Jerani Ratnayake, unermüdliche Kämpferin für den Trotzkismus, im Alter von 72 Jahren verstorben

Viel zu früh haben wir Genossin Jerani Ratnayake verloren, ein langjähriges Mitglied der Socialist Equality Party (SEP), der sri-lankischen Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI).

Jerani Ratnayake

Jerani starb in den frühen Morgenstunden des 8. Juli in einem Krankenhaus in Colombo an einem Herzinfarkt, nachdem sie mehrere Tage lang wegen Covid-19 behandelt worden war.

Jerani war die Frau und Lebensgefährtin von Kamilasiri Ratnayake, dem Herausgeber der World Socialist Web Site (WSWS) in Sri Lanka. Sie hinterlässt ihren Sohn Jayan Ratnayake, ihre Tochter Vaneja Ratnayake, deren Ehepartner und vier Enkelkinder.

Jerani war als eigenständige Persönlichkeit eine unermüdliche Kämpferin für den Trotzkismus. Sie wurde am 7. Februar 1949 in Jaffna geboren, der größten Stadt im überwiegend von Tamilen bewohnten Norden der Insel. Später zog die Familie in die Hauptstadt Colombo, wo ihr Vater eine Stelle bei der Stadtverwaltung antrat. Sie wohnte im Vorort Mount Lavinia am südlichen Stadtrand, wo Jerani die Girls’ High School besuchte.

Seit dem formellen Ende der britischen Kolonialherrschaft 1948 reagieren sämtliche Regierungen in Colombo auf jede ernsthafte politische Krise mit dem Schüren von Hass zwischen den Volksgruppen. 1958 kam es unter der Regierung der Sri Lanka Freedom Party (SLFP) zu den ersten größeren Ausschreitungen gegen Tamilen. Die SLFP war 1956 mit dem Programm an die Macht gekommen, Singhalesisch zur einzigen Amtssprache des Landes zu machen. Die tamilische Minderheit wurde zu Bürgern zweiter Klasse degradiert.

Nach weiteren antitamilischen Ausschreitungen 1958 sah sich Jeranis Vater gezwungen, nach Jaffna zurückzukehren. Hunderte von Tamilen aus Colombo und Umgebung, darunter auch Jeranis Familie, wurden per Schiff nach Jaffna gebracht. In Jaffna besuchte Jerani die hoch angesehene Vembadi Girls’ High School. Anschließend studierte sie an der Universität von Colombo Tamil-Wissenschaften. Nach ihrem Studienabschluss nahm sie 1973 eine Stelle in der Abteilung für Wirtschaftsforschung der Zentralbank an.

In der Zentralbank lernte sie Genossen der Vorläuferorganisation der SEP, der Revolutionary Communist League (RCL), kennen und trat der Partei bei. Von diesem Zeitpunkt an setzte sie sich aus tiefer Überzeugung für die Perspektive des Trotzkismus ein und spielte eine wichtige Rolle in der RCL-Fraktion innerhalb der Gewerkschaft der Zentralbankangestellten (Central Bank Employees Union, CBEU).

Durch ihren unnachgiebigen politischen Kampf gewann die RCL die Führung der CBEU und setzte sich gegen die Verteidiger des Kapitalismus und ihre „linken“ Handlanger durch. Jerani war mehrmals Mitglied des CBEU-Exekutivausschusses und hatte auch das Amt der stellvertretenden Schatzmeisterin inne.

Jeranis Entscheidung, Mitglied der RCL zu werden, war in vieler Hinsicht bedeutsam. Sie durchbrach die gesellschaftlichen Barrieren, die für ein wenig entwickeltes Land wie Sri Lanka typisch waren, um politisch aktiv zu werden. Sie fühlte sich angezogen von der revolutionären Politik der Partei und ihrem Kampf für die Einheit der Arbeiterklasse, unabhängig von Herkunft, Sprache und Geschlecht. Ihr kompromissloses Eintreten für diese Perspektive brachte ihr den Respekt der Bankangestellten ein. Noch heute erinnern sich ihre ehemaligen Kolleginnen und Kollegen lebhaft an ihre Redebeiträge auf CBEU-Sitzungen.

