Steiler Corona-Anstieg: Vorbote eines zweiten tödlichen Pandemie-Winters

Die täglichen Covid-19-Infektionszahlen steigen explosiv an. Am 4. November meldete das Robert-Koch-Institut mit 33.949 neuen Covid-19-Fällen den höchsten Tagesanstieg seit Beginn der Pandemie vor zwanzig Monaten. Fast eine Viertelmillion Menschen (247.800) sind derzeit in Deutschland an Corona erkrankt und über 96.000 gestorben.

Die Sieben-Tage-Inzidenz von 154,9 Fällen pro 100.000 Einwohner hat sich in zweieinhalb Wochen, seit dem 19. Oktober (75,1), glatt verdoppelt. Besonders unter Kindern und Jugendlichen, die ohne Impfschutz in den überfüllten Schulen sitzen, steigt die Sieben-Tage-Inzidenz ständig an. Bei den 5–9-jährigen Kindern beträgt sie im Bundesdurchschnitt 194 und bei den 10–14-Jährigen 237. In neun Landkreisen wurden in der Altersgruppe der 10–19-Jährigen sogar Inzidenzen über 500 nachgewiesen. Dies alles sind Zahlen, die die Wirklichkeit nicht eins-zu-eins abbilden, sondern zweifellos eine hohe Dunkelziffer beinhalten.

Alle Graphiken zeigen die vierte Welle als steile Exponentialkurve, die bereits den Zenit der dritten Welle übersteigt. Trotz der Impfungen sind die Werte höher als im letzten Jahr um diese Zeit. Kein Zweifel: Im Winter droht ein massiver Anstieg der Todeszahlen. „Wir stehen im Vergleich zum letzten Jahr schlechter da,“ erklärte die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek in großer Sorge.

Die offizielle Todeszahl liegt bei 96.192. In den letzten zehn Tagen, in denen sich im Durchschnitt täglich knapp 20.000 Menschen neu infiziert haben, sind mehr als tausend Menschen (1075) an Sars-CoV-2 gestorben, also im Schnitt mehr als hundert pro Tag.

In den Krankenhäusern und Intensivstationen ist die Lage derzeit genauso schlecht oder schlechter als vor einem Jahr. Am 3. November 2021 befanden sich 2226 Covid-19-Fälle in intensivmedizinischer Behandlung; 90 waren seit dem Vortag hinzugekommen. Vor einem Jahr waren es ebenfalls rund 2000 Corona-Intensivpatienten, nachdem diese Zahl sich in wenigen Wochen verdreifacht hatte. Die Todeszahlen schossen daraufhin in kurzer Zeit in die Höhe, von 10.500 Anfang November 2020 auf das Fünffache, nämlich 56.000 Verstorbene Ende Januar 2021.

Die bedrohliche Entwicklung bestätigt die zentrale Erkenntnis des Webinars vom 24. Oktober, „Wie die Pandemie gestoppt werden kann“, das die World Socialist Web Site und die Internationale Allianz der Aktionskomitees mit führenden Wissenschaftlern aus mehreren Ländern durchführten. Wie sie nachwiesen, kann ein „Leben mit dem Virus“ keine Option sein, Die Sars-CoV-2-Pandemie, die weltweit Tod und Leid über hunderte Millionen Menschen gebracht hat, muss durch eine global koordinierte Zero-Covid-Strategie ausgerottet werden.

Eine wichtige Erkenntnis war dabei, dass mit dem Auftreten neuer Virusmutanten das Impfen alleine nicht ausreicht, um die Kurve wieder nach unten zu drücken. Um Corona zu beenden, müssen alle nicht-lebenswichtigen Betriebe geschlossen und Maßnahmen wie Testen, Rückverfolgen und Isolieren aller Fälle systematisch ergriffen werden. Gleichzeitig ist es nötig, die arbeitende Bevölkerung für Lohnausfälle zu entschädigen und die Familien sozial zu unterstützen.

Es liegt auf der Hand, dass dies nicht allein medizinische, sondern auch politische und soziale Schritte erfordert. Dazu ist es notwendig, die Arbeiterklasse global zu mobilisieren. Dass die bürgerlichen Regierungspolitiker weder willens noch fähig sind, ein solches Programm durchzusetzen, das haben sie längst bewiesen.

So will die neue Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen die Durchseuchungspolitik noch verschärfen. Gerade hat sie angekündigt, die „epidemische Notlage von nationaler Tragweite“ am 24. November auslaufen zu lassen. Bereits sind die kostenlosen Bürgertests abgeschafft worden, und in den Schulen ist in mehreren Bundesländern sogar die Maskenpflicht aufgehoben worden. Dies, obwohl die hochansteckende Deltavariante das Infektionsgeschehen zu 99 Prozent dominiert. Zweifellos wird diese Politik zu vielen weiteren Tausend Corona-Toten führen. Sehenden Auges gehen die Politiker in eine soziale Katastrophe.

