Die politische Krise auf den Philippinen ist sehr weit fortgeschritten. Die Wut der Massen wegen der katastrophalen sozialen Bedingungen wird durch die Covid-19-Pandemie erheblich gesteigert. Gleichzeitig kommen Machenschaften innerhalb rivalisierender Teile der Elite ans Licht, Präsident Rodrigo Duterte abzusetzen. Zurzeit wird offen über die Möglichkeit eines konstitutionellen Staatsstreichs diskutiert, wobei man ihm die Unterstützung des Militärs entziehen und stattdessen Vizepräsidentin Leni Robredo einsetzen würde.
Duterte trat sein Amt 2016 an und erhielt mehr Unterstützung aus den wohlhabendsten Schichten der philippinischen Gesellschaft als jeder andere Kandidat. Eine deutliche Mehrheit der Mittelschicht, des gehobenen Kleinbürgertums und der Oberschicht stimmte laut Umfragen für Duterte. Diese Gesellschaftsschichten waren von Dutertes Agenda für Recht und Ordnung begeistert, einschließlich seines Versprechens, die Armen durch einen „Krieg gegen Drogen“ gewaltsam zu unterdrücken. Seine rechte, faschistische Rhetorik fand bei ihnen Anklang als Mittel, um das Entstehen sozialer Unruhen zu verhindern, die ihre Eigentumsinteressen gefährden würden.
Nach der Wahl, zum Zeitpunkt seiner Amtseinführung, hatte Dutertes eigene Partei nur sehr wenig Einfluss im Parlament. Er wurde von einer beispiellosen parlamentarischen Super-Mehrheit unterstützt, die fast alle Parteien der Elite des Landes umfasste.
Duterte erhielt auch die begeisterte Unterstützung der nationalen demokratischen Bewegung, des breiten Spektrums an Parteien und branchenspezifischen Organisationen, die der politischen Linie der Stalinistischen Kommunistischen Partei der Philippinen (KPP) folgen. Die Makabayan-Koalition, die parlamentarische Dachorganisation der nationalen demokratischen Bewegung, sagte Duterte ihre Unterstützung zu und trug zu seiner Super-Mehrheit bei.
Dass sich nun ein erheblicher Teil der herrschenden Elite gegen Duterte wendet, ist auf zwei grundlegende Entwicklungen zurückzuführen.
Erstens: Um den bekanntermaßen schlechten Zustand der philippinischen Infrastruktur zu entwickeln, der die Expansion von Kapitalinvestitionen lange Zeit gehemmt hat, hat sich Duterte an China gewandt, um Darlehen zur Finanzierung seines „Aufbau, Aufbau, Aufbau“-Programms zu erhalten. Die aggressiven Aktionen Washingtons gegen Peking im Südchinesischen Meer und in der gesamten Region haben es jedoch unmöglich gemacht, den US-Imperialismus zu besänftigen und die Beziehungen zu China zu verbessern. Duterte hat deshalb den philippinischen Anspruch auf die umstrittenen Gewässer im Südchinesischen Meer heruntergespielt und die Beteiligung an einigen der aggressivsten US-Militärmanöver in der Region beendet.
Die Philippinen waren 50 Jahre lang eine Kolonie des US-Imperialismus, und die politische und wirtschaftliche Macht der Elite wurde um die wirtschaftlichen Interessen ihres ehemaligen Kolonialherrn herum aufgebaut. Als Duterte die Ausrichtung der philippinischen Außenpolitik neu bestimmte und sich von Washington abwandte, reagierte derjenige Flügel der herrschenden Elite, die besonders eng mit Washington verbunden war, zunehmend unzufrieden.
Zweitens: Trotz seines faschistischen Kriegs gegen Drogen und der Verhängung des Kriegsrechts auf der südlichen Insel Mindanao hat sich Duterte als unfähig erwiesen, die wachsende Flut sozialer Unruhe einzudämmen. Der Zorn der Massen über die Ungleichheit und die gefühllose Gleichgültigkeit des Staates gegenüber den immensen Leid der Bevölkerung unter Bedingungen der Pandemie haben ein soziales Pulverfass geschaffen. Die Opposition in der herrschenden Klasse will die Macht des Staates unter einer scheinbar kompetenteren Führung stärken, indem sie den zunehmend verabscheuten Duterte absetzt.
