Am Mittwoch, den 24. Oktober, versammelten sich in der srilankischen Hauptstadt Colombo 5.000 Arbeiter und Jugendliche, um die Plantagenarbeiter in ihrem Lohnkampf zu unterstützen. Die Arbeiter fordern einen Tageslohn von 1.000 Rupien (ca. 5 Euro).
Junge Männer und Frauen aus Colombo und ganz Sri Lanka versammelten sich am Galle Face Green zu einem lautstarken Demonstrationszug. Mit ihren Slogans forderten sie einen besseren Lohnabschluss in den Plantagen bis spätestens 31. Oktober.
An diesem Datum ist ein neuer Tarifabschluss der Gewerkschaften und des srilankischen Arbeitgeberverbands fällig. Bei früheren Abschlüssen hatten die Gewerkschaften vor allem militante Reden gehalten, um die Wut der Arbeiter zu besänftigen, aber die vereinbarten Abschlüsse umfassten jeweils nur kümmerliche Lohnerhöhungen, die noch dazu mit einem steigenden Arbeitspensum teuer erkauft wurden. Diesmal finden die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen statt.
Als sich der Demonstrationszug dem alten Parlamentsgebäude, dem heutigen Amtssitz des Präsidenten, näherte, errichtete die Polizei Straßenblockaden, um sie zu stoppen. Die Bereitschaftspolizei vor Ort war mit Tränengas, Schlagstöcken und Wasserwerfern ausgerüstet.
Ein Sprecher des Präsidentensekretariats forderte die Menge auf, am Morgen des nächsten Tages wiederzukommen und eine Delegation zu bestimmen. Dann seien die Regierungsverantwortlichen zu einem Gespräch bereit. Aber die Demonstranten beschlossen, bis dahin an Ort und Stelle auszuharren.
Gegen 20 Uhr griff die Polizei die friedlichen Demonstranten plötzlich an und prügelte mit Schlagstöcken auf die Jugendlichen ein, um sie zu vertreiben.
Seit Tagen kommt es täglich zu Protesten tausender Plantagenarbeiter, die eine Verdoppelung ihres Lohns auf 1.000 Rupien [5,- Euro] pro Tag fordern. Zu diesen Protesten ruft jeweils die National Union of Workers (NUW) auf. Die Gewerkschaft steht unter der Führung des Ministers P. Digambaram, der jedoch bewusst zu begrenzten, zeitversetzten Protesten aufruft, weil er fürchtet, dass sich ein größerer Streik daraus entwickeln könnte.
Auf einer Pressekonferenz wies der Plantagenverband die Forderungen der Arbeiter zurück. Der Vorsitzende Sunil Poholiyadde erklärte, eine Lohnerhöhung würde zum Zusammenbruch der gesamten Branche führen. Er bestand darauf, möglich sei maximal eine Lohnerhöhung um 20 % bzw. 100 Rupien am Tag.
Poholiyadde führte aus, die Arbeiter könnten den geforderten Lohn von 1.000 Rupien ja durch variable Zuschüsse erhalten. Es ist allerdings nahezu unmöglich, die damit einhergehende Leistung zu erbringen und die erforderlichen Anwesenheitszeiten einzuhalten.
Der Protesttag in Colombo markiert ein neues Stadium in der Entwicklung des Klassenkampfes und des weltweiten Wiederauflebens der Arbeiterklasse. Unter dem Namen „Group 24” haben Jugendliche in den sozialen Medien eine Kampagne organisiert, um den Forderungen der Plantagenarbeiter Nachdruck zu verschaffen und um sowohl in Sri Lanka als auch weltweit die Arbeiter zur Unterstützung aufzurufen. Es ist das erste Mal, dass eine derartige Kampagne in Sri Lanka ins Leben gerufen wurde.
