Rüstungswettlauf im Bundestag

Es lässt sich schwer sagen, was an der Generaldebatte des Bundestags abstoßender war: die Beiträge der Debattenredner oder die Berichterstattung der Medien.

Die Haushaltsdebatte über den Etat des Kanzleramts wird traditionell für eine Generalaussprache zur Politik der Bundesregierung genutzt. Das war auch am Mittwoch wieder der Fall. Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) überboten sich gegenseitig mit Kriegsrhetorik. Wie Halbstarke, die sich gegenseitig übertrumpfen, versprachen beide, noch mehr tödliche Waffen in die Ukraine zu schicken und die Bundeswehr zur schlagkräftigsten Armee in Europa aufzurüsten.

CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz bei einer Rede im Bundestag [Photo by DBT / Xander Heinl / photothek]

Merz eröffnete die Debatte mit einem Dank an die Ampelkoalition, mit der sich CDU und CSU am vergangenen Sonntag auf die Ausgestaltung des „Sondervermögens Bundeswehr“ in Höhe von 100 Milliarden Euro geeinigt hatten. „Dieser Sonntag war und ist zuallererst ein guter Tag für die Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit unseres Landes, und er ist ein guter Tag für die Bundeswehr,“ sagte er.

Scholz gab den Dank später zurück. Er bedanke sich bei allen, die mitgeholfen hätten, diese Entscheidung „so konstruktiv und auch über Parteigrenzen hinweg“ zustande zu bringen. Es handle sich um einen „Quantensprung“: „Die Bundeswehr wird dann wohl die größte konventionelle Armee im europäischen NATO-System sein.“

Nachdem er seine grundsätzliche Übereinstimmung mit der Rüstungspolitik der Regierung zu Protokoll gegeben hatte, begann Merz den Kanzler heftig zu attackieren. Scholz habe am 27. Februar „eine vielbeachtete Regierungserklärung abgegeben“, in der er eine „Zeitenwende“ und die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine versprach. „Seitdem verdampft und verdunstet alles, was Sie da gesagt haben, im Unklaren, im Ungefähren.“

Die versprochenen schweren Waffen seien bis heute nicht an die Ukraine geliefert worden. Der Kanzler ruiniere das Ansehen der deutschen Politik. Er sei unredlich, unaufrichtig und unehrlich. Er engagiere sich nicht für den Aufbau einer „europäischen Sicherheitsarchitektur“. Anstatt „Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen“, sage er nur: „Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen.“ So ging es minutenlang weiter.

Scholz konterte, indem er die großen Mengen von Waffen und Munition auflistete, die Deutschland in den hundert Tagen seit Kriegsbeginn an die Ukraine geliefert hat: Flugabwehrraketen und Panzerabwehrwaffen; „mehr als 15 Millionen Schuss Munition, 100.000 Handgranaten, über 5.000 Panzerabwehrminen, umfangreiches Sprengmaterial, Maschinengewehre, Dutzende Lastwagenladungen mit sonstigen relevanten Gütern“; gemeinsam mit Dänemark „54 modernisierte gepanzerte Truppentransporter“; „20 Kampfpanzer T-72“ aus Tschechien und Schützenpanzer aus Griechenland, die von Deutschland ersetzt werden.

Hinzu kommen „zwölf der modernsten Panzerhaubitzen der Welt“ und Gepard-Flakpanzer, an denen ukrainische Soldaten derzeit ausgebildet werden: „Diese Waffe kommt mit einer Erstausstattung von 59.000 Schuss Munition; das reicht für 1200 Bekämpfungsvorgänge.“

Schließlich gab Scholz bekannt, dass die Bundesregierung entschieden habe, „das modernste Flugabwehrsystem, über das Deutschland verfügt“, sowie „ein hochmodernes Ortungsradar, das feindliche Haubitzen, Mörser und Raketenartillerie aufklärt“, an die Ukraine zu liefern.

Das vom deutschen Rüstungskonzern Diehl entwickelte Flugabwehrraketensystem IRIS-T-SLM kann Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen bis in eine Höhe von 25 Kilometern und eine Distanz von 40 Kilometern abschießen. Die Raketen werden von einem Zielverfolgungsradar gelenkt und treffen ihr Ziel im Endanflug mithilfe eines störresistenten Infrarot-Suchkopfs.

