„Ich habe dieses Jahr meine Frau und meine Mutter verloren“:

Ehemaliger Beschäftigter des britischen NHS, Charles Persinger, spricht mit Global Workers’ Inquest über Covid-19-Pandemie

Charles Persinger (56) arbeitet in Altersteilzeit als Verhaltenstherapeut und hat den Global Workers’ Inquest zur Covid-19-Pandemie der WSWS mit seiner Zuschrift unterstützt. Seine Mutter Susan starb im Januar 2021 an Covid-19, nachdem sie sich im Dezember zuvor im Krankenhaus mit dem Virus angesteckt hatte. Seine Frau Katie, Leiterin eines Pflegeheims, starb im Februar ebenfalls an dem Virus.

Seit Katies Tod betreibt Charles zu ihren Ehren den Twitter-Account Katie's Voice, um über die Gefahren durch Covid-19 zu sprechen. Er beteiligt sich intensiv an der Kampagne Covid-19 Bereaved Families for Justice (Familien von Covid-19-Opfern für Gerechtigkeit).

Charles erklärte gegenüber der WSWS: „Meine Frau hat mehr als 25 Jahre in der Pflege gearbeitet, ich zehn Jahre lang. Ich war immer an der Front, in Schlüsselpositionen. Daneben habe ich auch im Sicherheitsbereich gearbeitet.

Letztes Jahr bin ich während der Pandemie wieder zurück in die Pflege, in die Privatwirtschaft. Ich habe mit Leuten mit Lernschwierigkeiten und psychischen Problemen gearbeitet.

Meine Geschichte begann im Dezember [2020], als sich meine Frau und meine Mutter beide mit Covid-19 ansteckten. Meine Mutter Susan kam ins Krankenhaus. Sie war hingefallen – sie war schon älter und an frühzeitiger Demenz erkrankt. Es war nicht so schlimm, dass sie nicht wusste, dass es eine Pandemie gibt. Es war ihr bewusst, und sie traf alle Vorkehrungen: Sie benutzte Desinfektionsmittel, trug eine Maske und hielt Abstand. Sie hat ihre Sicherheit sehr ernst genommen.

Sie war hingefallen und musste ins Krankenhaus. Vierzehn Tage später wurde uns telefonisch mitgeteilt: ,Ihre Mutter hat Covid.‘ Damit begann die Katastrophe, als unsere Familie wirklich Probleme mit Covid bekam. Es war das erste Mal, das jemand, den ich kannte, Covid hatte.

Weil sie 85 Jahre alt und gebrechlich war, hat Covid sie schnell erwischt. Innerhalb von zwei Wochen ist sie an einer Lungenentzündung gestorben, die von Covid verursacht wurde. Sie ist praktisch erstickt.

Wir bekamen einen Anruf und ich konnte meine Mutter vor ihrem Tod noch einmal sehen. Als ich sie besuchte, bekam ich auch einen Anruf von meiner Frau Katie, die mir sagte: ,Ich hab’ Covid.‘ Meine Frau hat sich angesteckt, während ich meine Mutter im Krankenhaus besucht und ihr beim Sterben zugesehen habe.

Meine Frau war Assistentin der Geschäftsleitung in einem Pflegeheim. Während meine alte Mutter im Krankenhaus starb, arbeitete meine Frau an der Front. Covid war in ihr Heim eingedrungen, das Personal fiel um wie die Fliegen, Patienten erkrankten, sie mussten kämpfen, um den Schichtbetrieb und alles andere aufrechtzuerhalten.

Meine Frau hat ihr Leben der Pflege von Mitmenschen gewidmet. Sie konnte sich nicht zurücklehnen und untätig zu Hause sitzen. Sie ging zur Arbeit, und dort hat sie sich am 19. Dezember mit Covid angesteckt. Nur einen Tag davor, am 18., hatte sie ihre Impfung bekommen.

