Gegen eine Mitarbeiterin des AfD-Bundestagsabgeordneten Petr Bystron wird wegen der Beteiligung an einem rechtsextremen Waffenschieberring ermittelt, wie vor wenigen Tagen bekannt wurde. Nach Spiegel-Recherchen handelt es sich dabei um Dagmar S., die im Münchener Wahlkreisbüro von Bystron arbeitet.
Die Ermittlungen gegen den Waffenschieberring begannen im März 2018 auf dem Balkan, als dort eine Lieferung illegaler Waffen aufflog. Die kroatischen Behörden fanden bei den anschließenden Razzien zahlreiche automatische Gewehre, Munition, Handgranaten und einen Raketenwerfer. Der Ring war mindestens seit 2015 aktiv und hatte Waffen, die zum Teil unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen, an die rechtsextreme Szene in Deutschland geliefert.
Das Geständnis eines Mittelsmannes führte direkt zur AfD. Er sagte gegenüber den kroatischen Behörden aus, die Waffen „seien für die AfD, eine rechte Partei“. Der Hauptverdächtige des Rings in Deutschland, Alexander R., ist Mitglied der AfD, wie der Kreisverband Münchner Land bestätigte. Er hat eine lange Geschichte in der rechtsradikalen Szene. Er war früher jahrelang Mitglied der NPD München sowie anderer rechtsextremer Gruppen. Ein Foto aus dem Juni 2016 zeigt ihn bei einer AfD-Wahlkampfveranstaltung in Deggendorf in unmittelbarer Nähe zu Thüringens Landeschef Björn Höcke, dem Kopf des Neonazi-Flügels der AfD.
Der 48-jährige R. wurde im Sommer 2020 in Kroatien verhaftet und befindet sich wegen des Verdachts, gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Waffengesetz verstoßen zu haben, in Untersuchungshaft. Er hatte nach Recherchen des ZDF-Magazins frontal21 den Transport der Waffen nach Deutschland organisiert. Sie wurden laut den kroatischen Akten in Autos über die Grenze geschmuggelt. Dort ist die Rede von halbautomatischen Waffen, Pumpguns, Maschinenpistolen und mindestens mehreren Dutzend Handgranaten.
Im Anschluss wurden im Juli 2020 in Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Österreich Hausdurchsuchungen durchgeführt. „Bei unserem Haupttäter und bei vielen Abnehmern hat man Waffen gefunden, darunter zwei halbautomatische Kurzwaffen, eine sogenannte Pumpgun und 200 Schuss Munition“, sagte Klaus Ruhland von der Generalstaatsanwaltschaft München im Dezember 2020 gegenüber frontal21.
Alle 16 Beschuldigten ordnet die Staatsanwaltschaft „dem rechtsextremen Spektrum“ und „teilweise dem Reichsbürgertum“ zu. Mindestens acht von ihnen sind in der Vergangenheit durch „politisch motivierte Kriminalität“ aufgefallen, wie die taz letzte Woche berichtete. Allein die Anzahl von 16 Verdächtigen zeugt von dem immensen Umfang der Operation.
Die Verbindungen der Waffenhändler führen bis in den Bundestag. Gegen Dagmar S., die Mitarbeiterin des Münchener AfD-Bundestagsabgeordneten Petr Bystron, wird unter anderem ermittelt, weil sie zeitweise eine Kriegswaffe in ihrer Privatwohnung gelagert haben soll, wie die bayrische Landesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen im Landtag bestätigte. Bei der Durchsuchung ihrer Wohnung wurde die Polizei zwar nicht fündig, gegen die 49-Jährige wird aber weiter wegen illegalem Waffenhandel ermittelt.
Der taz liegen interne Messenger-Nachrichten von Dagmar S. vor, die ihr Kaufinteresse und ihre Rolle bei der Vermittlung von Kunden belegen. Zur Verschleierung ihrer wahren Absichten benutzten die Waffenschmuggler Codewörter. Sie schrieben von einem „Mofagetriebe“, von einem „langen Getriebe mit manueller Pumpe“ oder von „4 x AK Getriebe mit 7,62 flansch“ für je 1.500 Euro, meinten aber automatische und halbautomatische Waffen und Pumpguns.
