Sri Lanka: Landesweite Proteste gegen die Unterdrückung durch die Regierung Wickremesinghe

Am Dienstag zeigten in Sri Lanka Tausende von Arbeitern, Jugendlichen und Studenten in Groß- und Provinzstädten mit Demonstrationen ihre Empörung über die anhaltende polizeiliche Unterdrückung von Regierungsgegnern.

Zu den Demonstrationen am Dienstag hatten die beiden Gewerkschaftsverbände Trade Union Coordinating Centre (TUCC) und Trade Unions and Mass Organisations Movement (TUMO), sowie die United People's Movement aufgerufen. Sie sahen sich aufgrund der weit verbreiteten Wut über die Verhaftung Dutzender Demonstranten dazu gezwungen.

Anfang April hatten Zehntausende von Regierungsgegnern begonnen, den Park Galle Face Green in der Innenstadt von Colombo zu besetzen. Sie forderten die Absetzung von Präsident Gotabhaya Rajapaksa und seiner Regierung sowie ein Ende des Preisanstiegs und der Verknappung von Grundgütern. Später besetzten sie auch das nahe gelegene Präsidialsekretariat.

Am 28. April, am 6., 10. und 11. Mai beteiligten sich Millionen von Arbeitern an Streiks. Am 9. Juli fanden die größten Proteste in der Geschichte Sri Lankas statt, bei denen Demonstranten den Präsidentenpalast besetzten und Rajapaksa zur Flucht und zur Aufgabe des Präsidentenamts zwangen. Später besetzten die Demonstranten auch den Amtssitz und das Büro des Premierministers.

Nachdem Wickremesinghe zum amtierenden Präsidenten ernannt und später offiziell vereidigt worden war, verhängte er drakonische Notstandsmaßnahmen, beschimpfte die Regierungsgegner als „Faschisten“ und „Terroristen“ und entfesselte eine landesweite Hexenjagd durch die Polizei. Bei einer gemeinsamen Operation von Polizei und Militär am 22. Juli wurden Demonstranten, die das Präsidialsekretariat und dessen Umgebung besetzt hielten, brutal vertrieben, insgesamt wurden neun Menschen verhaftet und Dutzende verwundet.

Am Dienstag fanden in Colombo, Maharanga und Honagama Demonstrationen statt, außerdem in abgelegeneren Orten wie Anuradhapura, Mahiyanganaya, Welimada, Ampara, Badulla, Galle, Balangoda, Hambantota, Hatton, Kurunegala, Kantale, Puttalam, Ambalangoda, Meerigama und Kegalle.

Die Demonstranten trugen Transparente und Plakate mit Aufschriften wie „Schluss mit der Unterdrückung durch die Ranil-Rajapaksa-Regierung“, „Freilassung aller verhafteten Demonstranten“, „Die Allparteienregierung ist eine Falle für die Volksmacht“ und „Auflösung des Parlaments, macht Platz für die Stimme des Volkes.“

Die Anhänger der TUMO demonstrierten vor dem Bahnhof Fort in Colombo, während sich etwa tausend Studierende der Universität Kelaniya vor dem Universitätsgebäude außerhalb von Colombo versammelten, um gegen die Unterdrückung durch die Regierung zu protestieren. Das TUCC mobilisierte etwa tausend Arbeiter und Unterstützer im Viharamahadevi Park in der Innenstadt von Colombo, die zu einer Kundgebung auf dem Independence Square zogen.

Obwohl sich Arbeiter und Jugendliche an diesen Protesten beteiligten, organisierten die beiden Gewerkschaftsverbände diese Veranstaltungen, um die Wut der Massen abzulenken. Aus Angst vor einer Mobilisierung der Arbeiter gegen die Unterdrückung und zur Verteidigung der demokratischen Rechte beschränkten die Gewerkschaftsbürokraten die Aktionen auf alibihafte Übungen und forderten die Arbeiter nicht zum Streik und zur Teilnahme an den Protesten auf.

Das TUCC wird von den Gewerkschaften dominiert, die der Partei Janatha Vimukthi Peramuna (JVP) nahestehen. Diese versucht, die Protestbewegung ihrer Kampagne für eine Übergangsregierung aus den diskreditierten Parlamentsparteien und für Neuwahlen unterzuordnen.

Ein wichtiger Partner des TUCC ist die Federation of Health Professionals, die von Ravi Kumudesh geführt wird. Letzten Samstag sicherte er Wickremesinghe bei einem Treffen seine Unterstützung zu und sprach sich gegen jede Fortsetzung regierungsfeindlicher Kämpfe aus.

