Schriften, nach den Früchten Ihrer Lebensarbeit zu greifen, deren Wert unvergänglich ist und aus denen immer derselbe Odem einer edlen und starken Weltanschauung weht. Heute, wo uns Intelligenzen bürgerlicher Herkunft rudelweis verraten und verlassen, um zu den Fleischtöpfen der Herrschenden zurückzukehren, können wir ihnen mit verächtlichem Lächeln nachblicken: Geht nur! Wir haben der deutschen Bourgeoisie doch das Letzte und Beste weggenommen, was sie noch an Geist, Talent und Charakter hatte: Franz Mehring.“ [6]

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Anmerkungen

1) Rosa Luxemburg, Gesammelte Briefe, Band 5, Berlin 1987, Seite 395.

2) Franz Mehring, Zwanzig Jahre, in Gesammelte Schriften, Band 14, Berlin 1978, Seite 503.

3) Rosa Luxemburg, Gesammelte Briefe, Band 4, Berlin 1987, Seite 324

4) Rosa Luxemburg, Gesammelte Briefe, Band 4, Berlin 1987, Seite 200

5) G. Mayer, Bismarck und Lassalle - Ihr Briefwechsel und ihre Gespräche, Berlin 1928.

6) Rosa Luxemburg, Gesammelte Briefe, Band 5, Berlin 1987, Seite 104.

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Der Mehring Verlag auf der Leipziger Buchmesse (Halle 5, Stand K 303)

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Freitag, 16. März 14:00 - 14:30, Forum Sachbuch, Halle 5, Stand C200. Facebook-Event

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