IG Metall bereitet massiven Arbeitsplatzabbau und Lohnkürzungen vor

Die IG Metall bereitet sich darauf vor, gemeinsam mit den Unternehmen in der Metall- und Elektroindustrie den Abbau von Hunderttausenden Arbeitsplätzen durchzusetzen. Vor allem die Autohersteller sind betroffen.

Gewerkschaft und Wirtschaft nutzen die Corona-Pandemie, um durch massive Angriffe auf die Belegschaften im sich zuspitzenden internationalen Handelskrieg zu bestehen. Nachdem die Bundesregierung die erste Welle der Pandemie genutzt hat, um der Wirtschaft über eine Billion Euro zuzuschieben, hat man in den letzten Wochen schwer daran gearbeitet, die Arbeiter wieder zurück an die Arbeit zu schicken, damit die Profite wieder sprudeln.

Diesem Zweck dient auch die Rückkehr der Schulen zum uneingeschränkten Präsenzunterricht, die inmitten des Beginns einer zweiten Infektionswelle nur als kriminelles Experiment der Herdenimmunität bezeichnet werden kann. Dieselbe rücksichtslose Unterordnung von Leben und Gesundheit unter die Profitinteressen der Konzerne prägt auch die Haltung der IG Metall.

Bereits am 22. Juli hatte IG-Metall-Vorstand Jürgen Kerner im Club Wirtschaftspresse München angekündigt, er und seine Gewerkschaft gingen davon aus, dass die Unternehmen allein in der Metallindustrie rund 300.000 Arbeitsplätze streichen würden. Der größte Abbau sei in der Automobilsparte samt Zulieferern zu erwarten. Ein weiteres Beispiel sei die Luftfahrtindustrie mit Airbus samt den Zulieferfirmen. Der Hauptkassierer der IG Metall deutete an, dass auch die Stahlindustrie vor einem massiven Arbeitsplatzabbau stehe.

Wenn Kerner behauptet, es gehöre „zu den Kernaufgaben einer Gewerkschaft, um Arbeitsplätze zu kämpfen und auch Zukunft zu gestalten“, sollten Arbeiter gewarnt sein. In den letzten Jahrzehnten war es die Kernaufgabe der IG Metall, den Abbau von Hunderttausenden Arbeitsplätzen und die Schließung von Werken gegen den Widerstand der Belegschaften durchzusetzen. Das ist jetzt nicht anders.

Das langjährige SPD-Mitglied Kerner weiß genau, dass die Corona-Krise als Grund für den drohenden Abbau von 300.000 Arbeitsplätzen vorgeschoben ist. Er sitzt im Aufsichtsrat von sieben Großunternehmen – der Siemens AG, der Traton AG und der Airbus Operations GmbH. Bei der Thyssenkrupp AG, der MAN SE, bei MAN Truck & Bus und der Premium Aerotec GmbH ist er sogar stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender. Neben seinem sechsstelligen Jahresgehalt als Gewerkschaftsfunktionär kann er weitere Hunderttausende durch seine Aufsichtsratsposten einstreichen.

Der Gewerkschafter kennt die Gründe der Konzerne für den angekündigten Jobabbau sehr genau. Dass dieser „keineswegs nur eine Folge der Pandemie“ ist, gab selbst Kerner zu. „Ein Großteil der 300.000 ist Optimierung der Unternehmen unter dem Deckmantel Corona“, sagte er. Viele Pläne lagen schon vor der Pandemie in der Schublade.

Tatsächlich haben fast alle großen Autohersteller schon im letzten Jahr einen massiven Arbeitsplatzabbau aufgrund der Digitalisierung und Elektrisierung der Fahrzeuge angekündigt. In diesem Jahr sind die Zahlen nun konkretisiert worden. Daimler baut 30.000 Stellen ab, Volkswagen 20.000, die VW-Tochter Audi 10.000, BMW 16.000, Opel mehrere Tausend. Der größte Autozulieferer ZF Friedrichshagen baut 15.000 Jobs ab, Bosch und Schaeffler jeweils mindestens 2000. Hunderte von kleineren Zulieferern streichen zigtausende Stellen.

