Perspektive

Die Kriegsvorbereitungen der USA gegen den Iran und der Konflikt USA-Europa

Während US-Kriegsschiffe Kurs auf den Iran nehmen und das Pentagon den Einsatz von 120.000 Soldaten in der Region vorbereitet, kommt es zu heftigen Konflikten zwischen Washington und der Europäischen Union.

Am Montag tauchte US-Außenminister Mike Pompeo uneingeladen bei einem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel auf und übte Druck auf seine europäischen „Verbündeten“ aus, Washingtons Regime-Change-Politik im Iran zu unterstützen. Am selben Tag berichtete die spanische Presse über ein geheimes Schreiben des Pentagons an die EU-Außenbeauftragte Mogherini, in dem die Pläne zur Aufstellung einer europäischen Armee angeprangert werden. Die Entscheidung, diesen Brief zwei Wochen nach Eingang an die Presse durchsickern zu lassen, war durch die akute Kriegsgefahr bedingt.

In dem Schreiben nimmt das Pentagon kein Blatt vor den Mund. Es äußert seine „tiefe Besorgnis“ über das Projekt einer EU-Armee, warnt vor einem „dramatischen Rückschritt“ in den Beziehungen zwischen den USA und der EU und droht, die Zusammenarbeit mit europäischen Waffenproduzenten einzustellen. Die Pläne der EU, heißt es weiter, seien geeignet, „die angespannten Diskussionen wiederzubeleben, die vor 15 Jahren unsere Kontakte zu europäischen Verteidigungsinitiativen dominierten“. Damals stellten sich Berlin und Paris in den Vereinten Nationen öffentlich gegen die völkerrechtswidrige US-Invasion im Irak.

Diese Äußerungen machen deutlich, dass es bei den Spannungen zwischen den USA und der EU um mehr geht, als das Festhalten der EU am Atomabkommen mit dem Iran von 2015, das die USA vor einem Jahr aufgekündigt haben. Es geht auch nicht nur um die Drohungen Trumps, Zölle auf europäische Automobilausfuhren zu erheben.

Die NATO war eine Säule der Nachkriegsordnung. Sie wurde 1949 gegründet, vier Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, und war gegen die Sowjetunion gerichtet. Heute steht sie vor dem Zerfall, da der Kampf um Märkte, Rohstoffe und strategische Vorteile, der das kapitalistische System im 20. Jahrhundert in zwei Weltkriege stürzte, zwischen den Vereinigten Staaten und den imperialistischen Mächten Europas in aller Heftigkeit wieder aufbricht.

Nachdem die stalinistische Bürokratie die Sowjetunion 1991 aufgelöst hatte, versuchte der US-Imperialismus, seinem wirtschaftlichen Niedergang durch den Einsatz militärischer Stärke entgegenzuwirken. Er brach zahlreiche Kriege vom Zaun, vom Irak bis hin zu Jugoslawien, Afghanistan, Libyen und Syrien. Diese Kriege wurden von den EU-Mächten zum Teil oder geschlossen unterstützt. In den letzten zehn Jahren, seit dem Crash an Wall Street von 2008, hat sich die wirtschaftliche Stellung der USA weiter verschlechtert. Die Gegensätze zwischen der US-amerikanischen und der europäischen imperialistischen Politik lassen sich immer weniger kitten.

Die EU setzt sich zunehmend über lautstark vorgetragene Einwände der USA hinweg. Verschiedene europäische Mächte beteiligen sich an der Infrastruktur-Initiative Belt and Road Initiative (BRI) Chinas in Eurasien, integrieren die chinesische Firma Huawei in die Telekommunikationsnetze der EU und lehnen die Stationierung von US-Atomwaffen in Europa ab, nachdem Washington den INF-Vertrag mit Russland über nukleare Mittelstreckensysteme aufgekündigt hat. Das Pentagon betrachtet diese gemeinsamen politischen Initiativen der EU als Bedrohung für die Hegemonie der USA.

Besonders Deutschland hat seine militärische Zurückhaltung aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg aufgegeben und kehrt zu einer militaristischen Außenpolitik zurück. Eine von Paris und Berlin geführte EU-Armee ist für die US-Strategen ein rotes Tuch. Unter der Überschrift „Die neue deutsche Frage“ schreibt Robert Kagan in Foreign Affairs: „Der Zusammenbruch des europäischen Mächtegleichgewichts trug dazu bei, zwei Weltkriege auszulösen. Mehr als zehn Millionen US-Soldaten kamen über den Atlantik, um in diesen Kriegen zu kämpfen und zu sterben ... Das heutige Europa muss man sich als einen Blindgänger vorstellen, dessen Zünder intakt und funktionsfähig und dessen Sprengstoff noch explosionsfähig ist.“

Aus diesem Grund versucht die Trump-Regierung, die Geopolitik der USA in Eurasien von Grund auf zu reorganisieren. Am Anfang steht ein Krieg und Regimewechsel im Iran. Leo Trotzkis Analyse des US-Imperialismus von 1928 – ein Jahr vor dem Crash an der Wall Street, der die Weltwirtschaftskrise einleitete –, liest sich wie eine Analyse der heutigen Situation:

„Während der Krise wird sich die Hegemonie der Vereinigten Staaten noch viel vollständiger, offener, schärfer und rücksichtsloser auswirken, als während der Aufstiegsperiode. Die Vereinigten Staaten werden versuchen, ihre Schwierigkeiten und Krankheiten auf Kosten Europas zu bekämpfen und zu überwinden, ganz gleich, ob in Asien, Kanada, Südamerika, Australien oder Europa selbst, oder ob auf friedlichem oder kriegerischem Wege.“

Die Welt steht vor einem neuen Vulkanausbruch des US-Imperialismus. Umso wichtiger ist es, den Charakter des herannahenden Kriegs zu verstehen und eine Strategie zu haben, um ihm entgegenzutreten.

