Großbritannien: Oberster Gerichtshof lehnt Julian Assanges Berufung gegen seine Auslieferung an die USA ab

Der Supreme Court, das Oberste Gericht des Vereinigten Königreichs, lehnt es ab, die Berufung des WikiLeaks-Gründers Julian Assange gegen eine Entscheidung des High Court anzuhören. Dieser hatte Assanges Auslieferung an die Vereinigten Staaten zugelassen, wo er unter dem Espionage Act angeklagt werden soll. Der Fall wird nun an Innenministerin Priti Patel weitergeleitet, die das letzte Wort sprechen wird, sofern Assanges Anwälte keine weiteren Rechtsmittel einlegen.

Assange hat jetzt vier Wochen Zeit, um bei Patel vorstellig zu werden, was einem Gnadengesuch beim Teufel gleichkommt. Er kann auch gegen die ursprüngliche Entscheidung des Magistrates Court Berufung einlegen, der der US-Regierung in allen Punkten Recht gab, aufgrund gesundheitlicher Fragen jedoch die Auslieferung abgelehnt hatte.

WikiLeaks-Gründer Julian Assange im Gefangenentransporter, 1. Mai 2019 (AP Photo/Matt Dunham, File)

Assanges Anwälte haben die Grundlage für eine solche Berufung schon im April letzten Jahres dargelegt. Ihr Dokument ist selbst eine Anklage der pseudo-juristischen Scharade, die gegen Assange aufgeführt wird. Die Anwälte argumentieren dort, dass Assanges Auslieferung jedes ordnungsgemäße Verfahren mit Füßen treten würde, denn sie wird mit einer politischen Straftat begründet, die schon allein durch den Auslieferungsvertrag zwischen den USA und Großbritannien von vorneherein ausgeschlossen sein müsste und die jede gesetzliche Grundlage verletzt.

Die Anwälte von Assange erwägen außerdem, vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Berufung zu gehen. Das Verfahren verstößt gegen Artikel 3 (unmenschliche und erniedrigende Behandlung), Artikel 5 (ungerechtfertigte Inhaftierung), Artikel 6 (Verweigerung eines fairen Verfahrens), Artikel 7 (rückwirkende Gerechtigkeit) und Artikel 10 (Recht auf Meinungsfreiheit) der Europäischen Menschenrechtskonvention. Außerdem beruht die Auslieferung auf der Falschdarstellung von Tatsachen und wird aus geheimen politischen Motiven heraus angestrebt.

Assanges Leben ist in ernster Gefahr. Das Strafverfahren gegen ihn war von vorneherein die Fortsetzung eines gesetzwidrigen Feldzugs der CIA gegen ihn mit dem Ziel, Assange auf die eine oder andere Weise zum Schweigen zu bringen.

Der Zeitplan hat sich nun dramatisch beschleunigt. Die Entscheidung des Obersten Gerichts kam plötzlich und ohne vorherige Ankündigung. Dass der Supreme Court sich weigert, den Fall Assange überhaupt anzuhören, ist höchst ungewöhnlich. Der niedrigere High Court bescheinigte am 24. Januar, dass Assange eine „Rechtsfrage von öffentlicher Bedeutung“ aufgeworfen habe, was normalerweise den Supreme Court veranlasst, die Berufung zu prüfen.

Die entscheidende Rechtsfrage lautete: „Unter welchen Umständen kann ein Berufungsgericht Garantien eines antragstellenden Staates entgegennehmen, die dem erstinstanzlichen Gericht im Auslieferungsverfahren nicht vorlagen?“ Der High Court und die Rechtsexperten auf diesem Gebiet waren zum Schluss gekommen, dass der Fall selbst aus diesen begrenzten Gründen zu prüfen sei.

Vergangenen Monat zitierte WikiLeaks einen Bericht der angesehenen Londoner Anwaltskanzlei Bindmans über den Fall, in dem es heißt: „Auslieferungspraktiker würden ein Richtlinienurteil des Supreme Court zu diesem Punkt sehr begrüßen, da verspätet eingereichte Garantien, die die Bedenken des Gerichts über Menschenrechtsverletzungen nach einer Auslieferung zerstreuen sollen, zu einem höchst umstrittenen Thema geworden sind. Dies ist besonders dann der Fall, wenn sie von einem Staat kommen, der selbst eine schlechte Menschenrechts-Bilanz aufweist.“

Die Richter, die die Macht hätten, nach Durchsicht der Anträge Assanges tatsächliche Auslieferung durch den Supreme Court rechtlich abzusegnen, haben den Antrag stattdessen mit einem Satz abgelehnt: „Das Gericht ordnet an, dass die Zulassung der Berufung verweigert wird, weil der Antrag keine vertretbare Rechtsfrage aufwirft.“

Die Bedeutung ist klar: Die Zeit für Scharaden ist vorbei, der Fall Assange muss schnell vom Tisch.

Diese Entscheidung wurde auf höchster Ebene des britischen Staates getroffen. Sie trägt die Unterschrift des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Lord Reed und des stellvertretenden Präsidenten Lord Hodge, sowie von Lord Briggs. Der Nato-Russland-Krieg, der im Rahmen eines Stellvertreterkonflikts in der Ukraine ausgetragen wird, und der sich immer mehr einer direkten militärischen Konfrontation zwischen atomar bewaffneten Mächten nähert, ist zweifellos ein starker Ansporn zum Handeln. Für die herrschende Klasse ist jetzt klar, dass Assange zum Schweigen gebracht werden muss.