Ich habe dieses Jahr meine Frau und meine Mutter verloren. Meine Mutter starb im Januar, ich konnte noch Zeit mit ihr verbringen. Und dann ging ich direkt nach Hause, um mich um Katie zu kümmern.

Ich konnte mich noch drei oder vier Tage kümmern. Sie sagte, es gehe ihr gut, ein bisschen grippig. Aber dann ging es schnell, sehr schnell, als es ausbrach. Innerhalb von drei oder vier Tagen fühlte sie sich bereits so schlecht, dass ich wusste, dass ich mich nicht mehr um sie kümmern konnte. Ich konnte zusehen, wie es mit ihr bergab ging, sie rang um Atem, ihr war unwohl, ihre Temperatur stieg an – das ganze Spektrum, was Covid mit einem macht.

Ich rief einen Krankenwagen für sie und es war schon eine große Herausforderung, sie ins Krankenhaus zu bringen, weil der National Health Service seinerzeit überlastet war.

Die Sanitäter taten für meine Frau, was sie konnten. Sie gaben ihr Sauerstoff, versuchten sie zu stabilisieren und all das. Aber wir haben mehr als zweieinhalb Stunden auf einen Krankenwagen gewartet. Es ging hier um eine Frau, die zu dem Zeitpunkt sehr, sehr krank war.

Das Notfallteam musste sich wirklich große Mühe geben, einen Krankenwagen für uns aufzutreiben. Sie mussten einen Krankenwagen aus einem der umliegenden Dörfer nach Swindon leiten, um meine Frau ins Krankenhaus zu bringen. Sie mussten einen aus den ländlichen Gebieten abziehen und in die Stadt beordern.“

Charles kannte die Situation durch seine eigenen Erfahrungen und die seiner Frau. Die Betten in den Krankenhäusern wurden knapp. Sie nahmen Leute aus Pflegeheimen auf und erkannten, dass sie ihnen nicht wirklich helfen konnten, also schickten sie sie zurück in die Pflegeheime. Obwohl sie infiziert waren. Seine Frau erzählte ihm davon, als bereits alles zusammenbrach.

„Sie haben über die Stadträte Druck auf die Pflegeheime ausgeübt, so wurde es gemacht. Sie haben nicht direkt den NHS dazu benutzt. Und sie brachen offensichtlich unter dem Druck zusammen.

Wir alle wussten das, aber ich konnte es damals direkt sehen. Wir haben es gelebt. Ich und meine Frau haben in der Pflegebranche gearbeitet. Wir wussten, welche Herausforderungen auf uns warten. Sie erzählte mir jeden Tag, sie würden in den Pflegeheimen auf die Masken und auf das Desinfektionsmittel warten. Sie bekamen Plastikschürzen und Papiermasken, um sich vor einem Virus zu schützen, das sich über die Luft ausbreitet.“

Charles’ Frau war einen Monat lang im Krankenhaus, bis er „einen Anruf bekam, in dem man mir sagte: ,Wir schließen Ihre Frau an ein Beatmungsgerät an. Hier, reden Sie mit ihr, Sie haben etwa zwei Minuten.‘ Das war das letzte Mal, dass ich mit ihr gesprochen habe. Man kann nicht in zwei Minuten alles sagen, was gesagt werden muss.

Ich konnte mich noch verabschieden, aber so viele konnten das nicht. Ich finde es so furchtbar traurig für diese Familien. Ich hatte etwas Zeit, mich zu verabschieden, nicht ansatzweise genug, nicht was wir verdienten. Aber immerhin hatte ich das und dafür bin ich ewig dankbar. Als ich meine Frau besuchen kam, trug ich vollständige Schutzkleidung, es wurden alle Vorsichtsmaßnahmen für meine Sicherheit getroffen.