Die Entscheidung, diese hocheffektiven Waffen zu liefern, wurde laut Scholz in enger Absprache mit den USA getroffen, die der Ukraine ebenfalls hochmoderne Raketensysteme liefern, die auch Ziele tief innerhalb Russlands treffen können.

Die Folge ist eine Eskalation des Kriegs, der von der Nato gezielt provoziert wurde, und die wachsende Gefahr direkter Kampfhandlungen zwischen russischen und Nato-Truppen bis hin zum Einsatz von Atomwaffen.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte erste Berichte über die geplanten Raketenlieferungen bereits vergangene Woche mit den Worten kommentiert, man habe „den Westen aufs Schärfste gewarnt, dass er im Grunde genommen bereits einen Stellvertreterkrieg gegen die Russische Föderation“ führe. Aber diese Lieferungen seien „der schwerwiegendste Schritt zu einer inakzeptablen Eskalation“.

Es ist ein Maß für den Niedergang und die Verkommenheit der deutschen Medien, dass nicht ein Kommentar vor den gefährlichen Implikationen dieser militärischen Eskalation warnt. Stattdessen wurde Scholz für sein militärisches Auftrumpfen bejubelt. „Der Kanzler kann auch anders“ (Tagesschau) und „Der Kanzler geht in die Offensive“ (taz) lauteten die Schlagzeilen.

Was der Sozialdemokrat „bei der Generaldebatte im Parlament abliefert, hat wenig mit den stakkatohaften Schlaftabletten-Reden zu tun, für die er eigentlich bekannt ist,“ jubelte der Spiegel. „Stattdessen präsentiert sich Scholz an diesem Mittwoch so, wie man ihn selten erlebt: angriffslustig, rhetorisch bissig, in der Sache überraschend präzise.“

Hat nur einer dieser Schreiberlinge eine Sekunde darüber nachgedacht, was die Folgen sind, wenn der Konflikt mit der zweitgrößten Nuklearmacht der Welt immer weiter eskaliert? Sie tun es nicht, weil sie sich seit langem am deutschen Militarismus berauschen.

Bereits vor acht Jahren, als der damalige Bundespräsident Joachim Gauck, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen das Ende der militärischen Zurückhaltung und eine deutsche Weltmachtpolitik forderten, lagen sie ihnen zu Füßen. Nun dient der Ukrainekrieg als Vorwand, diese Pläne in die Tat umzusetzen.

Das „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro, das der Haushaltsausschuss am Mittwoch mit den Stimmen der Ampelkoalition und der CDU-CSU-Fraktion auf den Weg gebracht hat und das am heutigen Freitag im Bundestag verabschiedet wird, soll die Bundeswehr nicht nur in die größte, sondern auch in die modernste Armee Europas verwandeln.

41 Milliarden sind für die Modernisierung der Luftwaffe bestimmt. Geplant ist der Kauf nuklearwaffentauglicher amerikanische F-35-Kampfflugzeuge, die Entwicklung und der Kauf von Eurofightern mit der Fähigkeit zur elektronischen Kampfführung und die Bewaffnung von Heron-TP-Drohnen. Außerdem sollen 60 neue Transporthubschrauber, leichte Unterstützungshubschrauber für das Heer, Flugzeuge zur elektronischen Seefernaufklärung sowie Frühwarn- und Aufklärungssysteme angeschafft werden.

Ein Teil des Geldes soll auch in das deutsch-französische „Future Combat Air System“ (FCAS) fließen, dessen Entwicklungskosten auf 100 Milliarden Euro veranschlagt werden.

20 Milliarden entfallen auf die Digitalisierung der Bundeswehr.

19 Milliarden sind für die Marine bestimmt. Hier sollen Korvetten modernisiert und mindestens eine weitere Fregatte F126 angeschafft werden. Auch moderne Antischiffsraketen, die große Kriegsschiffe versenken können, Flugabwehrraketen für U-Boote, ein neues U-Boot und Mehrzweckkampfboote stehen auf der Einkaufliste.

Für das Heer sind 16,5 Milliarden eingeplant. Dafür sollen vor allem gepanzerte Fahrzeuge angeschafft, die Kommunikation (auch über Satellit) verbessert und die Voraussetzungen für eine neue, 5000 Mann starke Brigade geschaffen werden, die rasch verlegt werden kann.

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