Studierende stoppen rechtsradikalen Think-Tank für Diktaturforschung an der Humboldt-Universität

Der rechtsradikale Professor und Osteuropahistoriker Jörg Baberowski ist mit seinem Versuch gescheitert, einen rechten Think-Tank für Diktaturforschung an der Berliner Humboldt-Universität (HU) aufzubauen. Dieser Rückschlag ist das Ergebnis der großen Opposition der Studierenden und der IYSSE, die in den letzten Monaten den rechten Charakter des Projekts offengelegt und dagegen Protest mobilisiert hatten.

Am Dienstag sollte im Akademischen Senat (AS) der HU über die Finanzierung des sogenannten „Interdisziplinären Zentrums für vergleichende Diktaturforschung“ abgestimmt werden. Das Projekt war explizit als „Think-Tank“ geplant und sollte „Diktaturen als alternative Ordnungen“ untersuchen. Doch zu Beginn der Sitzung wurde den Senatsmitgliedern mitgeteilt, dass der Antrag von der Tagesordnung zurückgezogen und das Diktaturen-Zentrum nicht mehr umgesetzt wird.

Das ist nicht nur eine schwere Niederlage für Baberowski und seine Mitstreiter, sondern auch für die Unileitung unter Präsidentin Sabine Kunst (SPD), die das rechte Treiben an der HU mehrfach vehement unterstützt und verteidigt hat. Die Unileitung hatte darauf gesetzt, das Diktaturen-Zentrum still und heimlich hinter dem Rücken der Studierendenschaft und der gesamten Öffentlichkeit zu verabschieden.

Deshalb reagiert sie jetzt empört, dass ihre Hinterzimmerpolitik ans Licht gezerrt und durchkreuzt wurde. Der Pressesprecher der HU, Hans-Christoph Keller, erklärte zwei Tage nach dem Scheitern des Projekts gegenüber der World Socialist Web Site, dass das geplante Zentrum „in den vergangenen Monaten öffentlich und medial breit diskutiert“ worden sei. „Es handelte sich um Debatten, die großteils außerhalb des Akademischen Senats geführt wurden und die teils eine Schärfe angenommen haben, vor deren Hintergrund der Akademische Senat als eigentlich zuständiges Entscheidungsgremium mit der Sache selbst gar nicht mehr befasst werden konnte“, so Keller.

Die teilweise Veröffentlichung und Weitergabe von Gutachten seien von der Unileitung „sehr deutlich missbilligt und kritisiert“ worden. „Angesichts dieser Entwicklungen ist dieser Antrag insgesamt in so schwere Fahrwasser geraten, dass die Fortführung des Prozesses nicht mehr sinnvoll erscheint.“

Keller spricht damit offen aus, was dem Diktaturen-Projekt den Todesstoß gab: die „schweren Fahrwasser“ einer öffentlichen und kritischen Diskussion. Die ganze Ausrichtung des Think-Tanks war so eindeutig rechts und autoritär, dass er aus Sicht der Unileitung eigentlich unter Verschluss hätte bleiben müssen.

Baberowski hatte den Antrag erstmals am 15. Januar auf die Tagesordnung des AS gesetzt. Er hatte darin angekündigt, Diktaturen als legitime und attraktive Alternative zur Demokratie betrachten und „wertfrei“ untersuchen zu wollen. Weiter bezeichnete er Diktaturen als „Ordnungen, die nicht allein auf Unfreiheit, Gewalt und Unterdrückung beruhen,“ sondern „Konfigurationen des politisch Möglichen“ darstellen, „die verstanden werden müssen“. Sie seien in der Moderne schon immer Alternativen gewesen, „die unter bestimmten Umständen an Attraktivität gewannen“.

Weiter hieß es im Antrag: „In manchen Ländern konnten Bürger tatsächlich ideell oder materiell von ihnen profitieren, weil unter prekären Verhältnissen offene Gesellschaften nicht leisten können, was Diktaturen unter anderen Umständen gelingt.“

Das Zentrum war ausdrücklich als „Think-Tank“ geplant und sollte das Ziel verfolgen, „der Politik Angebote zu machen, die im Alltag der Entscheidungsfindung Verwendung finden können“.