Prasad Kumar, ein junger Amtsarzt und Sprecher der „Group 24”, sprach mit Reportern der WSWS: „Seit über 200 Jahren, seit der britischen Herrschaft, tragen die Plantagenarbeiter enorm zur Wirtschaft des Landes bei. Seit 70 Jahren ist Sri Lanka schon unabhängig. Aber die herrschende Klasse Sri Lankas ignoriert die Arbeiter genau wie die Imperialisten. Die Arbeiter erhalten nur 500 Rupien [2,55 Euro] am Tag … Aber die Lebenshaltungskosten explodieren: Wie sollen sie da mit 500 Rupien am Tag auskommen?“
Kumar erklärte weiter, dass die „Group 24“ nicht nur Plantagenarbeiter, sondern alle, die ihre Lohnforderungen unterstützten, zu den Protesten aufgerufen habe. Deshalb befanden sich unter den Protestierenden sowohl Jugendliche aus dem Norden der Insel, als auch junge Singhalesen aus dem Süden. Er warnte: „Politiker der herrschenden Klasse versuchen, solche Proteste für ihren eigenen Vorteil zu nutzen. Einige Parteienvertreter aus den Plantagengegenden sind gekommen, um die Proteste zum Scheitern zu bringen.“
Unter den Protestierenden befanden sich auch Mitglieder der NUW und des Ceylon Workers‘ Congress (CWC), eine Gewerkschaft, die ebenfalls Plantagenarbeiter vertritt. Der CWC wird vom ehemaligen Minister Arumugam Thondaman und dem ex-Parlamentarier Shri Renga geführt.
Reporter der WSWS sprachen mit vielen jungen Männern und Frauen vor Ort, die sich gegen die Gewerkschaften aussprachen.
Yoga, ein Textilarbeiter aus Colombo, sagte: „Die Gewerkschaftsvertreter versprechen den Arbeitern etwas anderes als das, was sie mit den Unternehmen aushandeln. Sie kommen zu den Arbeitern und sagen ihnen: ‚Die Betriebe stehen kurz vor dem Zusammenbruch. Besser, du akzeptierst das Lohnangebot und gehst an die Arbeit zurück.‘ Die Arbeiter stehen mit dem Rücken zur Wand. Viele unserer Generation sind die Plackerei auf den Plantagen leid und suchen sich Arbeit in Colombo. Aber auch hier reicht es kaum zum Überleben.“
Eine junge Frau, die von einer Plantage in Maskeliya stammt und Arbeit als Verkäuferin bei Cargrill’s Food City gefunden hat, berichtete über die schwierigen Bedingungen ihrer Eltern auf der Plantage, und was es für sie bedeutet hatte, die Schule zu besuchen. „Bis zur Schule mussten wir sechs Kilometer weit zu Fuß gehen. Tausend Rupien am Tag sind das Mindeste. Ich habe zwar die Oberstufe abgeschlossen, aber jetzt arbeite ich als Verkäuferin, um meine Eltern finanziell bei der Ausbildung meines Bruders zu unterstützen.“
Sie fuhr fort: „Bei Cargrill’s ist die Arbeit auch nicht leicht. Wir müssen um sieben Uhr in der Früh im Laden sein. Die Arbeit beginnt um acht und dauert bis fünf Uhr nachmittags. Manchmal müssen wir auch zwei Schichten hintereinander stemmen.“
Prabu aus Biblia sagte, dass zwar keiner seiner Familie, aber seine Vorfahren noch auf einer Plantage gearbeitet hatten. „Deshalb bin ich heute hier, um den Lohnkampf zu unterstützen. Ich arbeite auf einer Baustelle, das ist auch Schwerarbeit, und dafür erhalte ich 1.500 Rupien am Tag. Einen Teil davon schicke ich an meine Familie, der Rest reicht kaum zum Leben.“
Prabu sagte weiter, dass es für die Plantagenarbeiter nicht einmal die einfachsten Sanitäreinrichtungen gebe, geschweige denn angemessenen Wohnraum. „Die Gewerkschaftsführer prahlen, sie hätten Häuser für die Arbeiter gebaut. Dabei handelt sich aber nur um ein paar wenige, die nicht mal über einen Wasseranschluss oder Toiletten verfügen.“ Er ergänzte: „Ich stimme euch zu, dass wir soziale Gleichheit für alle brauchen. Das würde unglaubliche Möglichkeiten eröffnen. Über solche Dinge würden wir gerne sprechen.“
Die „Group 24“ bietet jedoch keine politische Perspektive. Deshalb erblicken bürgerliche Politiker wie Shri Renga (CWC) ihre Chance, die Protestierenden zu spalten und sie für die Regierung des srilankischen Präsidenten Maithripala Sirisena zu gewinnen.
