Perspektive

Der Mars-Rover und die Katastrophe von Texas: Die Möglichkeiten der Wissenschaft kollidieren mit der kapitalistischen Realität

Die erfolgreiche Landung des Marsrovers „Perseverance“ (Ausdauer) ist eine wissenschaftliche und technologische Leistung sondergleichen. Nach acht Jahren akribischer Planung, die Tausende Menschen in verschiedenen Ländern auf drei Kontinenten umfasste, landete die 1.025 kg schwere astrobiologische Forschungssonde sanft auf der Oberfläche einer anderen Welt.

Perseverance ist der jüngste einer Reihe von Orbitern, Landern und Rovern, die einen Planeten untersucht haben, der die Menschen schon lange fasziniert. Wie alle vorhergehenden Missionen aufgezeigt haben, ist die Marsoberfläche ein trockener, kalter und karger Ort. Doch trotz seiner gegenwärtigen Feindseligkeit gegenüber bekanntem Leben fühlt er sich sehr vertraut an: Es gibt dort Dünen, Stürme, Eiskappen, Berge, ausgetrocknete Bäche, Flüsse und Seebetten. Selbst die Sonnenuntergänge auf dem Mars sind spektakulär und bilden mit ihren Blautönen einen wunderschönen Kontrast zu den von der Erde bekannten Rot- und Gelbtönen.

Unmittelbar nach den 203 Tagen ihrer Reise haben die sieben Hightech-Instrumente an Bord des Rovers bereits damit begonnen, Daten und Fotos zurück nach Hause zu übermitteln. Während die ersten von Perseverance aufgenommenen Bilder zunächst vor allem dazu dienten, sicherzustellen, dass der Rover wie vorgesehen funktioniert, sind auf einer Aufnahme der linken Vorderräder bereits poröse Felsen zu sehen. Auf der Erde werden solche Formationen entweder durch Vulkantätigkeit hervorgebracht – womit sie Aufschluss über die geologische Geschichte des Mars liefern könnten – oder durch Ablagerungen in Flüssen und Ozeanen – was bedeuten würde, dass die Felsen ihre Form durch uraltes Wasser erhalten haben könnten, das sich einst auf dem roten Planeten befand.

Bereits die Landung selbst hat den Kenntnisstand der Wissenschaft enorm erweitert. Die NASA bewies erneut (nach der vorherigen Landung von Curiosity), dass es durch sanftes Absenken des Fahrzeugs möglich ist, einen Rover auf der Marslandschaft landen zu lassen. Dies wird mittels SkyCrane erreicht, einem hochkomplexen und riskanten Manöver, das notwendig ist, um derart viele Kameras, Analysegeräte und andere notwendige Forschungswerkzeuge auf diese fremde Welt zu bringen. Die modifizierten Navigationskameras und die Software, mit denen der Rover zu seinem Landeplatz geführt wurde, waren autonom in der Lage, Felsbrocken, Abhänge und Klippen, die den Jezero-Krater übersäen, zu umschiffen und Perseverance zugleich in großer Nähe dieser wissenschaftlich interessanten Orte abzusetzen.

Weitere Untersuchungen werden bereits geplant. In den nächsten Tagen sollen sämtliche Instrumente zum Einsatz gebracht werden. Ende April oder Anfang Mai soll der erste Helikopter starten, der je auf einem anderen Planeten abgehoben ist – eine weitere Premiere in der Planetenerkundung. Die Untersuchungen werden Hinweise auf viele Fragen liefern, die sich Wissenschaftler auf der Erde über den Mars stellen – insbesondere die Frage, ob der Planet einst Leben getragen hat.

Die Perseverance-Landung ist eine imposante Demonstration menschlicher Erkenntnis, Wissenschaft und Rationalität. Sie ist eine schlagende Zurückweisung der ständigen zeitgenössischen Lobpreisungen des Irrationalismus und eine kraftvolle Verteidigung des materialistischen Verständnisses der Welt. Es gibt in der Tat objektive Naturgesetze, die von Menschen verstanden werden und ihr Handeln anleiten können.

Die Bedeutung dieser Errungenschaft kontrastiert aufs Schärfste mit der sozialen Katastrophe, die sich in den Vereinigten Staaten und weltweit abspielt. Zwei Tage, bevor der Rover aufsetzte, erfror in Texas ein elfjähriger Junge während eines Schneesturmes, der zum Kollaps der gesamten Wärme- und Stromversorgung des Staates geführt hatte.

