Die USA und Deutschland wollen militärisch wieder eng zusammenarbeiten. Das gelobten die Verteidigungsminister Lloyd Austin und Annegret Kramp-Karrenbauer bei einem Zusammentreffen in Berlin. Austin versprach, die Zahl der in Deutschland stationierten US-Truppen um 500 Mann aufzustocken, anstatt sie, wie die Trump-Administration angekündigt hatte, um 12.000 Mann zu reduzieren.
Austin ist das erste Mitglied der Biden-Administration, das Berlin besucht. Er kam direkt aus Israel und reist nach einem Zwischenstopp bei US-Truppen in Deutschland nach Brüssel und London, wo er sich mit der Führung der Nato und der britischen Regierung trifft.
Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz überboten sich Austin und Kramp-Karrenbauer mit gegenseitigen Freundschaftsbekundungen. Kontroverse Themen sparten sie sorgfältig aus.
Austin erinnerte an seine Wehrdienstzeit als junger Leutnant in Deutschland und beschwor die „gemeinsamen Werte der Freiheit, der Demokratie, der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit“.
Die Stationierung von 500 zusätzlichen Soldaten im Großraum Wiesbaden, so der ehemalige General, werde die Verteidigung und Abschreckung in Deutschland stärken, mehr Kapazitäten für die Weltraum-, Cyber- und elektronische Kriegsführung bereitstellen und „die Kampf- und Siegesbereitschaft erhöhen“.
Deutschland werde in den kommenden Jahren weiterhin ein wichtiger Wirtschafts- und Sicherheitspartner der USA sein, versprach Austin. Die Stärkung der Beziehungen zu Deutschland habe für die Regierung Biden-Harris hohe Priorität. „Wir bauen die transatlantische Partnerschaft und die Beziehung mit Nato-Verbündeten weiter aus.“
Kramp-Karrenbauer erwiderte Austins Komplimente und pries die transatlantische Partnerschaft, die auf gemeinsamen Werten und Freiheit beruhe. Der Beitrag der USA zur Sicherheit Deutschlands und Europas sei ein „entscheidender Pfeiler unseres Friedens und unserer Freiheit“. Sie sei zuversichtlich, dass ein starkes Nato-Bündnis zusammen jede Herausforderung bewältigen könne. „Wir brauchen eine handlungsfähige Nato mit entsprechendem deutschem Beitrag.“
Die Verteidigungsministerin hob hervor, dass Deutschland im laufenden Jahr 2,5 Milliarden mehr als ursprünglich geplant für das Militär ausgebe und das zugesagte Ziel, die Militärausgaben auf zwei Prozent des BIP anzuheben, einhalten werde. Sie versprach, man werde den Afghanistan-Einsatz gemeinsam zu Ende führen.
Großen Wert legte Kramp-Karrenbauer darauf, dass Deutschland mit der Entsendung einer Fregatte nun auch im Indo-Pazifik Präsenz zeige. Mit der Überwachung des Waffenembargos gegen Nordkorea und der Sicherung der Durchfahrt durch das Südchinesische Meer setze es ein klares Zeichen. Austin würdigte dies ausdrücklich. Von einem Journalisten auf die eskalierenden Spannungen in der Ostukraine angesprochen, lobte Kramp-Karrenbauer die „Zurückhaltung auf ukrainischer Seite“ und äußerte ihre Sorge über den „russischen Aufmarsch“.
Tatsächlich hat der demonstrative Schulterschluss von Austin und Kramp-Karrenbauer mit Freiheit, Demokratie, Menschenrechten und den anderen beschworenen Werten absolut nichts zu tun. Er ist Bestandteil der Kriegsvorbereitungen gegen China und Russland, die die Biden-Administration seit ihrer Amtsübernahme mit großer Energie vorantreibt.
Was die vielbeschworene Freundschaft zwischen Washington und Berlin betrifft, so erinnert sie an die Versöhnung von Mafia-Paten, die sich gegen einen gemeinsamen Gegner verbünden, während im Hintergrund bereits die Waffen für die zukünftige gegenseitige Abrechnung bereitgelegt werden.
