In Griechenland hat eine Welle von Schulbesetzungen begonnen. Die Organisatoren wollen damit für sichere Klassenzimmer und gegen die Angriffe der amtierenden Nea Dimokratia (ND) auf das Bildungswesen protestieren.
Von den Besetzungen betroffen sind viele Sekundarschulen und vor allem höhere Schulen in Attika, der bevölkerungsreichsten Region des Landes, in der sich die Hauptstadt Athen befindet. Weitere Besetzungen fanden in zahlreichen Städten auf dem Festland und auf den Inseln statt, u.a. in Thessaloniki, Patras, Volos, Lamia, Chania, Heraklion und Rethymno.
Die Schüler fordern kleinere Klassen und die Abschaffung des 50%+1-Protokolls, nach dem der Unterricht nur eingestellt wird, wenn die Hälfte der Klasse plus eine Person an Covid-19 erkrankt ist. Sie verlangen kostenlose und regelmäßige Schnelltests in den Schulen für alle Schüler, statt nur Selbsttests, die Einstellung des notwendigen Reinigungspersonals sowie zusätzliche Lehrkräfte.
Eine zentrale Forderung ist die Abschaffung der Zulassungsregelung für Universitäten. Sie wurde im Februar von der rechten Regierung eingeführt und sieht neben Zugangsbeschränkungen auch vor, dass Studierende in den meisten Fächern ihr Studium innerhalb von sechs Jahren abgeschlossen haben müssen.
Genau wie in allen anderen Ländern wurden auch in Griechenland die Schüler nahezu ohne Mitigationsmaßnahmen gegen eine Infektion mit Covid-19 wieder in die Schulen zurückgeschickt. Die Webseite der Zeitung TOC berichtete am Mittwoch, dass in der Woche vom 20. bis zum 26. September von den neuen Infektionsfällen ganze 4.026 (bzw. 29 Prozent) zwischen vier und 18 Jahren alt waren. Im Vergleich zur Vorwoche war dies ein Anstieg um 21 Prozent in dieser Altersgruppe.
Das Koordinationskomitee der Athener Schüler, das viele der Proteste organisiert hat, veröffentlichte am Samstag eine Erklärung, in der es die Lügen der Regierung zurückwies, eine Rückkehr in die Klassenzimmer sei sicher: „Die ersten Wochen des Schulbetriebs haben gezeigt, dass die großen Worte der Regierung, die ,Schulen werden dieses Jahr normal funktionieren‘, Märchen sind. [...] Sie haben uns in eine repressive, stressende Schule zurückgeschickt. Wir hetzen von den Schulen zur Nachhilfe und von dort zum Lernen, um die riesigen Lücken auszugleichen, die wir alle haben.“
Im Sommer hatte die Regierung von Kyriakos Mitsotakis ein Gesetz verabschiedet, laut dem die 180.000 Lehrer des Landes verpflichtet werden können, den gesamten Unterricht online abzuhalten – von den Vorschulen bis hin zur letzten Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung an Universitäten. Obwohl viele nicht die notwendige Ausrüstung besitzen, kann die Weigerung teilzunehmen rechtliche Folgen für Schüler und Lehrer haben. Dieses Gesetz wird jetzt gegen Schüler und Lehrer angewandt, die die Besetzungen unterstützen und deshalb als abwesend gelten.
In der Erklärung heißt es: „Sie haben beschlossen, einmal mehr mit unserem Leben und unserem Recht auf Bildung zu spielen! Bereiten Sie sich darauf vor, uns dieses Jahr wieder zu gegenüberzustehen! Auf geht’s! Die Regierung glaubt, sie hätte einen neuen Trick gefunden, um uns zu terrorisieren: Sie lässt einfach Webex [die digitale Plattform für den Distanzunterricht] laufen, wenn eine Schule besetzt wird. Nebenbei gesagt, haben Sie sich letztes Jahr auch nicht für den Betrieb von Webex interessiert, als die Schüler keine Mikrofone, Kameras etc. hatten. Ebenso wenig kümmert es Sie, ob sich jetzt Schüler mit Covid anstecken...“
Die Organisation hat zu landesweiten Protesten am 11. Oktober aufgerufen. Über die staatliche Unterdrückung der Massenbewegung von Schülern, die letztes Jahr im ganzen Land Schulen besetzt hatten, um gegen unsichere Klassenzimmer zu protestieren, schrieb sie: „Wir sollten daran erinnern, dass Sie uns letztes Jahr Staatsanwälte geschickt haben, die Polizei uns mit Chemikalien beworfen und Schüler verhaftet hat und sie uns trotzdem nicht aufgehalten haben.“
Die Erklärung ruft Eltern und Lehrer, Schülervertretungen, Elternbeiräte und Lehrerverbände zu einem gemeinsamen Kampf auf.
