Am Mittwochmorgen wurde ein streikender John-Deere-Arbeiter vor dem zentralen Ersatzteilzentrum für Nordamerika in Milan (Illinois) von einem Fahrzeug angefahren und getötet.
Wie der zuständige Leichenbeschauer am Nachmittag mitteilte, handelt es sich bei dem Toten um den 56-jährigen Richard Rich aus Moline (Illinois). Er erlag seinen Brustverletzungen.
Wie ein anderer Streikender des Ersatzteilzentrums gegenüber dem World Socialist Web Site Autoworker Newsletter erklärte, wurde der Verstorbene überfahren, als er eine Kreuzung überquerte.
Der Streikende machte Deere bittere Vorwürfe und gab dem Unternehmen die alleinige Schuld an dem Todesfall: „Sie haben Blut an den Händen! Die Schweine!“
Der Vorfall ereignete sich den lokalen Medien zufolge um 6 Uhr morgens auf einer Kreuzung in der Nähe eines Bereichs, in dem Arbeiter parken, bevor sie Streikposten beziehen. Weiter hieß es, die Polizei und die Feuerwehr von Moline hätten am Vormittag die Kreuzung gesperrt. Die Polizei (Abteilung für Unfallhergänge) und die Gerichtsmedizin untersuchen den Todesfall.
Laut einer kurzen Erklärung der Gewerkschaft United Auto Workers hatte der Tote 15 Jahre bei Deere gearbeitet. Bezeichnenderweise wurde das Unternehmen weder für den Tod des Arbeiters verantwortlich gemacht, noch kritisiert.
UAW-Präsident Ray Curry wurde mit den Worten zitiert: „Im Namen der UAW und aller Arbeiterfamilien trauern wir um unseren verstorbenen UAW-Kollegen. Es ist eine traurige Zeit, in der wir ein Mitglied verlieren, das das größte Opfer gebracht hat, um auf einem Streikposten für ein besseres Leben für sich, seine Familie und seine Kollegen zu kämpfen.“
Chuck Browning, UAW-Vizepräsident, Leiter des UAW-Verhandlungsteams bei Deere und Direktor der Landmaschinensparte, erklärte: „Wir sind zutiefst erschüttert über den tragischen Verlust unseres Kollegen. Unser aufrichtigstes Beileid gilt seiner Familie und seinen Kollegen. Wir alle sind in dieser schwierigen Zeit in Gedanken und Gebeten bei ihnen. Heute trauert die gesamte UAW.“
Derzeit ist noch unklar, wer in dem Fahrzeug saß, das Rich angefahren hat, ob es sich um einen Beschäftigten von Deere handelte oder um einen anderen Fahrer, der Rich schlicht nicht gesehen hatte. Mehrere Arbeiter beklagten, dass die Beleuchtung der Kreuzung, die sie überqueren müssen, um zu ihren Fahrzeugen zu gelangen, an mehreren Stellen defekt ist oder ganz fehlt.
Doch selbst wenn es sich nicht um eine vorsätzliche Tat im Auftrag des Unternehmens gehandelt hat, steht außer Frage, dass Deere den Streikbruch verschärft. Zudem hat die UAW die Arbeiter nicht vor Angriffen des Unternehmens und seinen Versuchen geschützt, den Streik durch den Einsatz staatlicher Gewalt zu unterdrücken.
Die Gewerkschaft hatte zunächst alles in ihrer Macht Stehende getan, um einen Streik zu verhindern. Nachdem sie am 14. Oktober zum Handeln gezwungen wurde, bemühte sie sich nach Kräften, die Arbeiter bei Deere zu isolieren und so den Streikbruchmaßnahmen des Unternehmens auszuliefern. Nach dem tödlichen Unfall beschränkte sie sich auf die Ankündigung, die Flagge an ihrer Zentrale auf Halbmast zu setzen.
Der UAW-Ortsverband Local 79 erklärte am Mittwochabend, die Streikposten am Ersatzteilzentrum seien für den Rest des Tages ausgesetzt. Arbeiter, die dort hinkamen, um Rich die Ehre zu erweisen, wurden vom Präsidenten des Ortsverbands „zu ihrer eigenen Sicherheit“ nach Hause geschickt, ließen sich aber nicht davon abhalten, eine kleine Gedenkstätte für ihn zu errichten.
Da die Erntesaison noch nicht beendet ist und Landwirte ihre Maschinen schnell reparieren müssen, hat Deere verzweifelt versucht, die Lieferung von Ersatzteilen aufrechtzuerhalten. Das Ersatzteilzentrum in Milan als Knotenpunkt für ganz Nordamerika ist dabei von zentraler Bedeutung.
Zu Beginn des Streiks kündigte das Unternehmen einen Notfallplan an und setzte Managementpersonal und Büroangestellte ein, um die Produktion aufrechtzuerhalten. Die Streikbrecher wurden nach Angaben der Arbeiter aus Deere-Einrichtungen in der ganzen Region am Mississippi entlang der Grenze zwischen Iowa und Illinois zusammengezogen.
