Am Mittwoch kündigte US-Präsident Joe Biden weitere Waffenlieferungen für die Ukraine in Höhe von 800 Millionen Dollar an – das ist mehr als doppelt so viel wie die bisherigen Waffenlieferungen der USA an die Ukraine seit Beginn des Kriegs vor 20 Tagen. Biden machte die Zusagen auf einer Sitzung des US-Kongresses am Mittwoch, zu der auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj per Videoschalte eingeladen war.
Die neuen Waffenlieferungen umfassen Tausende Panzerabwehrwaffen, rund 800 Luftabwehrraketen, 7000 Feuerwaffen wie Maschinenpistolen, zahlreiche Granatwerfer, 20 Millionen Schuss Munition und sogar Drohnen. Sie sollen aus dem 13,6 Milliarden Dollar Hilfsfonds für die Ukraine finanziert werden, den Biden am Dienstag unterzeichnet hat und der Teil des Haushaltspakets ist.
Zwischen 2014 und Anfang 2022 haben die USA der Ukraine Waffen im Wert von 2,5 Milliarden Dollar geliefert.
Laut dem Wall Street Journal erwägt das Weiße Haus auch die Entsendung zusätzlicher Soldaten nach Osteuropa. Seit Beginn der Krise wurden bereits 15.000 Soldaten dorthin entsandt.
Selenskyj erneuerte in seiner Rede vor dem US-Kongress seine Forderung nach einer Flugverbotszone über der Ukraine. Das würde bedeuten, dass die USA und die Nato russische Flugzeuge abschießen müssten. Im Vorfeld der Rede hatte bereits das Parlament des Nato-Staats Estland die Einrichtung einer Nato-Flugverbotszone über der Ukraine gefordert.
Selenskyjs Auftritt lief nach einer genau geplanten Choreographie ab. Kongressabgeordnete beider Parteien forderten schärfere Maßnahmen, die Russland als Kriegserklärung betrachten würde.
Am Dienstag hatte Selenskyj im kanadischen Parlament gefordert: „Bitte, sperren Sie den Himmel, sperren Sie den Luftraum. Bitte verstehen Sie, wie wichtig es für uns ist, dass unser Luftraum für russische Raketen und Flugzeuge gesperrt wird.“
In einer vorgezogenen Antwort auf Selenskyjs Äußerungen hatte die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, am Dienstag erklärt, Biden halte „eine Flugverbotszone weiterhin für eine Eskalation, die einen Krieg mit Russland auslösen könnte“.
Am gleichen Tag kündigte das Weiße Haus an, Biden werde am Nato-Gipfel in Brüssel am 24. März teilnehmen, der als Reaktion auf den russisch-ukrainischen Krieg angesetzt wurde.
Mehrere Kongressabgeordnete überboten sich bereits im Vorfeld von Selenskyjs Rede mit Forderungen nach schärferen Maßnahmen, um den Konflikt anzuheizen.
Am Dienstag verabschiedete der US-Senat einstimmig eine Resolution, in der Putin als Kriegsverbrecher verurteilt wurde. Mehrheitsführer Chuck Schumer (Demokraten) erklärte nach der Abstimmung: „Alle Anwesenden in dieser Kammer, Demokraten wie Republikaner, haben erklärt, dass Putin sich der Rechenschaft für seine Verbrechen am ukrainischen Volk nicht entziehen kann.“
Der demokratische Senator Richard Blumenthal und die republikanische Senatorin Marsha Blackburn planen eine Resolution, die alle russischen Banken sanktionieren würde. Laut Blumenthal würde das bedeuten, dass „Putin keinen Zugriff auf die Einnahmen aus seinen Öl- und Gasverkäufen, seinem Lebensnerv, hat“. Zudem würden andere Länder keine Geschäfte mehr mit Russland machen können.
Blumenthal erklärte stolz, wenn seine Maßnahmen verabschiedet würden, wären die russischen Energieexporte nach China unterbrochen: „China könnte das Öl kaufen, aber sie könnten es nicht bezahlen.“
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Zusätzlich hat Selenskyj die USA und die Nato aufgefordert, die internationalen Seewege für russische Schiffe zu sperren und faktisch eine Blockade gegen das Land zu verhängen, was traditionell eine Maßnahme in Kriegszeiten wäre.
Vor diesem Hintergrund finden große Nato-Militärübungen nahe der russischen Grenze statt. Diese Woche begann die Nato eine Reihe von Militärübungen in Norwegen, genannt „Cold Response 2022“, an der 40.000 Nato-Soldaten teilnehmen.
Gleichzeitig mehren sich in den Medien und dem politischen Establishment die Forderungen nach einer Flugverbotszone. Tom Enders, der ehemalige Vorstandschef von Airbus und Präsident des deutschen Council on Foreign Relations, forderte die USA auf, Flugzeuge über der Ukraine abzuschießen.
Die Gefahr einer nuklearen Eskalation wies Enders zurück: „Würde Putin dann weiter eskalieren und Nato-Staaten im Osten oder im Baltikum angreifen, sogar Atomwaffen einsetzen? Das ist sehr unwahrscheinlich, vor allem weil der Westen kein russisches Territorium angreifen würde, sondern nur russische Flugzeuge, Marschflugkörper und Raketen im ukrainischen Luftraum.“
Er kommt zu dem Schluss: „Die Einrichtung einer Flugverbotszone im Westen der Ukraine ist nicht nur durchführbar, sondern auch notwendig. Es ist Zeit, dass der Westen Putins atomare Drohgebärden als das entlarvt, was sie wirklich sind, nämlich ein Bluff, um die westlichen Regierungen von militärischem Eingreifen abzubringen.“
Die Presse ist voll mit solchen Forderungen nach einem Krieg mit Russland, die in medienfreundliche Namen wie „Flugverbotszone“ „humanitärer Korridor“ oder „humanitäre Luftbrücke“ verpackt werden. Joe Scarborough, der Schwiegersohn des US-Militärstrategen Zbigniew Brzezinski, erklärte in der Washington Post, es sei „Zeit, dass die Nato aufhört, nur auf Putins ständig wechselnde Definition zu reagieren, was eine Kriegshandlung ist... Biden sollte die Dynamik ändern, indem er selbst Störtaktiken anwendet.“
Die USA sollten „humanitäre Schutzzonen“ einrichten, über denen sie und ihre Verbündeten russische Flugzeuge abschießen könnten, so Scarborough.