Kolleginnen und Kollegen in Saarlouis, Valencia und an allen anderen Standorten,
wir sind eine Gruppe von Ford-Arbeitern, die nicht länger bereit ist den systematischen Ausverkauf unserer Arbeitsplätze und die ständige Verschlechterung unserer Löhne und Arbeitsbedingungen kampflos hinzunehmen.
Am Donnerstag übergaben unsere Werksleitungen in Saarlouis und Valencia ihre Kürzungspläne an die Ford-Europa-Zentrale in Köln. Diese Kürzungen haben sie in den vergangenen Wochen mit den Betriebsräten ausgearbeitet. Das alles geschah hinter unserem Rücken. Wir sind nicht gefragt worden und wir lehnen diese Zugeständnisse entschieden ab.
Verzicht rettet keinen Arbeitsplatz! Das ist die bittere Erfahrung der vergangenen Jahre. All unser Verzicht in der Vergangenheit und all die Zugeständnisse, die bereits an allen Standorten gemacht wurden, sind heute keinen Cent wert. Die Gewerkschaften und Betriebsräte behaupten das Gegenteil. Aber es ist ihre feige Unterordnung unter die Profitinteressen der Konzernleitung, die die Misere geschaffen hat, in der wir uns heute befinden.
Wir lehnen die Erpressung und den brutalen Wettbewerb zwischen uns und unseren Standorten prinzipiell ab. Das gegeneinander Ausspielen führt in die Katastrophe. Denn es würde nicht lange dauern, dann müsste der so genannte Gewinner gegen die Billiglöhne in Rumänien oder der Türkei konkurrieren. Diese Spirale abwärts hat kein Ende.
Damit muss Schluss sein! Wir sind Arbeiter und keine Sklaven. Wir haben Rechte!
Wir fordern das sofortige Ende der Geheimverhandlungen von Betriebsräten und Unternehmensleitung an allen Standorten und die sofortige Bekanntgabe der abgegebenen Angebote und aller Vereinbarungen.
Die Behauptung der Betriebsräte, es gäbe zur Erpressung des Bieterwettbewerbs und zu Lohnsenkung und Sozialabbau keine Alternative, weisen wir aufs Schärfste zurück. In Wahrheit wurden alle Rechte und sozialen Errungenschaften der Arbeiter – sei es der Achtstundentag, das geregelte Lohnsystem, der bezahlte Urlaub, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Arbeitssicherheit und vieles anders mehr – im gemeinsamen, solidarischen Kampf aller Arbeiter gegen die Kapitalisten erkämpft. Die Begriffe „Arbeitersolidarität“ und „internationale Zusammenarbeit“ sind aufgrund heftiger und oft blutiger Klassenschlachten tief im kollektiven Bewusstsein der Arbeiter verankert.
Doch die Lakaien der Konzernherren in den Gewerkschaftshäusern und Betriebsratsbüros kennen nur die Argumente der Manager und handeln wie soziale Abbruchunternehmer. Sie spielen die verschiedenen Standorte gegeneinander aus und unterdrücken jeden gemeinsamen Kampf zur prinzipiellen Verteidigung der Arbeitsplätze, Löhne und Sozialstandards.
Dabei kennen sich die beiden Betriebsratsvorsitzenden Markus Thal (Saarlouis) und José Luís Parra (Valencia) untereinander sehr gut über den gemeinsamen europäischen Ford-Betriebsrat, der bisher vom deutschen Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Martin Hennig geleitet wurde. Sie gehören der IG Metall, bzw. der sozialdemokratischen Mehrheitsgewerkschaft UGT an, die beide Mitglied im Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) und im internationalen Gewerkschaftsbund (IGB) sind. Aber sie nutzen diese internationalen Verbindungen nicht, um die Arbeiter zu vereinen, sondern um sie im Interesse des Konzerns gegeneinander auszuspielen und zu spalten.
Deshalb ist es wichtig, dass wir uns in unabhängigen Aktionskomitee organisieren und gemeinsame, koordinierte Kampfmaßnahmen an allen Standorten vorbereiten.
Wir sind nicht alleine. Überall wächst der Widerstand gegen immer brutalere Formen der Ausbeutung, Massenentlassungen, Betriebsschließungen und soziale Angriffe. Unsere Auseinandersetzung bei Ford ist Teil der weltweiten Krise des kapitalistischen Systems. Die Corona-Pandemie hat diese Krise deutlich beschleunigt und verschärft.