Was die Biden-Administration an Trumps Außenpolitik auszusetzen hatte und nun zu korrigieren versucht, ist nicht dessen rücksichtsloser Einsatz für imperialistische Interessen unter dem Motto „America first“, sondern die erratische und subjektive Weise, mit der er dieses Ziel verfolgte.
Während die Demokraten mit Trump übereinstimmten, dass der Aufstieg Chinas die größte strategische Herausforderung für die USA sei und mit allen Mitteln gestoppt werden müsse, hielten sie seine Haltung gegenüber Russland für viel zu weich. Anstatt den Druck auf Russland zu erhöhen, verprellte Trump Nato-Partner wie Deutschland, die noch von Nutzen sein konnten.
Die Zeitschrift Foreign Affairs, eine wichtige Stimme der US-Außenpolitik, hat in jüngster Zeit mehrere Artikel veröffentlicht, die für einen schärferen Konfrontationskurs gegen Russland eintreten.
„Viele Analysten gehen fälschlicherweise davon aus, dass Russland eine untergehende Macht sei“, schrieb am 19. Januar Michael McFaul, der unter Präsident Obama zwei Jahre lang amerikanischer Botschafter in Moskau war. Doch Russland sei immer noch „eines der mächtigsten Länder der Welt – mit deutlich mehr militärischer, cybertechnischer, wirtschaftlicher und ideologischer Macht, als die meisten Amerikaner schätzen“, und „eine von nur zwei nuklearen Supermächten“.
Biden und sein nationales Sicherheitsteam, folgert McFaul, „müssen veraltete Wahrnehmungen der russischen Bedrohung aufgeben und eine neue Politik formulieren, um den wirtschaftlichen, militärischen und politischen Einfluss des Kremls einzudämmen“. Das erfordere eine militärische Stärkung der Nato und eine Erhöhung der „militärischen, politischen und wirtschaftlichen Unterstützung der USA für die Ukraine“.
Ein Foreign Affairs-Artikel vom 6. April, „Die amerikanisch-russischen Beziehungen werden nur noch schlimmer“, erinnert daran, dass die Nato nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion auch deshalb aufrechterhalten und nach Osten ausgedehnt wurde, um Europa unter Kontrolle zu halten: „Für die Vereinigten Staaten war die NATO das richtige Instrument, um Stabilität und Sicherheit in Europa zu erreichen, denn sie ermöglichte es den Vereinigten Staaten, die Kontrolle zu behalten.“
Austins Besuch in Berlin erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem der Konflikt mit Russland in einen offenen Krieg umzuschlagen droht. Die Biden-Administration hat in den ersten drei Monaten ihrer Amtszeit den Druck auf Russland systematisch erhöht – durch das Anstacheln des ukrainischen Selenskyj-Regimes, das mit der militärischen Rückeroberung der Krim droht, durch die Zuspitzung des Kriegs um Syrien und durch die Unterstützung der israelischen Provokationen gegen den Iran. Nun droht die Lage in der Ukraine außer Kontrolle zu geraten.
Berlin hatte bereits 2014 den rechten Putsch in der Ukraine unterstützt, der ein korruptes, pro-westliches Oligarchenregime an die Macht brachte, und steht auch jetzt wieder auf Seiten des Selenskyj-Regimes. Die Erneuerung des Nato-Bündnisses durch Austin und Kramp-Karrenbauer dient so der Vorbereitung eines Kriegs, der verheerende Folgen für ganz Europa hätte. Gleichzeitig beinhaltet sie den Keim für weitere imperialistische Kriege, denn die Interessen des deutschen und des amerikanischen Imperialismus, die sich in zwei Weltkriegen erbittert bekämpft haben, sind keineswegs identisch.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Deutschland will Russland zwar zurückdrängen, um seinen eigenen Einfluss in Osteuropa, der Ukraine und dem Kaukasus zu stärken, aber anders als die USA nicht vollständig wirtschaftlich isolieren, da es seit den 1970er Jahren zu seinen wichtigsten Energielieferanten zählt. Das ist der Hintergrund des ungelösten Konflikts um die Pipeline Nord Stream 2, die Washington stoppen will, während Berlin auf der Fertigstellung beharrt.
