Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) hat vor dem Verwaltungsgericht Berlin Klage gegen das Bundesinnenministerium erhoben, weil das Bundesamt für Verfassungsschutz die Partei in seinem Bericht für 2017 rechtswidrig als „linksextremistisch“ einstuft und geheimdienstlich beobachtet. Die SGP ruft alle Personen, Organisationen und Institutionen, die für demokratische Rechte einstehen, auf, die Klage zu unterstützen und die SGP gegen die Angriffe des Verfassungsschutzes zu verteidigen.
Die Verleumdung der SGP durch den Inlandsgeheimdienst ist der durchsichtige Versuch, jeden einzuschüchtern, der gegen die rechte Gefahr und insbesondere die rechtsextremen Seilschaften im Staatsapparat eintritt. Die SGP ist weder linksextremistisch noch verfassungsfeindlich, sondern revolutionär und sozialistisch. Sie ist Teil der trotzkistischen Weltbewegung und steht konsequent gegen die Rückkehr von Militarismus, Faschismus und Krieg.
Die Nennung und Beobachtung durch den Verfassungsschutz stellt einen massiven Angriff auf die demokratischen Rechte einer Partei dar und ist der erste Schritt zu einem möglichen Verbot. „Mit der Erwähnung einer Person oder eines Personenzusammenschlusses in dem Verfassungsschutzbericht verbindet sich zugleich die Aufforderung an die Öffentlichkeit, diesen Personenzusammenschluss nicht zu unterstützen, ihm nicht beizutreten und dessen Angebote – welcher Art auch immer – nicht anzunehmen“, schreibt der Anwalt der SGP, Dr. Peer Stolle, in der Klage gegen den Verfassungsschutz, die am 24. Januar eingereicht und später auf der WSWS veröffentlicht wurde. Insbesondere in Hinblick auf die bevorstehende Europawahl sei festzustellen, dass die Nennung dazu geeignet sei, „Wahlberechtigte von der Wahl der Klägerin abzuhalten“.
Der Geheimdienst hat keinerlei rechtliche Grundlage für diesen Angriff auf die SGP. Er versucht nicht einmal ansatzweise nachzuweisen, dass die SGP gewalttätig oder verfassungsfeindlich sei. Er bestätigt in seinem Bericht sogar ausdrücklich, dass sie ihre Ziele mit legalen Mitteln verfolgt – dass sie „durch die Teilnahme an Wahlen sowie durch Vortragsveranstaltungen versucht, für ihre politischen Vorstellungen öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen“.
Er begründet die Beobachtung der SGP ausschließlich damit, dass sie ein sozialistisches Programm vertritt, den Kapitalismus kritisiert und die etablierten Parteien sowie die Gewerkschaften ablehnt. Wörtlich heißt es im Verfassungsschutzbericht: „Die Agitation der SGP richtet sich schon in ihrer Programmatik gegen die bestehende, pauschal als ‚Kapitalismus‘ verunglimpfte staatliche und gesellschaftliche Ordnung, gegen die EU, gegen vermeintlichen Nationalismus, Imperialismus und Militarismus sowie gegen die Sozialdemokratie, die Gewerkschaften und auch gegen die Partei DIE LINKE.“
Damit seien die Voraussetzungen für die Nennung im Verfassungsschutzbericht nicht erfüllt, argumentiert Stolle in der Klage. „Weder der ‚Kapitalismus‘, noch die EU, Nationalismus, Imperialismus, Militarismus, die Sozialdemokratie, die Gewerkschaften oder die Partei DIE LINKE sind verfassungsschutzrechtliche Schutzgüter im Sinne des § 4 Abs. 1c) i.V.m. Abs. 2 BVerfschG. Das Streiten für eine demokratisch, egalitäre, sozialistische Gesellschaft steht nicht im Widerspruch mit den zentralen Werten des Grundgesetzes.“
„Auch ist in der Durchführung von Veranstaltungen, der Dokumentation von Berichten und Analysen und der Teilnahme an Bundestags- und Europawahlen kein ziel- oder zweckgerichtetes Verhalten, das auf die Beseitigung oder Umgestaltung der Staats- und Gesellschaftsordnung in Richtung einer mit den Grundprinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbarenden Ordnung abzielt, zu sehen“, heißt es in der Klage weiter.
