Neue Verteidigungsministerin besucht deutsche Kampftruppen in Litauen

Am Sonntag absolvierte die neue Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) ihren ersten Antrittsbesuch ausgerechnet bei den seit 2017 in Osteuropa stationierten deutschen Nato-Kampftruppen in Litauen. Das Signal ist unmissverständlich. Die Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen wird den deutschen Militarismus vor allem auch gegenüber der Atommacht Russland weiter eskalieren.

Deutsche Soldaten in Litauen (AP Photo/Mindaugas Kulbis)

„Meine erste Einsatzreise führt mich ganz bewusst nach Litauen. Ich bin hierhergekommen, weil ich die deutlichen Signale des Zusammenhalts unter den Alliierten unterstützen möchte“, erklärte Lambrecht bei einem gemeinsamen Presseauftritt mit ihrem litauischen Pendant Arvydas Anušauskas. Deutschland stehe „ganz fest an der Seite unserer Partner und Freunde. Und wir setzen auch die hervorragende Kooperation unserer Streitkräfte fort.“

Die „gemeinsamen Herausforderungen“ seien „vielfältig“, so die Verteidigungsministerin weiter. Man habe „intensiv über die Lage an der belarussischen Grenze gesprochen“. Auch „die Lage in der Ukraine“ sei „ernst“, sie könne „die Sorgen unserer baltischen Verbündeten nachvollziehen“ und verstehe, „wenn man sich bedroht fühlt“. Lambrecht erklärte zwar, dass die Situation „diplomatisch gelöst werden“ müsse, drohte Russland aber explizit mit Sanktionen und einer verstärkten militärischen Aufrüstung.

„Wir müssen die Frage möglicher Sanktionen im Blick haben – und das haben wir auch sehr intensiv. Und wir müssen natürlich auch die Frage der Abschreckung und der Konsequenz im Blick haben – und das haben wir auch.“ Sie könne berichten, dass „beispielsweise Deutschland die Bereitschaft der schnellen Eingreiftruppe erhöht hat“. Dies sei ein „wichtiges Signal, dass wir eben auch handeln, wenn handeln geboten ist“. Man werde natürlich weiter mit Moskau reden, aber es könne „nicht sein, dass Russland den Nato-Partnern vorschreibt, wie sie sich aufzustellen haben“.

Das ist mehr als provokativ. 80 Jahre nach dem Vernichtungskrieg des Dritten Reichs gegen die Sowjetunion spricht die deutsche Verteidigungsministerin Russland das Recht ab, den bedrohlichen Militäraufmarsch an seiner Grenze auch nur zu kritisieren. Dabei steht die Stationierung deutscher Kampftruppen in Osteuropa direkt in der Tradition der imperialistischen Großmachtpolitik des Kaiserreichs und des Nazi-Regimes.

Vor ihrer Reise behauptete Lambrecht in einem Interview mit der Bild-Zeitung, Russland sei der „Aggressor“. Das ist eine offensichtliche Lüge. Die Nato-Mächte kreisen Russland seit der Auflösung der Sowjetunion systematisch ein. In der Ukraine organisierten Washington und Berlin Anfang 2014 in enger Zusammenarbeit mit faschistischen Kräften einen Putsch gegen den pro-russischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch. Seitdem nutzen die imperialistischen Mächte die vor allem defensive Reaktion Russlands, um den Kriegs- und Aufrüstungskurs systematisch voranzutreiben.

Die von Lambrecht gepriesene „hervorragende Kooperation“ der Nato-Streitkräfte in Osteuropa nimmt immer offener die Form direkter Kriegsvorbereitungen gegen Russland an. „Iron Wolf, Saber Strike, Flaming Thunder oder Eager Leopard – das Üben des Gefechtes ist ein immer wiederkehrendes Element und Ereignis bei Enhanced Forward Presence“, heißt es in einem Artikel auf der offiziellen Website der Bundeswehr mit dem Titel „EFP: Bündnisverteidigung an der Ostflanke“. Bei „Gefechtsübungen und Manövern“ trainiere man „zahlreiche Szenarien – vom Häuser- und Stellungskampf bis zur Verzögerung eines anrückenden Feindes“.

Tatsächlich sind es die Nato-Einheiten, die immer weiter vorrücken. Laut einem aktuellen Bericht des Spiegel schlug der Supreme Allied Commander für Europa (Saceur), US-General Tod D. Wolters, vor wenigen Tagen in einer geheimen Videokonferenz mit den militärischen Führern der verbündeten Nato-Mächte vor, ähnlich wie in den baltischen Staaten und Polen auch in Rumänen und Bulgarien „Battlegroups“ im Rahmen der EFP aufzustellen.