Der deutsche Außenminister Heiko Maas hat kürzlich auch gewarnt, „eine wirtschaftliche Isolation Russlands würde geostrategisch dazu führen, dass man Russland und China immer weiter zusammentreibt. Und das kann nicht in unserem strategischen Interesse sein.“
Auch in Bezug auf China verfolgen Washington und Berlin unterschiedliche Interessen. Die deutsche Regierung und die Europäische Union betrachten China zwar nicht mehr als „Partner“, sondern als „strategischen Rivalen“ und unterstützen die Kampagne wegen der Unterdrückung der Uiguren in der Provinz Xinjiang. Doch sie wollen sich durch den amerikanisch-chinesischen Konflikt nicht aus dem lukrativen chinesischen und ostasiatischen Markt verdrängen lassen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat persönlich dafür gesorgt, dass die EU noch vor dem Regierungswechsel in Washington gegen amerikanischen Widerstand ein Investitionsabkommen mit China abschloss. Sie begründete dies damit, dass es in dieser Frage „keine Identität“ mit Amerika gebe, das sei „vollkommen klar“.
Es ist bezeichnend, dass ausgerechnet die Frankfurter Allgemeine Zeitung, das Sprachrohr des deutschen Kapitals, darüber debattiert, auf welche Seite sich Deutschland im Konflikt zwischen den USA und China stellen solle.
„Mit dem Schicksal der bedauernswerten muslimischen Minderheit in Nordwestchina hat all das nur noch dem Anlass nach zu tun,“ kommentierte die F.A.Z. am 29. März in bemerkenswerter Offenheit. „Im Kern geht es hier um ein strategisches Ringen, das nach und nach die gesamte Weltpolitik erfasst.“
„Amerika hat schon entschieden, wo es in diesem Großkonflikt steht,“ findet die F.A.Z.. „Die alte Weltmacht will den Aufstieg der neuen einhegen und verhindern, dass sie mit ihr gleichzieht.“ Für Deutschland sehe die Rechnung dagegen nicht so eindeutig aus. „Der Export ist der wichtigste Pfeiler des deutschen Wohlstandes, er spielt für uns eine ungleich größere Rolle als für Amerika.“
Nach Angaben des EU-Statistikamtes habe China im vergangenen Jahr die Vereinigten Staaten als wichtigster Handelspartner der EU überholt. „Während im ersten Jahr der Corona-Pandemie der Handel der EU mit dem ‚Rest‘ der Welt zurückging, nahmen sowohl die Exporte nach China als auch die Importe von dort zu. Deutschland ist dabei der dominante Akteur: Es wickelte 48 Prozent des Warenaustauschs der EU mit China ab.“
Wenn Deutschland jetzt eine Fregatte ins Südchinesische Meer schickt, dient dies der Wahrnehmung der eigenen imperialistischen Interessen. Kramp-Kartenbauer wird deshalb nicht müde zu betonen, dass es bei der Steigerung der Rüstungsausgaben „um unsere eigene Sicherheit und um unser eigenes Interesse“ gehe, und nicht „darum, den USA einen Gefallen zu tun“.
Letztlich liegt der Grund für den wachsenden Militarismus und die Gefahr eines dritten Weltkriegs im Bankrott des kapitalistischen Systems. Wie 1914 und 1939 reagiert die herrschende Klasse Deutschlands, der USA und aller anderen imperialistischen Länder auf die wachsenden sozialen und internationalen Widersprüche, indem sie die ganze Menschheit in den Abgrund reißt. Nur eine Bewegung der internationalen Arbeiterklasse, die den Widerstand gegen Ausbeutung und Krieg mit dem Kampf gegen den Kapitalismus verbindet, kann die Kriegsgefahr stoppen.