In Wirklichkeit geht es dem Geheimdienst darum, jede sozialistische Kritik am Kapitalismus zu stigmatisieren und zu illegalisieren. Das macht bereits ein Blick in die Einleitung des Kapitels „Linksextremismus“ im Verfassungsschutzbericht deutlich.
Die „ideologische Grundlage“ von „Linksextremisten“, heißt es dort, „ist die Ablehnung des ‚kapitalistischen Systems als Ganzes‘, denn der ‚Kapitalismus‘ ist für Linksextremisten mehr als nur eine Wirtschaftsform: Er gilt sowohl als Basis als auch als Garant der ‚bürgerlichen Herrschaftsverhältnisse‘ durch ‚Repression‘ nach innen und ‚Aggression‘ nach außen. Der ‚Kapitalismus‘ ist demnach verantwortlich für alle gesellschaftlichen und politischen Missstände wie soziale Ungerechtigkeit, ‚Zerstörung‘ von Wohnraum, Kriege, Rechtsextremismus und Rassismus sowie für Umweltkatastrophen.“
Laut Verfassungsschutz ist eine solche Kritik am Kapitalismus, die Millionen Menschen teilen, ein Angriff auf „unsere Staats- und Gesellschaftsordnung und damit die freiheitliche Demokratie“. Auch wer sich auf „Marx, Engels und Lenin“ als „theoretische Leitfiguren“ beruft oder wer „,revolutionäre Gewalt‘ der ‚Unterdrückten gegen die Herrschenden‘ grundsätzlich für legitim“ hält, ist in den Augen des Verfassungsschutzes ein „Linksextremist“ und „Verfassungsfeind“.
Er knüpft damit an eine Tradition der Unterdrückung sozialistischer Parteien an, die in Deutschland eine lange und verhängnisvolle Geschichte hat. 1878 hatte Bismarck das berüchtigte Sozialistengesetz „gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ erlassen, das die SPD zwölf Jahre lang in die Illegalität zwang. 1933 zerschlug Hitler erst die Kommunistische und anschließend die Sozialdemokratische Partei, um den Weg für die Nazi-Diktatur, den Zweiten Weltkrieg und die Vernichtung der Juden frei zu machen.
Nun bereiten die Große Koalition und ihr Geheimdienst eine dritte Auflage der Sozialistengesetze vor. Sie übernehmen die Politik der Alternative für Deutschland (AfD) und drohen jedem, der sich dieser rechtsextremen Partei entgegenstellt, mit Verbot.
Verfassungsschutz und AfD
Es ist bezeichnend, dass der Verfassungsschutzbericht die AfD im Kapitel „Rechtsextremismus“ mit keiner Silbe erwähnt, obwohl ihre führenden Vertreter regelmäßig gegen Migranten hetzen, Rassismus schüren, die Wehrmacht verherrlichen und den Nationalsozialismus verharmlosen. Auch die Vertreter ihres völkisch-rassistischen „Flügels“, das Netzwerk der Neuen Rechten und die fremdenfeindliche Pegida, die eng mit der AfD verflochten sind, werden im Verfassungsschutzbericht nicht genannt.
Das Kapitel „Linksextremismus“ erwähnt die AfD dagegen mehrmals – als Opfer angeblicher „Linksextremisten“! Wer gegen die AfD und gegen Rechtsextremismus protestiert oder über sie Informationen sammelt, gilt dem Verfassungsschutz als „linksextrem“. Als Beleg für eine „linksextreme“ Gesinnung führt der Bericht Proteste gegen AfD-Parteitage, den „andauernden ‚Kampf‘ gegen Rechtextremisten“ und das Sammeln von „Informationen über vermeintliche oder tatsächliche Rechtsextremisten sowie deren Strukturen“ an.