Unter Lehrern herrscht große Unterstützung für den Kampf der Schüler. Bei einer Vollversammlung der Lehrergewerkschaft OLME am 25. September, als die Besetzungen gerade eskalierten, stimmten die Delegierten für deren Unterstützung. Beispielhaft für die Sympathie der Lehrer war, dass 92 Prozent von ihnen einen Aufruf zum Streik oder eine Weigerung von Distanzunterricht an besetzten Schulen ratifizierten. Mit der gleichen Mehrheit stimmten sie gegen die Vorgabe des Bildungsministeriums, die Leistung von Lehrern zu bewerten.
Die Besetzungen begannen am Freitag letzter Woche und hatten sich bis Dienstag auf das ganze Land ausgeweitet. In Thessaloniki waren laut ERT bis Dienstag 19 Schulen besetzt.
TOC berichtete: „In Veria [im Norden Griechenlands] sind das 1., das 2. und das 4. Lyzeum, das 1., 2., 4. und 5. Gymnasium wegen Besetzung geschlossen. Eine Zeitlang waren auch die Musikschule und das 3. Lyzeum von Veria besetzt.“
„Viele Sekundarschulen auf der Peloponnes sind besetzt. Alleine in Tripolis... sind das 1. Gymnasium-Lyzeum, das 2. Gymnasium-Lyzeum, das 3. und 4. Lyzeum und das EpAL [Berufslyzeum] besetzt.“
Die Website schrieb: „In Sparta ist die 3. Oberschule seit Montag, dem 29. September, besetzt.“
In Korinth wurden auch das Gymnasium und das Lyzeum an drei Schulen (Zeugolalti, Vrachati und Velos) besetzt.
In Epirus wurden zwischen Freitagabend und Montagmorgen 24 Schulen besetzt. TOC berichtete: „Laut den bisher verfügbaren Daten wurden in Arta elf Schulen besetzt, sieben in Giannina, zwei in Preveza und vier in Thesprotia.“ Weiter hieß es: „Die Schüler in Giannina stellen Forderungen in Zusammenhang mit Pandemiemaßnahmen und Problemen hinsichtlich der Schulinfrastruktur.“
TOC berichtete außerdem, dass in der Region Magnesia, deren Hauptstadt Volos ist, acht Schulen besetzt wurden. „Die Schüler erhoben Forderungen zu vielen Bereichen, vor allem aber zu Maßnahmen gegen das Coronavirus.“
In der Regionaleinheit Phthiotis in Zentralgriechenland wurde das 7. Gymnasium von Lamia am Dienstagmorgen von seinen Schülern besetzt. Ihre Forderungen umfassten Selbsttests für alle und Maskenpflicht. TOC schrieb: „Sie fordern, dass die ganze Klasse nach Hause geschickt wird, wenn ein Schüler erkrankt...“
Auch auf den griechischen Inseln wurden viele Schulen besetzt, allein auf Korfu mindestens sieben. Auf Kreta wurden laut Daten der Behörde für Sekundarschulen alleine in Heraklion 14 Schulen besetzt. Die Website goodnet nannte einige der besetzten Schulen: „Die 1., 2. und 4. Mittelschule, die Oberschule, Panormos, die Oberschule der Diözese, die Oberschule Spili, die Oberschule Anogia – die 1., 2., 3. und 4. in der Region YELL, die Experimentelle Sekundarschule, die Musikschule, die 1. und 2. EPAL.“
Die Besetzungen mit der Forderung nach sicheren Klassenzimmern inmitten einer Pandemie, in der die Jüngsten der Gesellschaft massenweise infiziert werden, sind Teil einer wachsenden internationalen Bewegung gegen die mörderische Politik der herrschenden Elite. Es ist wesentlich, dass neben diesen Forderungen auch mehr Geld für das Bildungswesen und die Einstellung von Lehrern gefordert werden.
Am Freitag den 1. Oktober veranstalten Eltern in Großbritannien und weltweit einen Schulstreik und weigern sich, ihre Kinder in unsichere Schulen zu schicken. Sie folgen damit dem Vorschlag der britischen Mutter und Aktivistin Lisa Diaz. Die World Socialist Web Site ruft Eltern, Lehrer und Schüler in Griechenland dazu auf, diesen Streik zu unterstützen und ihre Unterstützungsbotschaften hier einzusenden.
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