Dasselbe menschenverachtende Vorgehen des Bieterwettbewerbs prägt auch die kriminelle Durchseuchung der Betriebe. Ohne Rücksicht auf die wachsende Ansteckungsgefahr wird die Produktion aufrechterhalten – auch in den Betrieben und Abteilungen, in denen es unmöglich ist, die Sicherheitsmaßnahmen und Hygienestandards einzuhalten. Die Schulen und Kindergärten werden offen gehalten, damit die Eltern arbeiten können, ohne die geringste Rücksicht auf die katastrophalen Folgen.
Die Verteidigung der Arbeitsplätze geht deshalb Hand in Hand mit dem Kampf gegen die Durchseuchung. Wir verlangen genaue Auskunft über den Krankenstand und das Infektionsgeschehen in jedem Betrieb und jeder Abteilung.
Die Angriffe auf die Arbeitsplätze, Löhne, Arbeitsbedingungen und die Gesundheit sind das Ergebnis einer hemmungslosen Jagd nach Profit. Die Spitzenmanager und Kapitaleigner von Ford – dem zweitgrößten Autobauer der USA – sind Teil einer Finanzaristokratie, die völlig außer Rand und Band ist und alle Entscheidungen an der persönlichen Bereicherung ausrichtet. Im vergangenen Sommer meldete der Ford-Konzern eine überraschende Gewinnexplosion und kündigte für 2021 einen Profit zwischen neun und zehn Milliarden Dollar an. Das waren rund 3,5 Milliarden Dollar mehr als zu Beginn des Jahres angenommen.
Seitdem hat die Bereicherungsorgie noch zugenommen. Vor wenigen Tagen veröffentlichte die britische Hilfs- und Entwicklungsorganisation Oxfam einen Bericht in dem es heißt: „Seit Beginn der Pandemie ist alle 26 Stunden ein neuer Milliardär hinzugekommen. Die zehn reichsten Männer der Welt haben ihr Vermögen verdoppelt, während über 160 Millionen Menschen in die Armut getrieben wurden.“
Das Gerede der Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre es sei kein Geld da und deshalb müssten drastische Sparmaßnahmen akzeptiert werden, ist Lug und Trug.
Immer mehr Arbeiter in vielen Ländern durchbrechen die Kontrolle der Gewerkschaften und organisieren sich unabhängig. In den USA fand im vergangenen Jahr die größte Streikwelle seit Jahrzehnten statt. Beim Lkw- und Bushersteller Volvo Trucks, dem Autozulieferer Dana und dem Landmaschinenhersteller John Deere haben zehntausende Arbeiter von der Autoarbeitergewerkschaft UAW vereinbarte Knebelverträge niedergestimmt und sich für Streik entschieden. In Südafrika streikten Metallarbeiter, in Sri Lanka die Beschäftigten im Gesundheitswesen, in der Türkei hatten Arbeiter eine Fabrik des Autozulieferers Mitsuba besetzt organisierten spontane Streiks in Bergwerken und Metallbetrieben.
Die Zeit drängt. Es ist wichtig jetzt aktiv zu werden!
Im Sommer soll die Entscheidung über den Zuschlag eines neuen Elektro-Modells fallen. Bis dahin muss den Betriebsräten und Gewerkschaften das Heft aus der Hand genommen werden.
Um sich der Erpressung durch Management und Betriebsrat zu widersetzen, ist eine neue politische Orientierung notwendig, die von den gemeinsamen Interessen aller Arbeiter an allen Standorten ausgeht und sich der Logik des kapitalistischen Profitsystems widersetzt.
Wir rufen alle Kolleginnen und Kollegen an allen Standorten auf diesen Aufruf zu unterstützen und zu verbreiten.
Wir fordern:
- Stoppt den Bieterwettbewerb!
- Keine Zugeständnisse – weder in Saarlouis noch in Valencia
- Verteidigt alle Arbeitsplätze an allen Standorten!
Nehmt Kontakt mit uns auf. Schickt eine Whatsapp-Nachricht an folgende Nummer: +491633378340
Registriert euch hier, um anonym an unserem Treffen am kommenden Samstag (5. Februar) um 18 Uhr teilzunehmen: https://webinar.gleichheit.de/b/akt-noa-iww-dsw
Und tragt euch hier unten ein, um gemeinsam mit uns den Aufbau von Aktionskomitees an allen Standorten und weiteren Konzernen anzugehen.
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