Anschläge auf Kunstwerke in Berlin legen Verdacht auf rechtsradikalen Hintergrund nahe

Drei der bekanntesten Museen Berlins waren am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, Ziel von massivem Vandalismus. Eine oder mehrere Personen, die immer noch nicht identifiziert werden konnten, sprühten in verschiedenen Museumsgebäuden eine farblose, ölige Flüssigkeit auf Dutzende von Skulpturen und Bilder von höchstem kulturellen Wert. Bei der Tat wurden auch Böden, Wände und Vitrinen verschmutzt, darunter der Boden im Saal der Nofretete im Neuen Museum.

Diese Angriffe auf zum Teil Jahrtausende alte Artefakte fanden im Pergamonmuseum, in der Alten Nationalgalerie und im Neuen Museum statt, die sich alle auf der weltberühmten Berliner Museumsinsel befinden. Die Sammlungen dieser Museen wurden von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt und werden jährlich von 2,5 Millionen Kunstliebhabern besucht.

Christina Haak, die stellvertretende Direktorin der Staatlichen Museen zu Berlin, zeigte sich schockiert über den Vandalismus, von dem fast 70 Kunstwerke, darunter ägyptische Sarkophage und Skulpturen, betroffen waren. Die Museen seien nicht zum ersten Mal auf diese Weise ins Visier genommen worden, erklärte sie. Im Laufe des Sommers hatte es bereits etliche Vorfälle außerhalb der Museumsgebäude gegeben, bei denen Plakate zerrissen und Graffiti gesprüht worden waren.

Die Polizei erklärte, sie ermittle „in alle Richtungen“ wegen „gemeinschädlicher Sachbeschädigung“. Sie könne aber den oder die Angreifer nicht identifizieren, obwohl Videokameraaufnahmen vorliegen, auf denen angeblich Person(en) hinter den Angriffen zu sehen sind.

Später stellte sich heraus, dass zumindest in einem der betroffenen Museen, dem Neuen Museum, diese Aufnahmen nicht gespeichert wurden. Auch hieß es, einige Kameras seien „unbemerkt“ nach einem Software-Update schon im September ausgefallen. Nur die Kamera im Nordkuppelsaal habe funktioniert, die Bilder seien jedoch für die Ermittler nicht verwertbar gewesen.

Diese kriminelle Vernachlässigung der Sicherheit wertvoller Kunstschätze in den staatlichen Museen ist Ergebnis jahrelanger Sparmaßnahmen im Kulturbereich, die die Privatisierung der Sicherheits- und Reinigungsdienste beinhalten.

In einem von der Kulturstaatsministerin Barbara Grütters angeforderten Bericht geht es auch um den aktuellen Sicherheitsdienst. Bei der letzten Ausschreibung für den externen Wachschutz soll ein möglichst niedriger Preis eine entscheidende Rolle gespielt haben.

Während die Polizei bisher erfolglos ermittelt hat, gibt es zahlreiche Hinweise auf die Beteiligung rechtsextremer Kräfte an den Anschlägen. Insbesondere das Pergamonmuseum ist in den letzten Monaten zu einem Hauptziel für Verschwörungstheoretiker und die rechtsextreme QAnon-Internet-Community geworden.

Nur wenige Tage, bevor die Angriffe auf die Kunstwerke von einem Journalisten des Zeit-Magazins aufgedeckt wurden, hat ein QAnon-Kanal den folgenden Text auf Telegram gesendet: „Die Satanisten sind nun vollständig ausgerottet und ihre Hinterlassenschaften wie der Pergamonaltar und die zahllosen Obelisken weltweit werden für alle Zeiten vernichtet werden.“

Einer der prominentesten Deutschen, der mit der QAnon-Bewegung in Verbindung steht, ist der Fernseh-Prominenzkoch Attila Hildmann. Er steht seit einiger Zeit im Zentrum einer Kampagne gegen die Museen und gehört zu den führenden Rednern bei den Protesten gegen die Anti-Coronavirus-Maßnahmen in Deutschland. Hildmann hat wiederholt abscheuliche und absurde Internet-Tweets gepostet, in denen er das Pergamonmuseum als „Thron des Satans und Ort für Kinderopfer“ beschreibt.

Am 27. August nahm Hildmann nachts auf der Museumsinsel ein Video auf, in dem er erklärte, dass sich die „internationale satanistische Szene in Berlin trifft“. Er rief seine Anhänger auf, das Pergamon-Museum zu stürmen.