Demonstration der Revolutionary Communist League in den 1970er Jahren in Colombo

Mit ihrem Beitritt zur RCL lehnte Jerani die Perspektive ab, die von kleinbürgerlichen tamilisch-nationalistischen Bewegungen wie den Befreiungstigern von Tamil Eelam (LTTE) vertreten wurde. Diese Bewegungen entstanden in den 1970er Jahren als Folge des Verrats der Lanka Sama Samaja Party (LSSP), die 1964 in die bürgerliche Koalitionsregierung von Sirimavo Bandaranaike (SLFP) eingetreten war.

Die LSSP, die sich als trotzkistisch ausgab, ließ den sozialistischen Internationalismus fallen und passte sich dem singhalesischen Populismus der SLFP an. 1972 peitschte die zweite Koalitionsregierung, die Bandaranaike diesmal mit der LSSP und der stalinistischen Kommunistischen Partei (KP) bildete, eine neue Verfassung durch, in der die Tamilen stark diskriminiert wurden. Das Ergebnis war eine Welle des Widerstands unter der tamilischen Jugend.

Jerani wandte viel Zeit auf, um Übersetzungen für die tamilische Zeitung der RCL anzufertigen, die Tholilalar Pathai (Arbeiterweg). Sie arbeitete eng mit dem (2002 verstorbenen) Herausgeber der Zeitung, Sabaratnam Rasendran, zusammen und stand an vorderster Front im Kampf der RCL gegen den tamilischen Nationalismus. Sie stellte der Partei ihre Sprachkenntnisse zur Verfügung, um auf Veranstaltungen für die Tamilen im Publikum zu übersetzen. So übersetzte sie u. a. Reden von Keerthi Balasuriya, der schon bei der Gründung der RCL zu deren Generalsekretär gewählt worden war, ins Tamilische.

Kamilasiri Ratnayake, der ebenfalls bei der Zentralbank arbeitete, wurde 1974, während der Regierungszeit der zweiten Bandaranaike-Koalition, zum Vorsitzenden der Gewerkschaft CBEU gewählt. Damals kämpfte die RCL gegen die brutale staatliche Repression, die von der Koalitionsregierung ausgeübt wurde, und entlarvte dabei die angeblich „linken“ Parteien, wie die LSSP, als Handlanger des Kapitalismus. Die RCL führte die CBEU politisch an und forderte von der LSSP und der KP, die behaupteten, im Namen der Arbeiterklasse zu sprechen, aus der Koalition auszutreten und für eine Arbeiter- und Bauernregierung zu kämpfen, die auf eine sozialistische Politik verpflichtet wird.

Insbesondere deckte die RCL-Fraktion innerhalb der CBEU auf, welche üble politische Rolle die „linke“ zentristische Gruppe unter der Führung von Tulsiri Andradi spielte. Wie die SEP in ihrem Dokument Historische und internationale Grundlagen der Socialist Equality Party (Sri Lanka) erklärt:

Tulsiri Andradi kritisierte die RCL, weil sie angeblich Illusionen in die reformistischen Parteien – die LSSP und die KP – schürte, wenn sie diese zur Machtübernahme aufforderte. Die Forderung der RCL zielte jedoch nicht darauf ab, diese Parteien zu propagieren, sondern ihre Kontrolle über die sozialistisch gesinnten Teile der Arbeiterklasse zu brechen, die immer noch widerwillig zur Führung der LSSP und der KP hielten. Andradis links daher kommende Kritik war ein Versuch, der wichtigen politischen Aufgabe auszuweichen, die LSSP und die KP zu entlarven und die Arbeiter unter der Kontrolle dieser Parteien zu lassen.

Der Verrat an dieser Massenbewegung durch die LSSP, KP und LSSP(R) ermöglichte es der UNP [United National Party], wieder an die Macht zu kommen. Bei der Wahl im Juli 1977 erlitten die Koalitionsparteien eine schwere Niederlage: Die UNP gewann 140 der 168 Sitze im Parlament, die SLFP kam nur auf acht, die LSSP und die KP verloren alle ihre Sitze.

Die junge Jerani stand in diesem Kampf für politische Prinzipien an vorderster Front. Im Jahr 1974 heiratete sie K. Ratnayake und blieb fortan seine Lebensgefährtin und Mitstreiterin. Ihre Kinder wurden 1976 und 1985 geboren. Sie wohnten in Ratmalana, einem Industriegebiet am Stadtrand von Colombo. Ihr Haus wurde zu einem zweiten Zuhause für Parteigenossen.