Große Teile des Verfassungsschutzberichtes lesen sich, als wären sie in der Parteizentrale der AfD verfasst worden – und das nicht zufällig. Inzwischen ist bekannt, dass sich der damalige Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen mehrmals mit Vertretern der AfD getroffen und mit ihnen auch über den Bericht gesprochen hatte. Maßen musste schließlich zurücktreten, weil er eine AfD-Demonstration in Chemnitz, auf der Rechtsextreme Migranten durch die Straßen hetzten und ein jüdisches Restaurant angriffen, öffentlich verteidigte.
Der Verfassungsschutz ist eng mit dem braunen Sumpf vernetzt. Schon vor 15 Jahren hatte das Bundesverfassungsgericht ein Verbot der rechtsextremen NPD mit der Begründung abgelehnt, in ihrer Führung seien derart viele V-Leute des Verfassungsschutzes tätig, dass es sich bei der NPD „der Sache nach um eine Veranstaltung des Staates“ handle.
Auch im engsten Umfeld des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), der neun Migranten und eine Polizistin umbrachte, waren mehrere Dutzend V-Leute des Verfassungsschutzes tätig. Ein Beamter des hessischen Verfassungsschutzes war sogar während eines Mordes am Tatort anwesend, ohne angeblich etwas gemerkt zu haben. Der Thüringer Heimatschutz, aus dem sich die der NSU rekrutierte, wurde nachweislich mit Geldern des Verfassungsschutzes aufgebaut. Auch ein beachtlicher Teil des Führungspersonal der AfD stammt aus den Geheimdiensten, der Justiz, der Polizei und dem Militär.
Verteidigt die SGP
Seit der Verfassungsschutz entschieden hat, die SGP in seinem Bericht zu nennen, gab es mehrere Versuche, ihr Gewalttätigkeit zu unterstellen. Rechtsextreme griffen sie wiederholt an und versuchten, Gewalt zu provozieren, die dann der SGP angelastet werden kann. An der Universität Dresden versuchten Mitglieder der rechtsradikalen Identitären Bewegung und an der Humboldt-Universität Berlin Mitglieder der AfD, Veranstaltungen der SGP-Jugendorganisation zu sprengen. Es folgten tätliche Angriffe auf IYSSE-Mitglieder während des Wahlkampfs zum Studierendenparlament der HU. Als dies nichts fruchtete, verbreiteten unbekannte Täter ein gefälschtes Flugblatt der IYSSE, das zu Gewalt gegen Andersdenkende aufruft. Die IYSSE haben deshalb Anzeige wegen Urkundenfälschung und übler Nachrede erstattet.
Im Gegensatz zu den vom Verfassungsschutz verbreiteten Lügen lehnt die SGP individuelle Gewalt ab und verteidigt uneingeschränkt demokratische Rechte. Die von der Verfassung garantierten Grundrechte – auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, auf Leben und körperliche Unversehrtheit, auf Gleichheit vor dem Gesetz, auf Gewissens-, Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit, auf freie Berufswahl, usw. – bleiben allerdings leere Buchstaben und verkehren sich in ihr Gegenteil, wenn das ökonomische Fundament der Gesellschaft im Würgegriff privater Kapitalbesitzer bleibt. Ein sozialistisches Programm ist die Voraussetzung für die Verwirklichung wirklicher Demokratie.
Als Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale steht die SGP nicht nur in der Tradition des Kampfs gegen den Faschismus, sondern auch gegen den Stalinismus. Die trotzkistische Bewegung hatte in den 1930er Jahren beharrlich gegen den Aufstieg der Nazis gekämpft. Leo Trotzkis Analysen des Nationalsozialismus, seine Warnungen vor seinen Folgen und seine Kritik an der verhängnisvollen Politik der stalinistischen KPD, die sich weigerte, einen Unterschied zwischen der SPD und den Nazis zu machen und für eine Einheitsfront gegen Hitler zu kämpfen, sind bis heute von brennender Aktualität.