Der Kochbuchautor hielt auch Kundgebungen auf den Stufen des Alten Museums ab. Das Museum reagierte prompt mit einem großen Transparent, auf dem es hieß: „Für Weltoffenheit, gegen Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus.“

Hildmanns bizarre Tweets wurden von dem in denselben rechtsextremen Kreisen aktiven Sänger Xavier Naidoo verbreitet und gepostet. Naidoo tauchte am 29. August im Pergamonmuseum auf – dem Datum der zweiten sogenannten Querdenker-Demonstration, die aus Protest gegen Sicherheitsvorkehrungen gegen die Corona-Pandemie abgehalten wurde.

Sowohl Hildmann als auch Naidoo haben keinen Hehl daraus gemacht, dass sie die rechtsextreme, einwandererfeindliche AfD unterstützen. Sie sind Seite an Seite mit führenden AfD-Mitgliedern auf etlichen Querdenker-Demonstrationen marschiert.

Lokale AfD-Vereinigungen, zum Beispiel in Leipzig und Stuttgart, haben Tweets aus QAnon-Quellen ausgetauscht, in denen Verschwörungstheorien immer wieder hochgeladen wurden, in denen sie den ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama krimineller Praktiken beschuldigen („Obamagate“) und Bill Gates für die Coronavirus-Pandemie verantwortlich machen.

Die AfD ihrerseits hat keinen Hehl aus ihrer Feindseligkeit gegenüber allen Formen von Kunst und Kultur gemacht, die nicht dem Parteiprogramm für eine durch und durch nationalistische „deutsche Leitkultur“ entsprechen.

In Sachsen-Anhalt veröffentlichte die AfD eine Plattform, die „Museen, Orchester und Theater“ dazu aufrief, „ein positives Verhältnis zur eigenen Heimat zu fördern“. 2019 schlug die AfD vor, dass die Theater und Opernhäuser in Deutschland Listen aller ausländischen Künstler, die an ihren Spielstätten auftreten, zur Verfügung stellen sollten.

Bei der letzten Bundestagswahl hängte die AfD großformatige Wahlplakate mit dem Slogan „Verhindern, dass Europa zu Eurabia wird!“ Der rassistische Begriff Eurabia wurde von dem Rechtsextremisten Anders Breivik zur Rechtfertigung seines Massenmordes in Norwegen im Jahr 2011 verwendet. Der neuseeländische Terrorist Brenton Tarrant aus Christchurch warnte mit ähnlichem Sprachgebrauch vor der angeblich bevorstehenden Übernahme „weißer“ Staaten durch Muslime.

Der führende AfD-Ideologe und Bundestagsabgeordnete Marc Jongen hat auf seiner Website gepostet, dass es „eine Ehre und ein Vergnügen“ wäre, „die Beseitigung des Drecks aus der Kulturindustrie in Angriff zu nehmen“. Im Bundestagsausschuss für Kultur und Medien vertrat Jongen die Auffassung, im Kulturbereich sei eine einseitige Konzentration auf die Verbrechen der Nazis „aus mehreren Gründen falsch und schädlich“.

Auch bei der antisemitischen Kampagne zur Verunglimpfung des herausragenden deutschen Pianisten Igor Levit hat sich die AfD mit tatkräftiger Unterstützung einer breiten deutschen Medienlandschaft an vorderster Front engagiert.

Die AfD konnte in kulturellen Fragen in die Offensive gehen, weil sie sich auf eine breite offizielle Unterstützung nicht nur der regierenden Großen Koalition, sondern auch der Linkspartei verlassen kann. Die Regierungskoalition hat die Positionen und die Politik der AfD weitgehend übernommen und dazu beigetragen, ein Klima zu schaffen, in dem rechtsextreme fanatische Kräfte wie der QAnon Unterstützung finden können.

Die Berliner Museumsinsel ist nur einen Steinwurf von der Humboldt-Universität entfernt, wo der rechtsextreme Professor Jörg Baberowski (berüchtigt durch seine Aussage im Spiegel 2014: „Hitler war nicht grausam“) mit Unterstützung der sozialdemokratischen Präsidentin der Universität Sabine Kunst und der Regierung der Großen Koalition weiterhin lehrt.

Gegenüber dem Hauptgebäude der Humboldt-Universität befindet sich der Platz, auf dem die Nazis eines ihrer grausamsten Verbrechen gegen die Kultur verübten – die öffentliche Bücherverbrennung.

Die genaue Identität und/oder der Geisteszustand des Urhebers oder der Urheber des Angriffs auf die Berliner Museumsartefakte bleibt vorerst unbekannt, aber die Verantwortlichen für die wachsenden rechtsextremen Umtriebe in Deutschland sitzen in der Bundesregierung, im Bundestag und in der herrschende Elite. Solche Angriffe dürfen nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Die Arbeiter und die Jugend müssen sich für die Verteidigung der internationalen Kultur und Künstler einsetzen.

Loading