Der Einsatz von Streikbrechern führte natürlich zu lebensgefährlichen Bedingungen an den Streikposten. Anfang des Monats wurde in Des Moines ein streikender Arbeiter angefahren, erlitt jedoch laut dem Des Moines Register keine ernsthaften Verletzungen. Die örtliche Polizei erhob keine Anklage gegen den Fahrer.
Angesichts der größten Streikwelle seit Jahrzehnten greift die amerikanische Wirtschaft auf ihre alten, brutalen Methoden der Klassengewalt und staatlicher Unterdrückung zurück. Gleichzeitig verlässt sie sich darauf, dass ihre „Partner“ in den Gewerkschaftsbürokratien Arbeitsniederlegungen entweder abblocken oder eindämmen. Zum letzten Mal wurden in den 1980ern in großem Ausmaß Streikbrecher und Gewalt eingesetzt, etwa bei dem Busbetreiber Greyhound und dem Telekommunikationsunternehmen NYNEX. Dort und auch in einer Reihe von Bergarbeiterstreiks wurden Arbeiter getötet und verwundet. Dies gipfelte 1990 in der Erschießung von John McCoy bei dem Kohlebergwerksbetreiber AT Massey.
In jüngerer Vergangenheit wurde ein General-Motors-Arbeiter während des 40-tägigen Streiks 2019 nahe dem Werk in Spring Hill (Tennessee) überfahren.
Dieses Jahr wurden bei Warrior Met Coal in Alabama, wo die Bergarbeiter seit Anfang April im Ausstand sind, immer wieder Arbeiter von Streikbrechern angefahren und Berichten zufolge mit Feuerwaffen beschossen. Kellogg's hat als Reaktion auf den Streik von 1.400 Arbeitern in Michigan, Pennsylvania und weiteren Bundesstaaten die global tätige Streikbrecherfirma AFIMAC beauftragt.
Deere hat sich letzte Woche von Richterin Marlita Greve eine einstweilige Verfügung ausstellen lassen, die Streikposten im Werk in Davenport (Iowa) umfangreiche Einschränkungen auferlegt. Greve hatte die einstweilige Verfügung nur zwei Stunden nach der Beantragung bewilligt. Sie legt fest, dass Streikposten mit maximal vier Arbeitern besetzt sein dürfen, und verbietet die Verwendung von Feuertonnen und Sitzgelegenheiten.
Die UAW äußerte anfangs keinerlei Kritik an der Verfügung und wies die Arbeiter an, ihr Folge zu leisten. Danach versuchte sie, die Empörung der Arbeiter über das Urteil in ohnmächtige Appelle an die gleichen, von den Unternehmen kontrollierten Gerichte zu kanalisieren.
Überdies hat die UAW Bidens Landwirtschaftsminister Tom Vilsack als angeblichen „Freund“ zum Streikposten in Des Moines (Iowa) eingeladen. Die UAW erwähnte nicht, dass es Vilsack war, der Greve im Jahr 2006 in seiner Zeit als Gouverneur des Bundesstaats zur Richterin ernannt hat.
Der Tod des streikenden Arbeiters löste große Trauer und Wut aus, die auf Facebook-Seiten von lokalen Medien und Deere-Arbeitern zum Ausdruck kam.
Eine Arbeiterin des Erntemaschinenwerks in East Moline (Illinois) erklärte gegenüber der WSWS: „Das alles für die Gier der Wirtschaft? Wir werden vor der Fabrik verletzt, und die Angestellten verletzen sich in der Fabrik.“ Sie erklärte weiter, Deere werde versuchen, „uns das in die Schuhe zu schieben. Sie werden sagen: Deshalb haben wir in Iowa die einstweilige Verfügung erwirkt.“
Die brutalen Bedingungen und der Streikbruch bei Deere müssen von allen Arbeitern verurteilt und bekämpft werden, nach der alten Parole der amerikanischen Arbeiterbewegung: „An injury to one is an injury to all!“
Doch die UAW wird auf den Tod des Arbeiters nicht reagieren, indem sie ihre Hunderttausenden Mitglieder zur Verteidigung des Streiks mobilisiert. Sie wird ihre Hinterzimmergespräche mit Deere verstärken, um so schnell wie möglich einen Ausverkauf durchzusetzen.
Um Unterstützung in der Arbeiterklasse zu mobilisieren und sich gegen die Versuche des Unternehmens zu verteidigen, ihren Kampf zu brechen, sollten die Deere-Arbeiter Aktionskomitees in allen Werken und Verteilzentren gründen, an die Arbeiter der Auto- und Zuliefererindustrie und in anderen Branchen appellieren und sich mit dem Deere Workers Rank-and-File Committee in Verbindung setzen, um eine weltweite Gegenoffensive gegen Deere zu koordinieren.
Mehr Informationen über den Beitritt zum John Deere Workers Rank-and-File Committe unter deerewrfc@gmail.com oder per SMS 001 (484) 514-9797.