Auch die Stahlindustrie, die einer der großen Rohstofflieferanten für die verarbeitende Industrie ist, steht vor einem gewaltigen Abbau von Arbeitsplätzen. Thyssenkrupp hat den Verkauf oder die Schließung des Grobblechwerks in Duisburg und der Werke, die Federn und Stabilisatoren für die Autoindustrie produzieren, angekündigt. Outokumpu schließt seine Standorte in Wilnsdorf und in Heidenheim.

Diese Entwicklung ist international. Airbus, zu dessen Konzernspitze IGM-Kassierer Kerner über seinen Aufsichtsratsposten exzellenten Kontakt hält, will europaweit 15.000 Jobs vernichten. Renault will 15.000 Stellen, Nissan 20.000 Stellen abbauen. Der japanische Autoproduzent Mitsubishi erwägt, sich ganz aus Europa zurückzuziehen.

Albert Waas, Analyst von Boston Consulting, erklärt im Handelsblatt, in Europa seien „absehbar fünf bis zehn Prozent zu viel Produktionskapazität im Markt“. In der EU arbeiten rund 3,7 Millionen Menschen direkt und indirekt in der Autoindustrie, davon in Deutschland 820.000.

Und diese Entwicklung ist auch nicht auf die Metall- und Elektroindustrie beschränkt. Es gibt keinen Wirtschaftszweig, der nicht Entlassungen und Arbeitsplatzabbau angekündigt hat, allen voran die Fluggesellschaften, Reiseveranstalter und der Einzelhandel.

In den heraufziehenden Klassenauseinandersetzungen stehen die Gewerkschaften an der Seite ihrer jeweiligen Unternehmen und Regierungen. Sie arbeiten die Mechanismen aus, mit denen der Arbeitsplatzabbau und bislang kaum vorstellbare Lohnkürzungen durchgesetzt werden.

So arbeitet der Outokumpu-Betriebsrat gerade Lohnkürzungen aus, die teilweise bis zu 700 Euro im Monat ausmachen sollen, damit angeblich Arbeitsplätze gerettet werden.

Dieses Muster, unter der Drohung von Arbeitsplatzabbau die Löhne drastisch zu kürzen, hat Kerner auch für die kommenden Tarifverhandlungen angedroht: Der „Kampf um Arbeitsplätze“ solle auch mit den Tarifrunden am Jahresende im Metall-, Elektrik- und im Stahlbereich verknüpft werden.

Bis dahin wird die IG Metall die Mechanismen ausgearbeitet haben, um Lohnkürzungen als „Erfolg“ zu preisen, weil damit betriebsbedingte Kündigungen verhindert und weniger Arbeitsplätze als ursprünglich angekündigt abgebaut würden. Das alles ist in den Aufsichtsräten, wo Konzern- und Gewerkschaftsvertreter eng zusammenarbeiten, von langer Hand vorbereitet worden. Doch angesichts des Ausmaßes der bevorstehenden Angriffe besteht die IG Metall darauf, dass der Staat erneut im Interesse der Unternehmen interveniert.

Zum einen fordert die IG Metall, weitere Milliarden für die Unternehmen – getarnt als Förderung umweltfreundlicher Produkte. Kerner erklärte, die Unternehmen müssten mit staatlicher Hilfe am Laufen gehalten werden, dazu gebe es keine sinnvolle Alternative. Der Staat solle etwa „grünen Stahl“ (mit Wasserstoff statt Koks produziert) und wasserstoffgetriebene LKWs subventionieren, um diese „marktfähig“ zu machen.

Gleichzeitig verlangt die IG Metall die Verlängerung der aktuellen Kurzarbeiterregelungen, um Zeit zu gewinnen und die Angriffe auf die Belegschaften über das gesamte nächste Jahr strecken zu können.

