Eine Woche nach Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat auch die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer eine massive Ausweitung deutscher Kriegseinsätze angekündigt.
In einer Grundsatzrede vor dem – wie sie es nannte – „Führungsnachwuchs unserer Bundeswehr“ an der Münchner Bundeswehruniversität erklärte die amtierende Verteidigungsministerin am Donnerstag, es bestehe „breite Übereinstimmung, dass Deutschland angesichts der strategischen Herausforderungen aktiver werden“ und „mehr tun“ müsse, „um unsere Werte und Interessen zu schützen“.
Wie bereits Schäuble in seinem Adenauer-Vortrag verzichtete Kramp-Karrenbauer auf die üblichen humanitären Floskeln, um Kriegseinsätze zu rechtfertigen, und begründete sie mit den strategischen und wirtschaftlichen Interessen des deutschen Imperialismus.
„Ein Land unserer Größe und unserer wirtschaftlichen und technologischen Kraft, ein Land unserer geostrategischen Lage und mit unseren globalen Interessen,“ sagte sie, „das kann nicht einfach nur am Rande stehen und zuschauen, nicht einfach nur abwarten, ob andere handeln… Wir müssen selbst Vorschläge machen, Ideen entwickeln, Optionen vorstellen. Wir Deutschen haben eine Pflicht und vor allem ein Interesse, uns in diese internationalen Debatten einzubringen, sie voranzutreiben.“
„Mehr Verantwortung übernehmen“, betonte die Verteidigungsministerin, das „heiße zunächst einmal, dass Deutschland zu allen Fragen, die seine strategischen Interessen betreffen, eine Haltung entwickeln muss. Denn natürlich hat Deutschland wie jeder Staat der Welt eigene strategische Interessen. Zum Beispiel als global vernetzte Handelsnation im Herzen Europas. Wir vertreten jeden Tag unsere Interessen. Aber wir müssen endlich anfangen, das zuzugeben.“
„Damit aus Haltung und Interesse Wirklichkeit werden kann“, fuhr Kramp-Karrenbauer fort, „müssen wir aber auch etwas tun und Initiative ergreifen“. Dazu gehöre auch, „unseren gegenwärtigen sicherheitspolitischen Status quo zu hinterfragen“, sowie die Bereitschaft, „das Spektrum militärischer Mittel wenn nötig auszuschöpfen“.
Schlachtfeld künftiger Kriegseinsätze ist für Kramp-Karrenbauer die ganze Welt. Als Beispiel nannte sie neben den bisherigen Einsatzorten Afghanistan und Mali den Indo-Pazifischen Raum, wo sich „unsere Partner – allen voran Australien, Japan und Südkorea, aber auch Indien – von Chinas Machtanspruch zunehmend bedrängt“ fühlen. Es sei an der Zeit, dass Deutschland „ein klares Zeichen der Solidarität“ setze, „indem wir mit unseren Verbündeten Präsenz in der Region zeigen“.
Die Verteidigungsministerin ist bereit, für ihre militärischen Großmachtpläne zahlreiche Soldatinnen und Soldaten in den Tod zu schicken. „Ich weiß genau, wie viele unserer Soldaten beim ISAF-Einsatz [in Afghanistan] getötet und verletzt worden sind“, sagte sie in München.
In der Süddeutschen Zeitung, der sie zum selben Thema ein ausführliches Interview gab, wurde Kramp-Karrenbauer noch deutlicher. Auf die Bemerkung, bei der Verwirklichung ihrer Pläne kämen „Soldaten wieder häufiger in Zinksärgen zurück“, antwortete sie: „Jeder Einsatz ist gefährlich“ – und plädierte im selben Absatz für eine Erweiterung des gefährlichen Einsatzes in der Sahelzone.