In den letzten Monaten haben die Gewerkschaften die Kämpfe der srilankischen Arbeiter, darunter die der Postarbeiter, Bahnarbeiter und Arbeiter des Wasserverbandes, immer wieder verraten und sie bedrängt, den falschen Versprechungen des Präsidenten zu folgen. Im Wahlkampf versprachen Sirisena und Premierminister Ranil Wickremesinghe den Plantagenarbeitern einen Lohn von 1.000 Rupien, verleugneten dies jedoch, nachdem sie an die Macht gekommen waren. Gleichwohl leiten die Gewerkschaften die Arbeiter immer wieder dazu an, sich hinter die pro-imperialistische Regierung zu stellen, die die Sparmaßnahmen des Internationalen Währungsfonds umsetzt.
Die Organisatoren der Demonstration kündigten an, den Lohnkampf auch in anderen srilankischen Städten bekannt zu machen. Es ist ein positives Zeichen, dass sich junge Demonstranten mit den Arbeitern solidarisieren und ihre Wut gegen die Regierung, die Unternehmen und die Gewerkschaften teilen. Es reicht jedoch nicht aus, um den Kampf der Plantagenarbeiter und der Arbeiter im Allgemeinen zum Sieg zu führen.
In dem Protestaufruf der „Group 24“ heißt es: „Nein zu Politik und nein zu politischen Organisationen.“ Die Organisatoren meinen damit die Parteien und die Gewerkschaften der herrschenden Klasse. Eine generelle Unterbindung von Politik wäre jedoch ein Hindernis im Kampf gegen eben jene arbeiterfeindlichen Organisationen, denn damit würde auch der Aufbau einer wirklichen Führung der Arbeiterlasse behindert. Was die Arbeiterklasse in ihrem Kampf braucht, ist eine sozialistische Perspektive.
Die Socialist Equality Party (SEP) und ihre Jugendorganisation, die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE), verteilten auf der Demonstration Flugblätter sowohl auf Singhalesisch als auch auf Tamilisch, um Jugendliche und die Arbeiterklasse auf die Notwendigkeit des Aufbaus einer revolutionären Partei aufmerksam zu machen.
In dem Flugblatt wurde auf die akute ökonomische, politische und soziale Krise aufmerksam gemacht, und dass die Arbeiterklasse innerhalb des kapitalistischen Systems ihre demokratischen und sozialen Rechte nicht geltend machen kann. Die Plantagenarbeiter werden aufgerufen, flächendeckend Aktionskomitees zu gründen, die demokratisch von Arbeitern geführt werden und von den Gewerkschaften und Parteien der Bourgeoisie unabhängig sein müssen.
Weiter heißt es darin:
„Die Komitees müssen diskutieren und darüber entscheiden, wie hoch der angemessene Lohn ist, für den sie kämpfen. Sie müssen eine Konferenz von Arbeiterdelegierten organisieren, um den Kampf der Plantagenarbeiter zusammenzuschließen und auszuweiten. Es ist absolut notwendig, dass die Arbeiterklasse weltweit gemeinsam kämpft.
Das ist ein politischer Kampf. Die internationale Arbeiterklasse kann ihre Rechte nur unter einer Arbeiter- und Bauernregierung wahrnehmen, wenn sie die Großvermögen, Banken und Unternehmen unter die Kontrolle der Arbeiter stellt und weltweit für Sozialismus kämpft.“