Jerani und Kamilasiri Ratnayake

Der Verrat der LSSP und ihr Eintreten für singhalesischen Chauvinismus waren wichtige Faktoren für den Ausverkauf des Generalstreiks, den die Arbeiter 1976 gegen die Koalitionsregierung unter der SLFP führten. Durch diesen Verrat wurde 1977 der rechtsgerichteten, US-freundlichen UNP-Regierung von J. R. Jayawardene der Weg geebnet. Die UNP-Regierung war eine der ersten in der Welt, die ein ehemaliges Kolonialland wieder für die ungehinderten Aktivitäten des internationalen Finanzkapitals öffnete.

Im Juli 1980 brach eine zweite, breit angelegte Generalstreikbewegung der Arbeiterklasse gegen die Regierung Jayawardene aus. Dabei ging es vor allem um die Forderung nach höheren Löhnen. Die RCL kämpfte dafür, den Generalstreik in eine politische Bewegung gegen die Regierung umzuwandeln. Damit stand sie im Gegensatz zu den Pseudolinken der LSSP, der KP und deren zentristischen Apologeten, die erklärten, es gehe lediglich um Lohnforderungen.

Genossin Jerani beteiligte sich zusammen mit anderen RCL-Mitgliedern an dem Streik, obwohl Jayawardene gedroht hatte, ihn für illegal zu erklären. Die verräterische Rolle der „linken“ Parteien, die den Streik gezielt begrenzten, eröffnete der Regierung die Möglichkeit, Zehntausende von streikenden Beschäftigten des öffentlichen Sektors zu entlassen.

Diese Massenentlassungen waren ein schwerer Schlag für die Arbeiterklasse. Auch beide Ratnayakes verloren ihre Arbeit, wie viele andere RCL-Mitglieder, und mussten von der Hand in den Mund leben.

Die UNP reagierte auf den Generalstreik, indem sie Chauvinismus gegen die Tamilen schürte, um die Arbeiterklasse zu spalten. Ihre Provokationen gipfelten in den blutigen antitamilischen Pogromen vom Juli 1983. Danach begann der furchtbare Krieg gegen die LTTE, der 26 Jahre andauern sollte.

Während dieser Pogrome brannten regierungsnahe Schläger das Haus der Ratnayakes nieder, und die Familie musste bei anderen Parteimitgliedern Zuflucht suchen. Jerani und ihr Sohn Jayan wohnten eine Zeit lang im Haus von Genossen Wije Dias. Nachdem die Familie monatelang von einer Unterkunft in die nächste gezogen war, baute sie ihr abgebranntes Haus wieder auf, nachdem Jerani Ende 1983 bei der Zentralbank neu eingestellt worden war.

Während des Kriegs gegen die LTTE, der von den aufeinanderfolgenden Regierungen in Colombo geführt wurde, setzte sich Jerani in der Arbeiterklasse weiterhin mutig für die Perspektive der RCL ein. Sie verkaufte die Zeitungen der Partei, Kamkaru Mawatha und Tholilalar Pathai, indem sie in Arbeitervierteln von Haus zu Haus ging.

Während der Spaltung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) von 1985–1986 unterstützte Jerani konsequent das IKVI in seinem entscheidenden politischen Kampf gegen die opportunistischen und nationalistischen Positionen der britischen Workers Revolutionary Party (WRP). Mit dem Sieg über die WRP eroberten die Trotzkisten die Kontrolle über das IKVI zurück. Das Ergebnis war ein Aufblühen des echten Marxismus, das sich in den schwierigen politischen Kämpfen in Sri Lanka als entscheidend erwies.

Im Rahmen des indo-sri-lankischen Abkommens, das im Juli 1987 unterzeichnet wurde, entsandte die indische Regierung Truppen in den Norden Sri Lankas, um die LTTE zu unterdrücken und zu entwaffnen. Die sri-lankische Regierung bekam dadurch die Hände frei, um die sozialen Unruhen der singhalesischen Jugend auf dem Land im Süden Sri Lankas niederzuschlagen.

Die RCL lehnte das Abkommen ab und trat dafür ein, dass sich die tamilischen und singhalesischen Arbeiter gegen die Regierungen Indiens und Sri Lankas zusammenschließen. Nur zwei Wochen nach der Unterzeichnung des Abkommens, am 16. August 1987, hielt die RCL in der Navalar Hall in Nallur (einem Vorort von Jaffna) eine öffentliche Versammlung ab, in der sie zum vereinten Widerstand der Arbeiterklasse gegen die gemeinsame Unterdrückung durch beide Regierungen aufrief. Jerani leistete einen wichtigen Beitrag, indem sie die Hauptrede von Genossen K. Ratnayake ins Tamilische übersetzte. Diese Veranstaltung war ein Meilenstein im Kampf der RCL gegen rassistische Unterdrückung und wurde in den Medien in Jaffna und Südindien ausführlich behandelt.

