Europäische Seuchenschutzbehörde ECDC warnt: Omikron könnte „innerhalb weniger Monate“ die vorherrschende Variante in Europa werden

Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) warnte am Donnerstag, die neue Omikron-Variante des Coronavirus könnte in kürzester Zeit die vorherrschende Variante in der Europäischen Union werden. Es erklärte, die als „besorgniserregend“ (VOC, Variant of Concern) eingestufte Variante sei leichter übertragbar als die Delta-Variante, die gegenwärtig in Europa für die meisten Fälle verantwortlich ist.

Menschen mit Gesichtsmasken am Pariser Bahnhof Saint Lazare, 30. November 2021 (AP Photo/Lewis Joly)

Die ECDC schrieb: „Vorläufige Daten aus Südafrika lassen vermuten, dass die Variante einen deutlichen Wachstumsvorteil gegenüber der Delta-VOC hat. Wenn dies der Fall ist, deuten mathematische Modelle darauf hin, dass die Omikron-Variante in den nächsten Monaten für mehr als die Hälfte aller Infektionen in der EU und dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verantwortlich sein wird. Je größer der Wachstumsvorteil von Omikron gegenüber Delta und je größer ihre Verbreitung in der EU und dem EWR ist, desto schneller wird die Omikron-Variante für die Mehrheit aller Infektionen mit Sars-CoV-2 verantwortlich sein.“

Da genetische Studien der Omikron-Variante zeigen, dass sie vermutlich über eine beträchtliche Resistenz gegen die bestehenden Corona-Impfstoffe verfügt, hat die Ankündigung weitreichende Auswirkungen. Die ECDC erklärte: „Die Existenz mehrerer Mutationen im Spike-Protein der Omikron-Variante deutet auf ein höheres Potenzial hin, die Wirksamkeit von Antikörpern zu reduzieren, die durch Impfung oder Infektion entstanden sind.“

Noch vor der ECDC hatte sich Stéphane Bancel, der Vorstandschef des Pharmaunternehmens Moderna, gegenüber der Financial Times ähnlich geäußert: „Ich glaube, es gibt keine Welt, in der [die Wirksamkeit des Impfstoffs] das gleiche Niveau hat … wie bei Delta.“ Über die Wirksamkeit von Impfstoffen gegen die Omikron-Variante erklärte er: „Ich denke, es wird eine erhebliche Abnahme geben ... Alle Wissenschaftler, mit denen ich gesprochen habe ... sagen: Das verheißt nichts Gutes.“

Doch die europäischen Regierungen setzen nahezu ausschließlich auf Impfungen, während soziale Distanzierungsmaßnahmen abgelehnt werden, obwohl diese zur Eliminierung der Übertragungen notwendig wären. Das gleichzeitige Wüten der Delta-Variante hat zu einer Katastrophe geführt, da hunderte Millionen Menschen in Europa noch nicht geimpft sind und die Delta-Variante bereits resistenter gegen Impfstoffe ist als die ursprüngliche Variante des Virus. Bereits jetzt infizieren sich in Europa jede Woche fast drei Millionen Menschen mit Covid-19, die Zahl der Toten beträgt 30.000 pro Woche.

Die Neuinfektionen liegen auf Rekordniveau oder fast auf Rekordniveau. Deutschland verzeichnete am Donnerstag 73.486 neue Fälle, Großbritannien 53.945, Frankreich 49.610, die Niederlande 23.043, Tschechien 21.126 und Belgien 20.409. Auch in Südeuropa steigen die Infektionsraten nach einem Rückgang im Herbst rapide an. Italien vermeldete am Donnerstag 16.806 Fälle und Spanien 14.500. In Russland liegt die Zahl der Todesfälle mit 1.221 nahe am Rekordwert, und in Deutschland starben diese Woche an mehreren Tagen mehr als 400 Menschen.

In Westeuropa gibt es bereits Dutzende von bestätigten Fällen der Omikron-Variante, durch die eine noch drastischere Eskalation der Pandemie droht. In den Niederlanden gibt es mindestens 16 bestätigte Fälle, neun in Großbritannien, acht in Frankreich, jeweils vier in Dänemark und Deutschland, zwei in Spanien und jeweils einen in Schweden, Norwegen, Tschechien, Österreich, Belgien und Italien.

Im dänischen Aalborg wurde ein Mann positiv auf die Omikron-Variante getestet, nachdem er mit 1.600 weiteren Fans bei einem überfüllten Konzert von Martin Jensen war. Die Nachricht löste Befürchtungen über ein mögliches Superspreader-Event aus. Die dänischen Behörden bitten die Teilnehmer des Konzerts, sich sofort testen zu lassen.

Nick Holm, der Direktor des Aalborger Kongress- und Kulturzentrums, in dem das Konzert stattfand, beharrte darauf, dass sich sein Personal strikt an alle Gesundheitsvorschriften gehalten hat: „Wir befolgen die Richtlinien auf den Buchstaben genau. Diesbezüglich ist niemand ohne einen gültigen Corona-Pass reingekommen.“ Dies unterstreicht erneut die Wahrscheinlichkeit, dass die Omikron-Variante die bestehenden Impfstoffe umgehen kann.