Diese Bedenken werden zweifellos von Teilen der militärischen Führungsspitze geteilt. Das philippinische Militär wurde von Grund auf von Washington aufgebaut, und viele seiner Führungskräfte haben ihren Abschluss in West Point gemacht oder eine Ausbildung in Annapolis erhalten. Ihre Loyalität gilt letztlich Washington. Teile des Offizierskorps haben in den letzten 30 Jahren immer wieder bewiesen, dass sie bereit sind, einen Staatsstreich zu wagen, wenn sie mit der Politik der Zivilregierung nicht einverstanden sind.
Im Zentrum der politischen Krise steht Vizepräsidentin Leni Robredo, ein führendes Mitglied der oppositionellen Liberalen Partei. Die philippinische Verfassung schreibt vor, dass der Präsident und der Vizepräsident nicht auf der Grundlage einer Parteiliste sondern in Direktwahl gewählt werden. Der Vizepräsident wird fast immer zum politischen Rivalen des Präsidenten, und in Zeiten von Unruhen richtet sich der Fokus der Parteien der Elite auf die Amtsenthebung des Präsidenten und die Einsetzung des Vizepräsidenten durch einen konstitutionellen Staatsstreich.
Duterte ist in die Offensive gegangen. Er hat ABS-CBN, das größte Medienunternehmen des Landes, das Fernseh- und Rundfunksender betreibt, stillgelegt und sich geweigert, seine Lizenz zu verlängern. Der Sender, der mit der politischen Opposition verbunden ist, erhielt Ende Mai eine Unterlassungsanordnung und wurde gezwungen, alle Sendungen einzustellen.
Die Pro-Robredo-Fraktion versucht, auf dem historischen Präzedenzfall aufzubauen, der 2001 geschaffen wurde, als der damalige Präsident Joseph Estrada abgesetzt wurde. Eine weitgehend kleinbürgerliche Protestbewegung, die auf der Grundlage von Korruptionsvorwürfen gegen den Präsidenten mobilisiert wurde, forderte die Absetzung Estradas. Die einflussreichsten Teile der Geschäftswelt hatten sich für seine Absetzung ausgesprochen.
Das Blatt hatte sich gegen Estrada gewendet, als sein Verteidigungsminister und Stabschef der philippinischen Streitkräfte zusammen mit verschiedenen Militär- und Polizeichefs ankündigten, dass sie dem Präsidenten ihre Unterstützung entziehen und die Einsetzung der Vizepräsidentin Gloria Macapagal-Arroyo unterstützen würden. Es folgte ein Massenrücktritt von Ministern. Estrada dankte ab und Arroyo übernahm die Zügel der Macht.
Dies war ein konstitutioneller Staatsstreich, und in seinem Zentrum stand die Tatsache, dass das Militär seine Unterstützung verlagert hatte. Auch heute gibt es starke Anzeichen dafür, dass die Parteien der Elite jetzt darauf aus sind, dieses Muster zu wiederholen, indem sie das Militär dazu bewegen, seine Unterstützung für Duterte zurückzuziehen und Robredo einzusetzen.
Im Zentrum dieser Machenschaften stehen die stalinistische Kommunistische Partei der Philippinen (KPP) und die Organisationen in der nationalen demokratischen Bewegung, die ihrer politischen Linie folgen. Die KPP spielte 2001 eine entscheidende Rolle dabei, Unterstützung für den Sturz von Estrada zu mobilisieren und die eingesetzte Arroyo-Regierung zu stabilisieren, indem sie Angriffe auf Arroyo im ersten Jahr ihrer Präsidentschaft verurteilte.