Die bereits existierenden „Battlegroups“ wurden 2017 ausgehoben. Sie sind jeweils etwa 1000 Mann stark und bis an die Zähne bewaffnet. Die von Deutschland geführte Kampfgruppe in Litauen wird seit August in der mittlerweile zehnten Rotation vom deutsch-niederländischen Panzerbataillon 414 aus Lohheide (Niedersachsen) geführt. Unterstützt wird es durch weitere Einheiten, u.a. durch Teile des Panzerpionierbataillons 130 aus Minden und der 43. Mechanisierten Brigade aus Havelte. Laut Angaben der Bundeswehr sind sie ausgestattet „mit einer Vielzahl an Großfahrzeugen, darunter mehrere Dutzend Panzer (Kampf-, Berge-, Pionier-, Brückenlege- und Schützenpanzer)“.

Bei ihrem martialischen Aufmarsch im Osten stützt sich die herrschende Klasse auch in der deutschen Armee direkt auf faschistische Kräfte. Im Sommer wurde ein kompletter Panzergrenadierzug aus Litauen vorzeitig nach Deutschland zurückbeordert, nachdem bekannt geworden war, dass Soldaten ein Geburtstagslied für Adolf Hitler gesungen hatten und durch rassistische und sexistische Übergriffe aufgefallen waren. Es ist bekannt, dass in der Bundeswehr umfassende rechtsextreme Netzwerke existieren. Sie werden von der herrschenden Klasse systematisch geschützt und eingesetzt, um die Rückkehr des deutschen Militarismus nach innen und außen durchzusetzen.

Lambrechts Interview mit der Bild-Zeitung lässt keinen Zweifel daran, dass die Ampel den Aufrüstungs- und Kriegskurs der Großen Koalition in jeder Hinsicht weiter eskalieren wird. Auf die Frage des Blatts, ob sie bereit sei, „Bundeswehrsoldaten in die Ukraine zu schicken“, schließt sie selbst das nicht aus. Man müsse „alle Optionen der Diplomatie und der Wirtschaftssanktionen ausschöpfen. Und auch alle weiteren Schritte müssen eng im Bündnis abgestimmt werden.“

Ähnlich wie die neue grüne Außenministerin Annalena Baerbock in einem früheren Interview, stellt sich auch Lambrecht hinter die nukleare Teilhabe und droht Russland indirekt mit Atomwaffen. Deutschland werde „die Tornados der Luftwaffe, die die amerikanischen Atomwaffen ins Ziel tragen würden“ (Bild), bis 2030 durch neue nuklearwaffenfähige Kampfflugzeuge ersetzen, so die Verteidigungsministerin. Dabei werde sie „alle Optionen abwägen“. Beim Eurofighter müsse man „klären, ob und wie schnell ihn die USA für atomare Waffen zertifizieren würden“. Deutschland tue deshalb „gut daran, auch eine europäische Lösung ganz konsequent zu prüfen“.

Die herrschende Klasse Deutschlands verfolgt das erklärte Ziel, Europa unter deutscher Führung zu organisieren, um seine wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen gegen die anderen Großmächte durchzusetzen. Das erfordert eine massive Aufrüstung. Auf die Frage von Bild, ob sie „hinter dem 2-Prozent-Ziel der Nato“ stehe, antwortet Lambrecht: „Ich stehe hinter dem 3-Prozent-Ziel, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart ist und unsere militärischen, diplomatischen und entwicklungspolitischen Ausgaben umfasst.“ Es sei „gut, dass [der neue sozialdemokratische Bundeskanzler] Olaf Scholz deutlich gemacht hat, dass er die Bundeswehr im Rahmen der Möglichkeiten des Haushaltes finanziell besser ausstatten möchte.“

Inmitten der Pandemie ist das eine doppelte Kriegserklärung an die Bevölkerung. Während für die Bekämpfung von Covid-19 angeblich keine Ressourcen da sind und wöchentlich allein in Deutschland tausende sterben, sollen dem Militär zig weitere Milliarden zur Verfügung gestellt werden, um Kriege vorzubereiten, die noch mehr Menschenleben kosten und den gesamten Planeten vernichten könnten. Die Arbeiterklasse muss auf der Grundlage eines unabhängigen sozialistischen Programms in die politische Entwicklung eingreifen, um diese gefährliche Entwicklung zu stoppen.

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