Es ist trotzdem etwas, was mich noch verfolgt, wohl noch für lange Zeit.“

Über die Reaktion der Regierung auf das Virus erklärte Charles: „Ihr Plan hat nicht ausgereicht. Ich glaube, sie haben zuvor ein paar Übungen gemacht und unsere Reaktion auf die Pandemie geprüft und für unzureichend befunden. Aber sie haben diesen unzureichenden Plan nicht ausgebaut.

Der Gesundheitsdienst war nicht vorbereitet. Die Gemeinde hatte auch keine Pläne vorbereitet. Die Regierung hat mit der Privatwirtschaft zusammengearbeitet – sie waren nicht vorbereitet. Schaut euch die Nightingale-Krankenhäuser [provisorischen Lazarette] an, wurden die benutzt? Und was ist mit unserem Test- und Kontaktverfolgungssystem? 37 Milliarden Pfund hat man dafür ausgegeben. Das sind wahnsinnige Beträge. Das hätte dabei geholfen, Leute schneller ins Krankenhaus zu bringen, oder? Das hätte gereicht, um Beatmungsgeräte zu kaufen.

Ich glaube, der NHS wird bewusst als unfähig hingestellt, damit man ihn leichter privatisieren kann. So sieht es von innen aus. Man hat uns bewusst scheitern lassen.“

Besonders besorgt war Charles über die Ausbreitung von Covid-19 in den Schulen. „Es widert mich total an. Letzten Endes sind Kinder unsere wertvollste Ressource. Meiner Meinung nach gibt es nichts Wertvolleres als unsere Kinder.

Ungeimpfte Kinder werden ungeschützt, ohne Mitigation, ohne Masken oder Luftfilter und ohne Abstand in die Schulen geschickt. Wir wissen sehr wohl, dass unsere Schulen zu den am meisten überfüllten in Europa gehören.

Einige Familien haben gefährdete Mitglieder oder die Kinder selbst sind gesundheitlich gefährdet. Aber unsere Regierung benutzt Gesetze gegen Schulschwänzen, um Eltern dazu zu zwingen, ihre Kinder, ihre gefährdeten Kinder, in Schulen zu schicken, wo sie sich Covid einfangen und nach Hause zu ihren gefährdeten Eltern oder Geschwistern tragen.

Es ist abstoßend, dass eine Regierung es auch nur in Betracht zieht, eine Familie zu verfolgen, die Leben schützen will. Wenn eine Regierung dann sagt: ,Wir benutzen die staatliche Macht und Gesetze gegen Schulschwänzen‘, dann ist das meiner Meinung nach völlig unverzeihlich. Es grenzt an Faschismus. Es tut mir leid, aber das ist meine Meinung.“

Über die Gefahr für Lehrkräfte erklärte Charles: „Diese Leute arbeiten alle an Schlüsselpositionen. Sie werden von dieser Pandemie am stärksten getroffen. Die wichtigsten Arbeiter sind diejenigen, die sterben. Sie und die Alten. Sie haben es in der Pandemie voll abbekommen.

Ich glaube, sie versuchen in den Schulen immer noch, die Herdenimmunität zu erreichen, vor allem bei jüngeren Kindern. Es findet keine Mitigation statt, sie sind nicht geimpft, sie hatten keine Luftfilter. Solange diese Schulen nicht sicher sind, sollten wir sie nicht öffnen.“

Auf die Frage, welche Reaktion auf die Pandemie notwendig sei, erklärte Charles: „Bis es eine weltweite Impfstoffgleichheit gibt, ist niemand sicher. Das ist der Knackpunkt. Bis wir das haben, wird Covid nicht verschwinden. Eine globale Pandemie erfordert eine globale Reaktion.

Es ist eine wissenschaftlich bestätigte Tatsache, dass das Virus leichter mutiert, je mehr man seine Ausbreitung zulässt. Warum machen wir keinen Lockdown? Warum versuchen wir nicht, die Ausbreitung zu verlangsamen? Warum machen wir nicht schneller die Grenzen dicht?