Die KPP ist eine nationalistische Organisation, die auf dem Programm des Stalinismus basiert. Sie besteht darauf, dass die Aufgaben der Revolution auf den Philippinen noch keinen sozialistischen Charakter haben, sondern ausschließlich national und demokratisch sind. Ein Teil der Kapitalistenklasse wird daher, so argumentieren sie, eine fortschrittliche Rolle spielen. Es überrascht daher nicht, dass die Geschichte der Partei seit jeher aus einer ununterbrochenen Reihe von Bündnisversuchen mit verschiedenen Fraktionen der Elite besteht. Die begeisterte Unterstützung, die die Partei 2016 auch Duterte gewährte, war ein Ausdruck dieses Programms.
Der Gründer und ideologische Führer der KPP, Jose Maria Sison, hat im vergangenen halben Jahr wiederholt Erklärungen abgegeben, in denen er Überlegungen darüber anstellt, wie Duterte seines Amts enthoben werden könnte. In einem Vortrag vor der Internationalen Liga der Volkskämpfe (ILPS) am 11. September skizzierte Sison das Szenario: einen Militärputsch.
Sison erklärte, eine Mehrheit der Offiziere sei entweder „patriotisch oder pro-amerikanisch“, und diese beiden Fraktionen würden die Grundlage dafür bilden, Duterte die militärische Unterstützung zu entziehen. Die Rolle einer Massenbewegung von Arbeitern und Jugendlichen in diesem Plan wäre, das Militär zu ermutigen, seine Unterstützung zurückzuziehen.
In einer Erklärung vom Februar behauptete Sison, bestimmte Polizei- und Militäroffiziere, die er als „patriotische Elemente“ bezeichnete, und seine „Genossen“ hätten ihn darüber informiert, dass sie glauben, „eine breite Einheitsfront von Massenaktionen“ sei erforderlich, bevor das Militär sich bewegen würde. Sison erklärte, dass „die Anti-Duterte-Gruppen im Militär und in der Polizei nicht gegen Duterte vorgehen werden, wenn sie keine massenhaften Protestaktionen mit Hunderttausenden von Teilnehmern in der nationalen Hauptstadtregion sehen“.
Der altbewährte Vorwand der KPP für die Zugeständnisse und die Unterstützung, die sie ihren Verbündeten in der Elite gewährt, besteht darin, dass diese eine notwendige Komponente von Friedensverhandlungen seien. Julie de Lima, Interimsvorsitzende des Friedensausschusses der Nationalen Demokratischen Front der CPP, kündigte am 18. September an, dass die Partei keine Friedensgespräche mit dem Präsidenten, sondern mit Robredo und der Liberalen Partei aufnehmen werde.
Sie rief alle „demokratischen Kräfte dazu auf, die breiteste Einheitsfront“ hinter diesen Vereinbarungen mit Robredo zu bilden, und stellte die Möglichkeit eines „Sturzes“ von Duterte in Aussicht.
Die Rolle des Stalinismus besteht darin, dass sie ständig versucht, die aufkommenden Kämpfe der Arbeiter, Jugendlichen und der unterdrückten Massen einem Teil der philippinischen bürgerlichen Elite unterzuordnen. Das ist ein grundlegender Verrat und ordnet die Interessen der Arbeiterklasse ihrem Feind, der Bourgeoisie, unter.
Kein einziger Teil der philippinischen Elite ist daran interessiert, die Demokratie zu verteidigen oder die Interessen der arbeitenden Massen zu unterstützen. Die Opposition der Liberalen Partei, für die sich derzeit die KPP einsetzt, war 2013 mit Duterte verbündet. Die KPP selbst hat Duterte im Jahr 2016 unterstützt.
Die einzige Möglichkeit für Arbeiter, Jugendliche und die unterdrückten Massen der Philippinen, gegen die Diktatur zu kämpfen und sich gegen die Angriffe auf ihr Leben durch den faschistischen Duterte zu verteidigen, ist der Bruch mit der KPP und ihrer stalinistischen Politik. Die Arbeiter haben ihre eigenen Interessen, unabhängig von allen Teilen der Kapitalistenklasse. Der Kampf zur Verteidigung dieser Interessen erfordert den Kampf für Sozialismus und Internationalismus.