Um künftige Kriegseinsätze effektiver zu gestalten, schlägt die Verteidigungsministerin den Aufbau eines Nationalen Sicherheitsrats vor, der „die verlässliche Koordination unserer strategischen Instrumente gewährleistet“, „Diplomatie, Militär, Wirtschaft und Handel, Innere Sicherheit und Entwicklungszusammenarbeit“ zusammenbringt und „unsere Beiträge zur internationalen Krisenbewältigung schneller und effektiver zur Wirkung“ bringt.
Um ihre Pläne zu verwirklichen, will Kramp-Karrenbauer die Militärausgaben massiv in die Höhe schrauben. „Wir haben für das nächste Jahr zum ersten Mal die Schallmauer von 50 Milliarden durchbrochen“, jubelte sie. „Das ist eine enorme Leistung. Aber das reicht noch nicht aus, denn wir brauchen die Steigerung auf 1,5% des BIP bis 2024 und 2% bis spätestens 2031.“ Das entspräche einer Summe von etwa 90 Milliarden Euro.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Als der Bundespräsident und zwei Minister der Bundesregierung im Februar 2014 auf der Münchner Sicherheitskonferenz das Ende der militärischen Zurückhaltung verkündeten, hatte die WSWS gewarnt, die herrschende Klasse Deutschlands kehre zu ihren verbrecherischen militaristischen Traditionen zurück. „Der deutsche Imperialismus zeigt sich wieder so, wie er historisch entstanden ist. Er drängt nach Osteuropa, in die Gebiete der ehemaligen Sowjetunion und knüpft an seine Kolonialpolitik in Afrika an“, schrieben wir damals.
Kramp-Karrenbauer hat die Korrektheit dieser Warnung jetzt bestätigt. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung beruft sie sich direkt auf die damaligen Aussagen. „Wir haben 2014 auf der Münchner Sicherheitskonferenz einen Konsens erreicht“, sagt sie. „Damals haben Joachim Gauck als Bundespräsident, Frank-Walter Steinmeier als Außenminister und Ursula von der Leyen als Verteidigungsministerin unisono gesagt: Deutschland muss mehr Verantwortung übernehmen.“
Seither sind die Militärausgaben massiv erhöht, deutsche Truppen an der russischen Grenze stationiert, die Auslandseinsätze der Bundeswehr auf Irak, Syrien und Mali ausgeweitet und die rechtsextreme AfD aufgebaut worden, um die Kriegspolitik gegen die enorme Opposition in der Bevölkerung durchzusetzen. Seit2017 wird die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) offiziell vom Verfassungsschutz mit der Begründung beobachtet, sie streite „für eine demokratische, egalitäre, sozialistische Gesellschaft“ und agitiere „gegen angeblichen ‚Imperialismus’ und ‚Militarismus’“.
Doch für Kramp-Karrenbauer ist das bei Weitem nicht genug. „Wir sind den Erwartungen, die wir in München geweckt haben, bisher nicht immer gerecht geworden“, fährt sie fort. „In einer Zeit, in der sich die Vereinigen Staaten zurückziehen, sind wir stärker gefordert. In den vergangenen Jahren haben wir oft nicht aktiv genug gehandelt.“ Deutschland dürfe nicht nur eingreifen, wenn es gefragt werde, sondern müsse „selbst die Initiative ergreifen, Impulse setzen“ und „bereit sein, die damit verbundenen Kosten zu tragen – finanziell, politisch und moralisch“.
Die CDU-Vorsitzende kann sich der Unterstützung aller anderen Bundestagsparteien – von der AfD bis zur Linken – sicher sein, die die Rückkehr des deutschen Militarismus alle unterstützen. Nur die SGP tritt dieser gefährlichen Entwicklung entgegen und bewaffnet Arbeiter und Jugendliche mit einem internationalen sozialistischen Programm. Eine Wiederholung der Verbrechen und Katastrophen der Vergangenheit kann nur durch den Aufbau einer unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse verhindert werden, die den Kampf gegen Krieg mit dem Kampf gegen seine Ursache, den Kapitalismus, verbindet.