Die Trotzkisten wurden deshalb von der Gestapo brutal verfolgt. 1937 verurteilte ein Gericht in Danzig in einem spektakulären Prozess zehn Trotzkisten zu langen Gefängnisstrafen. Zu den trotzkistischen Opfern der Nazis zählt auch Abraham Léon, der Autor einer marxistischen Studie zur jüdischen Frage, der im besetzten Belgien und Frankreich illegale sozialistische Arbeit leistete und in den Gaskammern von Auschwitz ermordet wurde. Dass die trotzkistische Bewegung nun wieder verfolgt wird, und das ausgerechnet nachdem erstmals eine rechtsextreme Partei in den Bundestag eingezogen ist, unterstreicht den gefährlichen Rechtsruck der offiziellen Politik.
Das Vorgehen des Verfassungsschutzes gegen die Sozialistische Gleichheitspartei ist ein fundamentaler Angriff auf demokratische Rechte. Es ist Bestandteil einer Regierungspolitik, die immer offener auf autoritäre Maßnahmen und rechtsextreme Kräfte setzt, um eine Politik des Militarismus, der Staatsaufrüstung und des Sozialabbaus durchzusetzen und Widerstand dagegen zu unterdrücken.
Es erinnert an die Weimarer Republik, in der Geheimdienst, Polizei und Justiz Sozialisten und Kriegsgegner rücksichtslos verfolgten, während sie die Nazis stärkten. Musste Hitler 1923 wegen eines blutigen Putschversuchs neun Monate in Haft, wo er „Mein Kampf“ schrieb, steckte die Justiz den Weltbühne-Herausgeber Carl von Ossietzky wegen Antimilitarismus doppelt so lange ins Gefängnis. Anschließend wurde er zu Tode gefoltert. Als Hitler schließlich durch eine Verschwörung um Reichspräsident Paul von Hindenburg zum Kanzler ernannt wurde, schwenkte der Staatsapparat nahezu reibungslos ins Fahrwasser der Nazis ein.
Die SGP ist ins Fadenkreuz des Verfassungsschutzes geraten, weil sie konsequent ein sozialistisches Programm vertritt und jede Form von Militarismus, Staatsaufrüstung und Fremdenfeindlichkeit bekämpft.
Ihre Kritik am rechtsextremen Historiker Jörg Baberowski, der den Nazi-Apologeten Ernst Nolte verteidigt und Hitler im Spiegel bescheinigte, er sei nicht grausam, löste in den Medien eine hysterische Kampagne aus. Die F.A.Z. beschuldigte die SGP des „Mobbing“ und beklagte sich über ihre „Wirkungsmächtigkeit“. Das Präsidium der Humboldt-Universität stellte sich hinter den rechtsradikalen Professor und erklärte Kritik an ihm für „unzulässig“. Doch inzwischen sind die rechtsextremen Neigungen Baberowskis nicht mehr zu leugnen. Selbst DieZeit hat bestätigt, dasser in Berlin einen Salon gegründet hat, in dem führende Vertreter der AfD und der extremen Rechten verkehren.
Während sich fast alle Medien gegen die SGP stellten und die große Mehrheit der Professoren Baberowski verteidigte oder schwieg, erfuhr die SGP unter Studierenden und Arbeitern große Unterstützung. Die IYSSE erhielten bei den Wahlen zum Studierendenparlament der HU bis zu sieben Prozent der Stimmen. Zahlreiche Asten und andere Studierendenvertretungen solidarisierten sich mit den IYSSE und kritisierten ihrerseits rechte und rechtsextreme Professoren. Darauf reagiert der Verfassungsschutz mit dem Vorgehen gegen die SGP.
Wir verlangen, dass der Verfassungsschutz die Beobachtung der SGP und aller anderen linken Organisationen einstellt. Wir wenden uns an alle, die dem Anwachsen der Rechten entgegentreten wollen, auch an ernsthafte Mitglieder der Linken, der SPD und der Grünen, und rufen sie auf, gegen den Angriff des Verfassungsschutzes zu protestieren, die SGP zu verteidigen und ihren Prozess gegen den Verfassungsschutz durch Spenden zu unterstützen.