Bei den ersten Spitzen war unsere Reaktion abgrundtief schlecht – langsam, schwerfällig – die Folge waren zehn-, hunderttausende Tote. Wir betreiben keine Mitigation, nicht einmal so einfache Dinge wie Masken oder Luftfilter. Sie funktionieren, wir wissen es, also warum werden nicht mehr gekauft? Warum setzen wir ihren Einsatz nicht durch? Warum gibt es keine soziale Distanzierung, kleinere Klassen, Home Office, Distanzunterricht? Wir könnten so viel tun und wir tun es nicht.

Und wir haben bewiesen, dass es möglich ist. Es gibt Unternehmen, in denen Home Office großartig funktioniert. Es gibt Systeme, die leicht umgesetzt werden können. Wir können unsere Kinder notfalls auch zu Hause unterrichten.

Ich will den Leuten nicht die Freiheit wegnehmen. Ich verstehe, dass ein Lockdown schwer ist. Aber wir müssen die Ausbreitung dieser neuen Varianten unterbrechen und der Wissenschaft die Chance geben, ihren Rückstand aufzuholen. Das tun wir nicht...

Manchmal muss man die drakonischsten Maßnahmen treffen oder solche, die manche als drakonisch ansehen. Aber das Leben von jemand zu retten auf Kosten einiger kleiner Freiheiten wie Maskentragen oder soziale Distanzierung in einem Laden ist nicht unzumutbar. Wenn man auf das Allgemeinwohl schaut und auf ein Virus, das über fünf Millionen Menschen getötet hat, muss es ernst genommen werden.

Je eher man diese Maßnahmen ergreift, desto eher kann man wieder sein Leben in Angriff nehmen. Aber bis Covid ausgerottet ist, ist niemand sicher. Wir brauchen eine globale Strategie. Es reicht nicht, wenn nur ein Land Maßnahmen ergreift, weil wir wissen, wie gern Covid reist. Es muss eine globale Reaktion auf die Pandemie geben, und wir dürfen keine Rücksicht auf finanzielle Interessen nehmen, sondern die öffentliche Gesundheit an die erste Stelle stellen.“

Charles fügte hinzu: „Das Schlimmste, was man sagen kann, ist: ,Wir müssen lernen, mit Covid zu leben.‘ Das ist das Lächerlichste, was ich je gehört habe. Man lebt nicht mit Covid, wenn jede Woche Tausende Menschen sterben. Das ist meiner Meinung nach nicht ,leben mit Covid‘, sondern sterben mit Covid. Man hört Abgeordnete sagen: ,Wir müssen uns daran gewöhnen, mit Covid zu leben.‘ Nein, das müssen wir nicht.

Ich bin immer noch überzeugt, dass die Regierung die Wirtschaft dem Wohlergehen der Nation vorzieht. Sie machen sich Sorgen um ihre Aktien und Wertpapiere. Es ist ganz offensichtlich, was abläuft. Und sie sollten sich Sorgen machen. Das wird ihnen um die Ohren fliegen. Diese Blase wird ja wohl nicht ewig Bestand haben.“

Charles forderte eine Erklärung für die erschütternde Behandlung von Gesundheits- und Pflegepersonal: „Sie wissen, dass sie den Leuten unzureichende Schutzausrüstung gegeben haben. Ich will wissen, wer diese Entscheidungen getroffen hat und warum sie es für vertretbar hielten, unser Frontpersonal, unsere Pflegekräfte und unser NHS-Personal in diese Lage zu bringen. Das ist völlig inakzeptabel.

Die Minister, die für dieses Land verantwortlich sind, sollten sich den Fragen stellen und für ihre Entscheidungen zur Verantwortung gezogen werden. Das geht schon zu lange so. ... Meine Kollegen, ehemalige und aktuelle, sehen das genauso.

Tatsache ist, dass sie keine Verantwortung übernehmen wollen, also müssen wir sie dazu zwingen.“

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