Dutzende weitere Menschen starben auf den Straßen oder in ihren Wohnungen, während es Millionen Leuten an Nahrung, Strom oder fließendem Wasser mangelt. Krankenhäuser werden geschlossen, weil ihre Einrichtungen nicht funktionieren. Tausende sind gezwungen, sich an den wenigen mit Strom versorgten Orten einzufinden – wie Gemeindezentren und Sporthallen – was wiederum die Ausbreitung der Coronavirus-Pandemie weiter zu verschärfen droht. Menschen werden gezwungen, zwischen Tod durch Erfrieren und Tod durch Ansteckung zu wählen.

In Texas, den Vereinigten Staaten und weltweit wütet die Pandemie nach wie vor. Jeden Tag erliegen mehr als 11.000 Männer, Frauen und Kinder dem Virus, darunter über 2.000 allein in den USA. Die Zahl der Todesopfer seit Januar 2020 beläuft sich auf eine halbe Million in den Vereinigten Staaten und mehr als 2,4 Millionen weltweit.

Die Bevölkerung besitzt ein instinktives Verständnis dieses Widerspruchs. Als US-Präsident Joe Biden auf Twitter mit Blick auf Perseverance chauvinistisch erklärte, dass „es nichts [gibt], das außerhalb des Möglichen ist, wenn sich die Macht der Wissenschaft und amerikanische Erfindungsgabe vereinen“, lauteten typische Antworten von Usern: „Nicht einmal die Beendigung einer Epidemie? Nicht einmal die Schließung von Konzentrationslagern? Nicht einmal eine Lösung für die Klimakatastrophe? Nicht einmal Hilfslieferungen für Menschen, deren Leben vom Frostwinter zerstört wurde?”

Arbeiter wissen, dass Methoden zur Marslandung eines Eintonners – ebenso wie andere wissenschaftliche und technische Errungenschaften – genutzt werden sollten, um soziale und wirtschaftliche Probleme zu lösen und ausreichend Arbeitsplätze, Bildung, Wohnraum und Nahrung für die gesamte Menschheit bereitzustellen. Die Gesellschaft verfügt voll und ganz über das Potenzial, globale Pandemien, rücksichtslose Umweltzerstörung und nuklearen Militarismus zu verhüten, die allesamt das Leben jedes einzelnen Menschen bedrohen.

Wenn dieselbe Sorgfalt, die der Herstellung und Landung von Perseverance zuteilwurde, auch in die Prävention der Pandemie gelegt worden wäre, dann würde das Coronavirus als ein tragischer Ausbruch in Erinnerung bleiben, der überwiegend in China stattfand und tausende Menschenleben gekostet hat – nicht aber als die größte globale Gesundheitskrise in hundert Jahren mit Millionen Todesopfern.

Doch die Zusammenarbeit für ein gemeinsames Ziel – angetrieben von dem Bedürfnis nach Erkenntnis und nach einem allgemeinen Wohlergehen der Menschheit – stammt aus der Arbeiterklasse und den einsichtsvolleren Schichten der intelligenz und kommt in all jenen zum Ausdruck, die am Mars-Rover gearbeitet haben. Solch humanes Denken ist den herrschenden Eliten dieser Welt vollkommen fremd, die stattdessen Rückständigkeit, Vulgarität, Ignoranz und Parasitismus zur Schau tragen.

Die Reichen geben Billionen Dollar, Yuan, Yen, Rubel und Euro aus, um sich selbst zu bereichern und rund um den Globus Kriege zu führen. Die 2,7 Milliarden Dollar, die es bisher gekostet hat, Perseverance zu bauen, in den Weltraum zu befördern und zu bedienen, sind weniger als der Betrag, den Elon Musk (der nach Texas umzog, um von der dortigen Deregulierung zu profitieren) im vergangenen Jahr wöchentlich „verdiente“. Und es ist ein Viertel des Kaufpreises von nur einem der neuesten Flugzeugträger, die vom Pentagon in Auftrag gegeben wurden.

Der von seinen unauflöslichen inneren Widersprüchen getriebene Kapitalismus führt die Menschheit Richtung Faschismus und Krieg. Doch dieselben Widersprüche produzieren indessen auch die Grundlage für die Überwindung des Kapitalismus: die internationale Arbeiterklasse.

Diese objektiven Prozesse müssen in der Arbeiterklasse bewusst gemacht werden, und die wachsende Opposition von Millionen Arbeitern und Jugendlichen auf der ganzen Welt muss in eine politische Bewegung verwandelt werden. Diese Bewegung muss sich die Errichtung eines international koordinierten und rational gesteuerten Systems wirtschaftlicher Planung zum Ziel setzen, das auf Gleichheit und der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse basiert – den Sozialismus.

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