Schon jetzt kommt es in immer neuen Seniorenheimen zu massenhaften Corona-Ausbrüchen und Todeswellen. In dieser Woche sind in einem Altenpflegeheim in Norderstedt (Schleswig-Holstein), nördlich von Hamburg, 68 Senioren und 22 Mitarbeiter an Covid-19 erkrankt und bisher sechs Heimbewohner gestorben.

Auf ähnliche Weise hat ein Corona-Ausbruch in einem Seniorenheim in Schorfheide, Landkreis Barnim (Brandenburg), zum Tod von 14 Bewohnern geführt; in der Einrichtung sind 44 Bewohner und 15 Mitarbeiter an Covid-19 erkrankt. Auch in München meldete das Haus St. Josef gerade einen Ausbruch: Dort sind 39 Bewohner und elf Mitarbeiter Corona-positiv getestet worden.

Längst trifft es indessen nicht nur die ältere Generation, und in die Krankenhäuser und Intensivstationen werden immer mehr auch jüngere Patienten eingeliefert. Entgegen der Propaganda sind auch Kinder und Jugendlichen akut bedroht. Darauf weist ein neues Dokument des RKIs hin.

Demnach können auch asymptomatisch erkrankte Kinder im Zuge einer Covid-19-Infektion an der schwerwiegenden Folgeerkrankung PIMS (Paediatric Inflammatory Multisystem Syndrome) erkranken, die zum Tode führen kann. Das RKI warnt: „Bei zunehmender SARS-CoV-2-Ausbreitung unter Kindern könnte es im Winter zu einer hohen Zahl an Infektionen im Kindes- und Jugendalter kommen. Je mehr Kinder infiziert werden, desto höher würde dann auch die Anzahl der schweren Krankheitsverläufe ausfallen.“

Das RKI weist auch auf die Folgen von Long Covid hin, die bisher noch nicht vollständig erforscht worden sind. In seinem Schreiben von dieser Woche weist das Institut, gestützt auf eine „große Kohortenstudie“, warnend darauf hin, „dass nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder und Jugendliche von Langzeitfolgen nach SARS-CoV-2-Infektion betroffen sind“.

Die scheidenden Regierungspolitiker haben diese grauenhafte Situation bewusst herbeigeführt, und die Protagonisten der „Ampel“ bereiten sich darauf vor, die „Profite-vor-Leben“-Politik noch rücksichtsloser als bisher durchzusetzen.

Mitte Oktober ist durch das ARD-Politmagazin „Kontraste“ bekannt geworden, dass Millionen Impfdosen, die die deutsche Regierung im Rahmen ihrer „Covax“-Initiative an ärmere Länder zu spenden versprachen, vor der Vernichtung stehen. Der Grund dafür: Die privaten Hersteller der Vakzine, die über Leben und Tod von Millionen Menschen entscheiden, die Pharmakonzerne Moderna und Biontech/Pfizer, haben überzogene Ausgleichszahlungen dafür gefordert, weil sie anschließend weniger Impfstoffe an die armen Länder verkaufen könnten.

Die Ausgleichszahlungen, die sie verlangen, sollen zu dem vertraglich vereinbarten Kaufpreis, der aus Steuermitteln bezahlt wird, noch hinzukommen. Anstatt 100 Millionen Impfdosen, wie ursprünglich versprochen, hat die deutsche Regierung infolgedessen bisher erst 19 Millionen Dosen tatsächlich geliefert.

An einem anderen, wahrhaft makabren Beispiel, das den Gesundheitskonzern Fresenius betrifft, zeigt sich die vorherrschende kapitalistische Logik besonders anschaulich. Es betrifft das Geschäft mit den Dialysepatienten, die für die Blutreinigung regelmäßig im Krankenhaus medizinische Geräte nutzen müssen. Eine Tochter dieses Konzerns namens Fresenius Medical Care (FMC) stellt solche Dialysegeräte her. Weil immer mehr Dialysepatienten an Corona sterben, will FMC jetzt 5000 ihrer weltweit 125.000 Mitarbeiter entlassen.

FMC-Chef Rice Powell, der dies am 2. November bei der Vorlage der Quartalsbilanz bekanntgab, rechnete vor, dass in den zwölf Monaten bis zum 30. September 2021 weltweit etwa 11.500 Dialysepatienten mehr als erwartet gestorben seien. Zynisch sprach er von einem „deutlich stärkeren Covid-19-Effekt auf unser Geschäft, als wir Anfang des Jahres prognostiziert hatten“.

Um die Profite wieder in die Höhe zu treiben, reagiert Fresenius jetzt also mit Massenentlassungen. An der Börse kamen die Pläne sehr gut an, und die im DAX notierten Aktien von FMC und Fresenius erzielten hohe Gewinne. Während die Intensivstationen überquellen und die Todeszahlen steigen, knallen erneut die Sektkorken an den Börsen.

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