Ein möglicher Krieg der Nato-Staaten gegen Russland stützt sich auf umfassende Kriegspropaganda. Die räuberischen Ambitionen der imperialistischen Mächte müssen verschleiert und ihre Intervention als Ergebnis humanitärer Sorge um das ukrainische Volk hingestellt werden. Und die Medien plappern die Argumente der Regierung pflichtbewusst nach. Ihre Meinungsseiten werden gerade von einer Flut von antirussischer Hetze und den Forderungen nach militärischer Eskalation überschwemmt.

Weil Assange ein erklärter Feind dieses kooptierten „Journalismus“ ist, ist er seit zehn Jahren eingesperrt, und seine Gesundheit ist zerstört. Furchtlos hat er die hemmungslose Kriminalität, Barbarei und Doppelzüngigkeit des amerikanischen Imperialismus und seiner Verbündeten aufgedeckt. Deshalb ist sein Leben bedroht. WikiLeaks hat den Massenmord an Zivilisten im Irak und in Afghanistan aufgedeckt und auf den Einsatz von Folter und Todesschwadronen in beiden Ländern hingewiesen und die Grausamkeiten entlarvt, die die amerikanische Regierung in Guantanamo Bay verüben. WikiLeaks hat aufgedeckt, dass die US-Regierung weltweit intrigierte und Korruption und Putsche anzettelte.

Seitdem Russland die Ukraine überfallen hat, wird auf dem Twitter-Account von WikiLeaks der Videoclip aus einem Interview mit Assange gepostet, in dem er sagt: „Fast jeder Krieg, der in den letzten fünfzig Jahren begonnen hat, war das Ergebnis von Medienlügen (…) Keine Bevölkerung geht freiwillig und mit offenen Augen in einen Krieg.“

Der Account hat auch Links zu geheimen diplomatischen Mitteilungen der USA veröffentlicht, die von WikiLeaks erworben und 2010 veröffentlicht wurden. Dazu gehört ein Telegramm des derzeitigen CIA-Direktors William Burns, der damals Botschafter in Moskau war, aus dem Jahr 2008, in dem er vor den großen strategischen Bedenken Russlands hinsichtlich einer Nato-Mitgliedschaft der Ukraine und der Möglichkeit eines Bürgerkriegs in einem solchen Fall warnte.

Ein anderer Tweet verlinkt auf „Ein Jahrzehnt der Gaskriege zwischen Russland und den USA in Europa, dargelegt in einem Kabel der US-Botschaft (2008)“.

Kritisches Denken dieser Art, das zu einem tieferen Blick auf die Ursprünge des Krieges in der Ukraine anregt als nur zu der Frage, wer den ersten Schuss abgegeben hat, wird heute routinemäßig als das Werk einer verräterischen, Putin-freundlichen fünften Kolonne gebrandmarkt.

Tatsächlich war Assange eines der ersten Zielobjekte der Hexenjagd auf „russische Handlanger“, an deren Spitze die Demokratische Partei in den USA und die britische Zeitung Guardian stand. Dies stand im Zusammenhang mit der Kritik an Präsident Donald Trump wegen dessen zu freundlicher Haltung gegenüber Moskau.

Bei dieser Hexenjagd geht es nicht allein um die Person Julian Assanges, sondern darüber hinaus gerät jeglicher Widerstand der Arbeiterklasse gegen Nato und Krieg ins Visier. Die World Socialist Web Site schrieb im Vorfeld der erfolgreichen Berufung der US-Regierung vor dem Obersten Gerichtshof im vergangenen Oktober: „Die USA und ihre Verbündeten haben von Anfang an versucht, Assange zu vernichten – sowohl als Warnung als auch als Präzedenzfall. Auf diese Weise wollten sie jede ernsthafte Berichterstattung über imperialistische Kriegsverbrechen, Menschenrechtsverletzungen und massive staatliche Überwachung verhindern, ihre früheren Verbrechen vertuschen und neue vorbereiten.“

Solche neuen Verbrechen haben die Form einer kriminellen und gefährlichen ständigen Provokation gegen Russland angenommen, um den Einmarsch in die Ukraine zu provozieren - eine Politik, die die Gefahr eines dritten, mit Atomwaffen geführten Weltkriegs birgt. Die internationale Arbeiterklasse steht vor der dringenden Notwendigkeit, eine Massenbewegung gegen den Krieg aufzubauen und den Kampf gegen ihre eigenen kriminellen Regierungen aufzunehmen.

Die Art und Weise, wie mit Assange umgegangen wird, entlarvt die völlige Heuchelei der imperialistischen Mächte, die die Putin-Regierung wegen ihrer Unterdrückung von Antikriegsprotesten in Russland verurteilen. Es beweist, dass der britische und amerikanische Imperialismus jeden ernsthaften Widerstand gegen seine eigenen Kriegspläne mit denselben brutalen Methoden beantworten wird.

Die britische, amerikanische, russische und weltweite Arbeiterklasse muss auf der Grundlage einer gemeinsamen sozialistischen Perspektive des Klassenkampfes mobilisiert werden, um demokratische Rechte zu verteidigen und die Kriegstreiber zu stürzen. Die Kampagne zur Freilassung von Assange ist untrennbar mit diesem Kampf verbunden.

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