Nach den aktuellsten Zahlen befanden sich im Mai 6,7 Millionen Arbeiter in Kurzarbeit. Die meisten von ihnen erhalten dann 60 % (Eltern 67 %) des letzten Nettolohnes und haben dementsprechend hohe Lohneinbußen. Einige Großbetriebe und öffentliche Unternehmen stocken dieses Kurzarbeitergeld auf ca. 80 % auf, was immer noch einer 20-prozentigen Lohnkürzung entspricht. Die im April von der Bundesregierung beschlossene Erhöhung des Kurzarbeitergeldes ist eine Mogelpackung und kommt nur wenigen zugute.

Die aktuellen Kurzarbeiterregelungen laufen im März 2021 aus. Die IG Metall und andere Gewerkschaften fordern eine Verlängerung bis März 2022. Am letzten Sonntag hatte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Reiner Hoffmann in einem Interview mit der Bild-Zeitung diese Forderung einmal mehr erhoben. Die aktuelle Krise treffe „uns zu einer Zeit, in der viele Kernbranchen wie etwa die Autoindustrie eh schon unter starkem Veränderungsdruck standen und die internationalen Beziehungen extrem angespannt sind“, sagte Hoffmann.

„Veränderungsdruck“ und „extrem angespannte internationale Beziehungen“ sind die euphemistischen Umschreibungen für den sich verschärfenden Konkurrenzkampf auf dem Weltmarkt, den die Regierungen vor allem mit Zöllen und Wirtschaftssanktionen führen, die Unternehmen und Gewerkschaften mit Kostensenkungen auf dem Rücken der Belegschaften.

So schlägt der Aufsichtsrat und Betriebsratschef im Daimler-Stammwerk in Stuttgart-Untertürkheim vor, den Abbau von tausenden Stellen auf Kosten der Beschäftigten in der Zulieferindustrie zu verhindern. „Wir können sogar mit mehr Personal an Bord die Kosten drücken“, beschreibt er dies im Handelsblatt. „Wie? Ganz einfach: Indem wir bestimmte Tätigkeiten, die wir für viel Geld ausgelagert haben, wieder selbst machen.“

Auch bei BMW drängt der Betriebsrat, ausgelagerte Fertigungen zu senken, etwa bei Nedcar in den Niederlanden. Ginge es nach den Betriebsräten, soll die geplante Daimler-Fabrik in Ungarn genauso wie die VW-Fabrik in der Türkei nicht gebaut werden.

VW-Gesamtbetriebsratschef Bernd Osterloh fordert angesichts einer nur 50-prozentigen Auslastung des Stammwerks in Wolfsburg, der größten europäischen Autofabrik, dort ein weiteres Modell zu produzieren. Das würde dann zwingend irgendwo anders nicht gebaut.

In der Konsequenz bedeutet dies: Die Arbeitsplätze sollen in anderen Ländern, aber nicht in Deutschland abgebaut werden. Wenn Gewerkschaftsvertreter wie Kerner nun nach dem Staat rufen, weil der Jobabbau Wasser auf die Mühlen der Rechten sei, ist das eine Verdrehung der Tatsachen. Die IG Metall ist mit ihrer nationalen Spaltung der Arbeiterklasse und den ständigen Kürzungen Brutstätte und Ursache für den Aufstieg der Rechten.

Die nationalistische und korporatistische Politik ist die Reaktion der Gewerkschaften auf die globale Krise des kapitalistischen Systems. Arbeiter in Deutschland, Europa und der Welt können dagegen nur einen Schritt nach vorne machen, indem sie sich im Kampf für ihre Arbeitsplätze und Löhne unabhängig in Aktionskomitees organisieren, sich international zusammenschließen und für ein sozialistisches Programm eintreten, das die gesellschaftlichen Interessen über die Profitinteressen der Wirtschaft stellt.

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