Ein US-Krieg gegen den Iran, der doppelt so viele Einwohner wie der Irak und die vierfache Fläche hat, würde zu weitaus größeren Verlusten führen als der furchtbare Angriff auf Bagdad im Jahr 2003, bei dem eine Million irakische Zivilisten starben und Zehntausende Soldaten aus den USA, Großbritannien, Spanien, Italien und anderen NATO-Ländern. Schneller noch als der andauernde Stellvertreterkrieg in Syrien – an dem die USA, die Ölscheichtümer am Persischen Golf, die EU-Mächte, die Türkei, der Iran, Russland und China beteiligt sind – könnte er sich zu einem umfassenden regionalen und globalen Krieg auswachsen. Die Gefahr eines atomaren Schlagabtauschs ist sehr real.

Die wichtigste Aufgabe ist der Aufbau einer internationalen, sozialistischen Antikriegsbewegung in der Arbeiterklasse. Die Kriegsvorbereitungen gegen den Iran finden vor dem Hintergrund eines internationalen Aufschwungs des Klassenkampfs statt, der im Nahen Osten, in Afrika, Lateinamerika, Europa und Amerika zu beobachten ist. In den letzten 18 Monaten gab es Massenproteste iranischer Arbeiter gegen Sozialkürzungen, eine Welle von Lehrerstreiks, die unabhängig von den prokapitalistischen Gewerkschaften in den Vereinigten Staaten organisiert wurden, die Rebellion der Autoarbeiter in Mexiko und die Bewegung der Gelbwesten in Frankreich. Dieser Aufschwung hat sich 2019 mit einem nationalen Lehrerstreik in Polen und massiven Protesten gegen die Regierung in Algerien fortgesetzt.

Diese aufkeimende Bewegung kann sich nur entfalten, wenn sie den Kampf gegen Sozialkürzungen mit Widerstand gegen Militarismus und Krieg verbindet, und zwar auf internationaler Ebene, indem sie die Arbeiterklasse gegen den US- und europäischen Imperialismus vereint.

Als vor der Invasion im Irak 2003 internationale Massenproteste ausbrachen, verbreiteten die Medien und eine Schicht bürgerlicher pseudolinker Parteien die Illusion, dass sich die Demokratische Partei in den USA und der deutsche und französische Imperialismus der Bush-Regierung entgegenstellen würden. Dies hat sich als katastrophaler Trugschluss erwiesen. Der Demokrat Obama hat nicht nur die Kriege in Libyen und Syrien fortgesetzt, sondern auch neue begonnen. Die EU-Mächte haben seither Hunderte Milliarden Euro in ihre eigenen Armeen gepumpt, um mit den USA bei der Ausbeutung der Ressourcen der Welt zu konkurrieren.

Manche Gewissheiten, die in der Nachkriegsordnung gewachsen seien, würden nicht mehr gelten, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Bei Russland und China, aber auch bei den USA sei man aufgefordert, gemeinsame Positionen zu suchen. Merkel erklärte, Deutschland, Frankreich und Großbritannien gingen in der Frage des Iran-Abkommens einen anderen Weg als die USA, und was die Verteidigungszusammenarbeit angehe, so komme man gut voran.

Die Operationen der EU-Mächte sind nicht weniger räuberisch als die des US-Imperialismus. Aus Angst vor einer zunehmenden Gegenwehr der Arbeiterklasse machen sie sich nicht mehr die Mühe, wie 2003 als Gegner der US-Angriffskriege gegen die Vereinten Nationen aufzutreten.

Sämtliche Regierungen der EU greifen soziale Rechte der Arbeiterklasse an, um mehr Geld in den Militärhaushalt zu leiten. Deshalb geht Macron in Frankreich gewaltsam gegen die Gelbwesten vor, und die Große Koalition in Deutschland fördert die neofaschistische AfD und schützt rechtsextreme Professoren, die die Verbrechen Hitlers und des deutschen Militarismus reinwaschen. Das British International Institute for Strategic Studies schätzt, dass Europa, wenn Washington die NATO verlässt, gezwungen sein wird, 110 Milliarden Dollar für die Aufrüstung der Marine und 357 Milliarden Dollar für die Landstreitkräfte auszugeben.

Die entscheidende Aufgabe besteht darin, die neue Bewegung der internationalen Arbeiterklasse mit einem politischen Programm auszustatten, mit dem der Krieg und seine Ursache, das kapitalistische System, bekämpft werden können. In seiner Erklärung von 2016, „Sozialismus und der Kampf gegen Krieg“, skizzierte das Internationale Komitee der Vierten Internationale die prinzipiellen Grundlagen für eine internationale Antikriegsbewegung:

* Der Kampf gegen Krieg muss von der Arbeiterklasse ausgehen, die als revolutionäre gesellschaftliche Kraft alle fortschrittlichen Teile der Bevölkerung hinter sich vereint.

* Die neue Bewegung gegen Krieg muss antikapitalistisch und sozialistisch sein, denn man kann nicht ernsthaft gegen Krieg kämpfen ohne danach zu streben, der Diktatur des Finanzkapitals und dem Wirtschaftssystem, das die Ursache für Militarismus und Krieg bildet, ein Ende zu setzen.

* Aus diesem Grund muss die neue Antikriegsbewegung unbedingt vollkommen unabhängig sein von allen politischen Parteien und Organisationen der Kapitalistenklasse und diese ablehnen.

* Vor allem muss die neue Antikriegsbewegung international sein und dem Imperialismus in einem vereinten globalen Kampf die enorme Kraft der Arbeiterklasse entgegenstellen.

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