Auch Dagmar S. benutzte diesen Autoteilecode: „Wann kommt mein Getriebe nach München?“, fragte sie den Hauptverdächtigen Alexander R. im Sommer 2016. Sie hoffte, dass er „was Gescheites für die 700 €“ aus Kroatien mitbringe. Zudem hat sie Alexander R. mit mindestens einem potentiellen Waffenkäufer aus München zusammengebracht, wie die Chatnachrichten, die der taz vorliegen, belegen.
Dass Dagmar S. für das Wahlkreisbüro von Petr Bystron arbeitet, unterstreicht, dass die rechtsextremen Netzwerke über die AfD bis in den Bundestag reichen.
Bystron selbst hatte 2018 im Rahmen einer offiziellen Parlamentsreise nach Südafrika an Schießübungen mit den rechtsextremen, paramilitärischen „Suidlanders“ teilgenommen. Die „Suidlanders“ bereiten sich nach eigenen Angaben auf einen „Rassenkrieg“ vor und pflegen weltweite Kontakte zu Rechtsradikalen – u. a. dem wohl bekanntesten Neonazi der USA, dem früheren Führer des Ku-Klux-Klans (KKK) David Duke. Gegenüber Report Mainz machte Bystron keinen Hehl aus seiner Faszination für die „Suidlanders“. Er begrüßte, dass sie Kunden „deutscher Waffen“ und von „BMW-Motorrädern“ seien.
Während seiner Zeit als Vorsitzender des AfD-Landesverbandes Bayern von 2015 bis 2017 hatte Bystron seine Begeisterung für die rechtsextreme, völkische Identitäre Bewegung bekundet. Er nannte sie eine „tolle Organisation“, die „intelligente“ Aktionen durchführe, und rief seine Partei zu ihrer Unterstützung auf: „Die AfD muss ein Schutzschild für die Identitäre Bewegung sein.“
Im vergangenen November gehörte Bystron dann zu den AfD-Abgeordneten, die am Tag der Abstimmung über das Infektionsschutzgesetz rechtsextreme Kräfte und Corona-Leugner in den Reichstag einschleusten, um Abgeordnete zu bedrohen und so das Abstimmungsverhalten zu beeinflussen. Im Anschluss wurde er vom AfD-Vorstand lediglich pro forma für drei Monate für die Rednerliste im Bundestag gesperrt.
Diese Verbindungen von bewaffneten Rechtsextremen in die höchsten Kreise des deutschen Staates sind nur die Spitze des Eisbergs einer rechten Verschwörung im Staatsapparat. Der rechtsradikale Bundeswehroffizier Franco A., der unter dringendem Verdacht steht, mit einer gefälschten Flüchtlingsidentität politische Morde geplant zu haben, befindet sich wie viele andere führende Rechtsterroristen auf freiem Fuß. Sein Verbündeter Maximilian T., der gemeinsam mit Franco A. Feindeslisten verfasst haben soll, genießt als Mitarbeiter des AfD-Verteidigungspolitikers Jan Nolte ebenfalls Zutritt zum Bundestag.
Zahlreiche weitere Netzwerke in Bundeswehr, Polizei und Geheimdienst bereiten sich auf einen „Tag X“ vor, um in einem rechtsextremen Umsturz die Staatsmacht zu übernehmen und tausende politische Gegner zu entführen und hinzurichten.
Der faschistische Putschversuch in den USA hat gezeigt, wie weit der Aufbau faschistischer Netzwerke mit Unterstützung der herrschenden Klasse international fortgeschritten ist. Der Mob, der am 6. Januar in Washington das Kapitol stürmte, rekrutierte sich aus faschistischen Banden und hatte die Unterstützung von Präsident Trump, Teilen der Republikanischen Partei sowie Elementen des staatlichen Sicherheitsapparats. Die jüngsten Enthüllungen in Deutschland müssen vor diesem Hintergrund als Warnung verstanden werden.