Die IYSSE schrieben dazu in ihrem Protest-Aufruf: „Mit anderen Worten: Baberowski, der für seine Verharmlosung der Nazis (‚Hitler war nicht grausam‘) und seine Hetze gegen Geflüchtete (‚Merkel muss die Grenzen dicht machen‘) berüchtigt ist, will die politischen Entscheidungsträger beraten, wie die wachsende Opposition gegen Rechtsruck, Militarismus und soziale Ungleichheit unterdrückt werden kann.“

Schon im Januar hatte Baberowski versucht, sein rechtes Projekt klammheimlich durchzudrücken. Doch im Vorfeld war der Antrag auf breite Kritik gestoßen – sowohl im Begutachtungsprozess, wo er von zwei von vier Fachgutachtern verrissen wurde, als auch unter Studierenden. Vor der AS-Sitzung hatte ein studentischer Vertreter Auszüge der Unterlagen auf Twitter gepostet und kritisch kommentiert. Die IYSSE hatten ein Statement mit dem Titel „‚Diktaturen als alternative Ordnungen?‘ – Nicht mit uns!” auf ihrer Homepage gepostet und die Frage zum Thema im StuPa-Wahlkampf gemacht. Auch die taz griff das Thema auf und publizierte einen kritischen Artikel.

Darauf reagierte Baberowski wie üblich mit aggressiven verbalen Attacken und Beleidigungen, flankiert von mehreren rechten Medien wie dem Magazin Cicero, der Frankfurter Allgemeine Zeitung und der Welt, die Baberowski schon mehrfach aufs Schild gehoben hatten.

Aus Angst, dass die breite Kritik das Projekt zu Fall bringen könnte, wurde der Antrag vorerst von der Agenda des AS genommen und vertagt. Die Universitätspräsidentin griff stattdessen den Studierenden an, der Teile der Dokumente veröffentlicht hatte, und machte den Vorschlag, den Zugang zu Sitzungsunterlagen im AS künftig stärker einzuschränken und so eine öffentliche Debatte von vornherein zu verhindern.

Das Studierendenparlament antwortete auf dieses autoritäre Vorgehen am 25. April mit einer starken Resolution, die die Angriffe der Unileitung verurteilte und das geplante Diktaturen-Zentrum ablehnte. „Es geht hier nicht um die wissenschaftliche Erforschung von Diktaturen, sondern um die Legitimation autoritärer Herrschaft“, heißt es darin. Der Beschluss wurde fast einstimmig verabschiedet.

Gegen den ausdrücklichen Willen der Studierendenschaft wurde der Diktaturen-Antrag dennoch erneut auf die Tagesordnung des AS gesetzt – diesmal am 18. Juni. In den Wochen zuvor hatte Baberowski Rückendeckung aus Politik und Medien erhalten. Im Namen der „Meinungsfreiheit“ stellte sich Wissenschaftsministerin Anja Karliczek (CDU) in einer offiziellen Erklärung des Bildungsministeriums hinter den rechtsradikalen Professor. In dasselbe Horn blies Peter-André Alt, der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz und frühere Präsident der Freien Universität, der Baberowski in der Berliner Zeitung als Opfer „fundamentalistischer Studierendengruppen“ darstellte. Das Wochenmagazin Cicero widmete der Hetze gegen linke Studenten und der Verteidigung von Baberowski und seinem Kollegen Herfried Münkler sogar seine Titelstory.

Doch die Opposition gegen den Think-Tank erwies sich als stärker als die rechte Propagandaoffensive. Die IYSSE verbreiteten Hunderte Flugblätter und Plakate und riefen die Studierenden zum Protest gegen das Diktaturen-Zentrum auf. Der RefRat (AStA der HU) informierte die Presse über die Abstimmung, verwies auf die Kritik der Studierenden und warnte: „Prof. Baberowski soll ein Institut erhalten, das die Verharmlosung des Nationalsozialismus forciert.“

Baberowskis akademische Rechtfertigung von Diktaturen geht Hand in Hand mit der rechtsextremen Agenda, die er politisch verfolgt. Im Buch „Das Netzwerk der Neuen Rechten“ identifizieren die Zeit-Autoren Christian Fuchs und Paul Middelhof Baberowski als Initiator eines rechtsradikalen Gesprächskreises, zu dem neben dem sozialdemokratischen Rassisten Thilo Sarrazin auch rechtsradikale Publizisten wie Dieter Stein (Junge Freiheit), Karlheinz Weißmann (Cato) und Frank Böckelmann (Tumult) gehören.