Schon bevor die Omikron-Variante aufgetaucht war, hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gewarnt, dass es in Europa bis März mehr als 700.000 weitere Tote durch Covid-19 geben könnte. Durch die neue Variante könnte die Zahl der Toten in Europa in diesem Winter in die Millionen gehen.

Doch trotz dieser dramatischen Lage weigern sich die europäischen Regierungen, die notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus zu treffen. Stattdessen setzen sie die „Profite vor Leben“-Politik weiter fort, die in Europa bereits zu mehr als 1,5 Millionen Toten geführt hat.

Der französische Gesundheitsminister Olivier Véran erklärte am Dienstag gegenüber der Zeitung Sud Ouest: „Unsere Strategie bleibt trotz der Omikron-Variante unverändert.“ Er schloss Lockdown-Maßnahmen wie die Schließung von Schulen und nicht systemrelevanten Unternehmen aus, die jedoch notwendig wären, um die Übertragung des Virus zu verhindern. Er behauptete, das einzig Notwendige seien „Impfungen, Booster-Impfungen, soziale Distanzierung und Maskentragen“.

Die spanische Regierung aus PSOE und Podemos hat eine „Botschaft der Gelassenheit“ an die Bevölkerung gerichtet und betont, außer Maskentragen und Impfungen seien keine weiteren Maßnahmen notwendig: „Wir müssen tun, was wir in dieser Pandemie immer getan haben: verantwortlich und solidarisch sein, uns impfen lassen, Masken tragen und damit unsere Gesundheit und die unserer Landsleute schützen.“

Diese Politik des sozialen Mords hat zum Ziel, jede Aufforderung zum Zu-Hause-Bleiben, die den Fluss der Unternehmensprofite an die Banken verlangsamen würde, zu vermeiden, und außerdem jede breite international koordinierte soziale Mobilisierung der Bevölkerung zur Eindämmung des Virus zu verhindern.

In Deutschland ist die Reaktion der herrschenden Klasse nicht minder kriminell. Es sind keine ernsthaften Maßnahmen geplant, obwohl sich am Donnerstag mehr als 73.000 Menschen infiziert haben und fast 400 an Covid-19 starben und obwohl Intensivpflegepatienten aus Deutschland, Österreich und den Niederlanden in andere europäische Staaten verlegt werden müssen, weil in vielen Regionen die Krankenhäuser überlastet sind.

Die Entscheidungen der Ministerpräsidentenkonferenz von Donnerstag waren völlig unzureichend. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), ihr designierter Nachfolger Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidenten der Bundesländer einigten sich lediglich auf einige zusätzliche Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte, die Einführung der 2G-Regel (geimpft oder genesen) im Einzelhandel und die Wiedereinführung der Maskenpflicht in Schulen. Zudem sind private Feuerwerke an Silvester verboten.

Großveranstaltungen wie Fußballspiele oder Konzerte hingegen sollen weiterhin erlaubt sein. Lediglich die Zahl der Zuschauer soll auf 5.000 (!) Menschen in Innenräumen und 15.000 (!) draußen beschränkt werden.

Alle im Bundestag vertretenen Parteien – von der rechtsextremen AfD bis hin zur Linkspartei – lehnen die Schließung von Schulen und der nicht systemrelevanten Produktion vehement ab. Letzte Woche ließ die künftige Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP die „epidemische Notlage von nationaler Tragweite“ auslaufen, wodurch die rechtliche Grundlage für strenge landesweite Maßnahmen wegfiel.

Dabei werden die Parteien von den Gewerkschaften unterstützt, die seit Beginn der Pandemie Lockdowns ablehnten und Unternehmen und Schulen geöffnet lassen wollten. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) schrieb am Dienstag auf Twitter: „Dass Massenveranstaltungen stattfinden und Schulen geschlossen werden, das geht nicht. Es muss alles dafür getan werden, damit Bildungseinrichtungen offen bleiben.“

Die Pandemie enthüllt die tiefe Kluft zwischen der Arbeiterklasse und den Gewerkschaften sowie allen pseudolinken Parteien des gehobenen Kleinbürgertums. Während die Letzteren im Interesse des Finanzkapitals auf Öffnungen drängen, bevorzugt die große Mehrheit der Bevölkerung strenge Lockdown-Maßnahmen. Laut dem Trendbarometer von RTL und n-tv von Dienstag befürworten 65 Prozent der Bundesbürger (ein deutlicher Anstieg von den 61 Prozent der Vorwoche) einen allgemeinen Lockdown. Diese Daten wurden zudem bereits erhoben, bevor die Omikron-Variante allgemein bekannt wurde.

Die Arbeiterklasse muss die Sache in die eigene Hand nehmen und als unabhängige politische Kraft intervenieren, um die notwendigen Schutzmaßnahmen durchzusetzen. Dazu muss sie Aktionskomitees für Sicherheit in allen Schulen und Firmen errichten, die die wissenschaftlich notwendigen Notfallmaßnahmen einleiten und die Pandemie auf der Grundlage einer globalen Eliminierungsstrategie bekämpfen.

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