Die Janatha Vimukthi Peramuna (JVP) lehnte das Abkommen auf der Grundlage des singhalesischen Chauvinismus ab und verteidigte die Einheit der Nation, nicht die Einheit der Arbeiterklasse. Ihre bewaffneten Schläger ermordeten Arbeiter, Gewerkschafter und Politiker, die sich ihrer reaktionären Kampagne widersetzten. Im November 1988 rief die RCL zu einer Einheitsfront aller Parteien und Organisationen der Arbeiterklasse auf, um praktische Maßnahmen gegen die staatliche Repression und die Angriffe der JVP zu ergreifen. Die Partei rief dazu auf, Arbeiterschutztrupps, Aktionsausschüsse und gemeinsame Streik- und Wachposten zu bilden. Drei RCL-Genossen wurden während des faschistischen Amoklaufs der JVP in den Jahren 1988–1989 von deren Schlägern ermordet.

Im Jahr 1988 gewann die RCL auf der Grundlage eines Kampfs für ihre Perspektive erneut die Führung der CBEU. Die RCL-Gruppe in der Zentralbank spielte bei der Kampagne für die Einheitsfront eine wesentliche Rolle. Jerani war überaus aktiv daran beteiligt, Flugblätter zu verteilen, Kampagnen durchzuführen und ihren Kolleginnen und Kollegen die komplexen politischen Fragen zu erklären.

Im Jahr 1996, mitten im Bürgerkrieg, wurde die Zentralbank von der LTTE bombardiert. Jerani entkam knapp, weil sie an diesem Tag wegen Krankheit nicht zur Arbeit gegangen war. Die RCL verlor bei dem Bombenangriff mehrere Genossen. Bei den meisten Toten und Verletzten handelte es sich um militante CBEU-Mitglieder. Jerani war von diesem abscheulichen Verbrechen zutiefst betroffen und suchte jedes einzelne Opfer zu Hause auf.

Im Jahr 2016 fuhr Genossin Jerani zusammen mit K. Ratnayake nach Paris und nahm an der Gründungskonferenz der Parti de l'égalité socialiste (PES), der französischen Sektion des IKVI, teil. Ihre Genossinnen und Genossen in Frankreich, viele davon tamilische Exilanten, hatten sie noch gut in Erinnerung, und sie verlieh ihrer Freude darüber Ausdruck, dass die Energie, die sie in den Kampf für den Trotzkismus in Sri Lanka gesteckt hatte, „einen zentralen Beitrag zum Aufbau einer trotzkistischen Partei in Frankreich geleistet hat“.

Jerani war eine empfindsame und kultivierte Frau. Literatur und Musik waren Teil ihres Lebens. Sie besaß eine künstlerische Ader und hörte gern klassische Musik. Sie war belesen und kannte die klassischen Romane in Englisch und Singhalesisch sowie in ihrer Muttersprache Tamilisch. Ihre Freizeit verbrachte sie mit Lesen. Am meisten interessierten sie biografische Romane und Filmkritiken. Sie schaute gern Kinofilme, besonders mochte sie historische Filme und Dokumentationen zu verschiedenen Themen.

Unter Parteigenossen war Jerani für ihre großzügige Gastfreundschaft und ihre Kochkünste bekannt. Ihr Haus war ein Treffpunkt für Genossen, vor allem in den schwierigen Zeiten intensiver staatlicher Repression. Sie wurde nie müde, für Genossen zu sorgen, wie viele es auch sein mochten, und stellte ihr Haus für Parteiaktivitäten zur Verfügung – für eine Weile sogar als Parteibüro.

Sie setzte ihre politische Arbeit fort, bis sie im Jahr 2020 aufgrund gesundheitlicher Beschwerden nicht mehr mit der gewohnten Energie und dem gewohnten Einfallsreichtum aktiv sein konnte. Es ist eine Tragödie, dass sie mit Covid-19 ins Krankenhaus kam und ein weiteres Opfer der kriminellen Durchseuchungspolitik wurde, wie sie die Regierenden in Sri Lanka und der ganzen Welt betreiben.

Die SEP gedenkt der Genossin Jerani Ratnayake und wird sie nicht vergessen.

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