Welche Konsequenzen die rechtsradikale Ideologie und Hetze aus dem Umfeld Baberowskis hat, zeigt aktuell der Mord am CDU-Politiker Walter Lübcke, der mit Drohungen überhäuft wurde, nachdem er sich auf einer öffentlichen Veranstaltung im Herbst 2015 für die Aufnahme von Flüchtlingen ausgesprochen hatte. Zu den geistigen Brandstifterinnen, die die Stimmung gegen Lübcke anheizten, zählt die frühere CDU-Politikerin und Präsidentin des Bundes der Vertriebenen Erika Steinbach, die inzwischen die Desiderius-Erasmus-Stiftung der AfD leitet. Sie postete im Frühjahr mehrere Angriffe auf Lübcke und löschte auch Kommentare lange nicht von ihrer Seite, die ihm offen mit Mord drohten.

In ihrer Hetzkampagne stützte sich Steinbach auch auf die flüchtlingsfeindlichen Tiraden ihres Facebook-„Freundes“ Baberowski. Bereits im März 2016 bemerkte die Welt in einem Artikel mit dem Titel „Steinbachs verstörende Wutbürgerei auf Twitter“, dass Steinbach einen Kommentar des Humboldt-Professors „mit dem Ausruf ‚Sehr gut!‘“ empfohlen hatte. Darin stand: „Die Bundeskanzlerin hat sich über die Verfassung hinweggesetzt, sie hat das Parlament entmachtet, Deutschland in Europa isoliert, und sie überlässt es dem türkischen Selbstherrscher Erdoğan, darüber zu entscheiden, wie viele Einwanderer nach Deutschland kommen werden.“

Wegen seiner rechten, flüchtlingsfeindlichen Hetze ist Baberowski auch von gewalttätigen Neonazi-Kreisen gelobt worden, darunter von der mittlerweile nur noch im Darknet verfügbaren US-Website The Daily Stormer.

Bereits 2015 hatte Baberowski rechtsterroristische Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte als „natürliche“ Reaktion besorgter Bürger dargestellt. In der Sendung „Kulturzeit“ auf die Brandanschläge angesprochen sagte er: „Überall da, wo viele Menschen aus fremden Kontexten kommen und die Bevölkerung nicht eingebunden wird in die Regelung all dieser Probleme, kommt es natürlich zu Aggressionen.“ Schließlich verharmloste er die Nazi-Übergriffe und erklärte: „Ich glaube angesichts der Probleme, die wir in Deutschland haben mit der Einwanderung, die jetzt gerade stattfindet, ist das ja noch eher harmlos, was wir haben.“

Auch vor dem Hintergrund derartiger Aussagen ist Kellers Statement im Namen der Universitätsleitung ein Skandal. Obwohl die gefährlichen Implikationen der rechtsradikalen Machenschaften um Baberowski nicht mehr zu leugnen sind, richtet die Universitätsleitung ihr Feuer gegen die Studierenden, die sie aufdecken und bekämpfen. Daraus gilt es die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen. 

Die Entwicklungen an der HU und die Unterstützung für Baberowski von höchsten Stellen und zahlreichen Medien zeigen, wie weit der Rechtsruck der herrschenden Klasse fortgeschritten ist. Um die Rückkehr von Diktatur und Faschismus zu stoppen, brauchen Arbeiter und Studenten vor allem eine klare politische Perspektive, die sich gegen die Wurzeln dieser Übel richtet: das kapitalistische System. Die rechte Gefahr kann nur auf der Grundlage eines sozialistischen Programms bekämpft werden. Wir rufen alle Jugendlichen und Studierenden auf, sich dem Kampf anzuschließen undMitglied bei den IYSSE zu werden.

Loading