Die Führer des TUCC und diverse „zivilgesellschaftliche“ Gruppen, darunter auch buddhistische Mönche, haben auf dem Independence Square einen „Bürgererlass“ verkündet. Darin wird die Regierung Wickremesinghe aufgefordert, die staatliche Unterdrückung zu beenden, verhaftete Demonstranten freizulassen, alle im Zuge des Ausnahmezustands und des Gesetzes zur Verhinderung von Terrorismus erlassenen Maßnahmen aufzuheben und sehr begrenzte Sozialmaßnahmen einzuführen. Außerdem fordert er eine neue Verfassung, welche die Exekutivpräsidentschaft einschränkt, und eine Übergangsregierung für kurze Zeit, gefolgt von Parlamentswahlen.

Die Kampagnen von TUCC und TUMO sind darauf ausgerichtet, Illusionen in das diskreditierte Parlament und das kapitalistische System zu säen und die Arbeiterklasse und die unterdrückten Massen an die bestehenden bürgerlichen Parteien zu binden.

Die TUMO, die von der Frontline Socialist Party unterstützt wird, demonstrierte vor dem Bahnhof Fort. Ihre Führer verurteilten das Wickremesinghe-Regime demagogisch und erklärten, sie seien bereit, es wie zuvor Rajapaksa zu verjagen. Doch genau wie bei den Protesten der TUCC skandierten sie Parolen für eine Übergangsregierung und Neuwahlen und richteten einen sinnlosen Appell an Wickremesinghe, die Unterdrückung zu stoppen.

Beide Gewerkschaftsverbände lehnen die unabhängige Mobilisierung der industriellen und politischen Stärke der Arbeiterklasse zur Verteidigung ihrer demokratischen und sozialen Rechte ab.

Als am 8. April und 6. Mai Millionen Arbeiter in den Streik traten und landesweit die Unterstützung der unterdrückten Massen mobilisierten, lenkten die Gewerkschaften dies in Forderungen nach einer Übergangsregierung und Neuwahlen um.

Indem sie einen landesweiten politischen und betrieblichen Kampf gegen die Regierung und das kapitalistische Profitsystem verhinderten, ebneten die Gewerkschaften der derzeitigen anhaltenden polizeilichen Unterdrückungskampagne den Weg.

Die Verhaftungen und Wickremesinghes Beschimpfungen der regierungskritischen Demonstranten als „Faschisten“ und „Terroristen“ sind keine isolierten Vorfälle, sondern dienen der Vorbereitung auf noch größere Angriffe auf demokratische Rechte.

Die Unterdrückung durch Polizei und Militär und andere drakonische Maßnahmen wie der Ausnahmezustand, die Ausweitung des Gesetzes über wesentliche öffentliche Dienstleistungen und die Mobilisierung des Militärs in allen Distrikten werden landesweit fortgesetzt.

Die Regierung Wickremesinghe ist angesichts einer schweren Wirtschaftskrise, die durch die Corona-Pandemie und den Nato-Stellvertreterkrieg gegen Russland verschärft wird, dazu entschlossen, alle Forderungen des Internationalen Währungsfonds zu erfüllen und den unvermeidlichen Widerstand der Arbeiterklasse gegen diese Angriffe zu unterdrücken.

Am Dienstag erhöhte die Regierung die Stromtarife um mehr als 75 Prozent und will Ende der Woche auch die Wassertarife in einem ähnlichen Ausmaß erhöhen. Sie hat außerdem einen Ausschuss eingesetzt, der das Ceylon Electricity Board umstrukturieren soll. Ihr Vorhaben umfasst die Privatisierung aller Staatsunternehmen, die Zerstörung von Hunderttausenden von Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst, Subventionsabbau und höhere Steuern. Wickremesinghe drängt auf eine Allparteienregierung mit Unterstützung der Gewerkschaften, um diese brutalen Angriffe durchzusetzen.

Wie die Socialist Equality Party (SEP) mehrfach erklärt hat, können die herrschende Klasse und ihre Regierung diese Angriffe nicht friedlich umsetzen. Deshalb bereiten sie sich darauf vor, ihre repressiven Maßnahmen zu verschärfen.

Die SEP griff bei den Protesten am Dienstag erneut ein und warb für eine sozialistische und internationalistische Perspektive. Mitglieder und Unterstützer der SEP verteilten Hunderte von Exemplaren zweier wichtiger Erklärungen: „Nein zur Allparteienregierung! Gegen das Spardiktat des IWF! Kämpft für einen demokratischen und sozialistischen Kongress der Arbeiter und ländlichen Massen in Sri Lanka!“ und „Für einen demokratischen und sozialistischen Kongress der Arbeiter und ländlichen Massen in Sri Lanka!“

Ein Demonstrant erklärte bei der TUCC-Veranstaltung: „Ich musste wegen der Krise mein kleines Geschäft schließen. Die Lebenshaltungskosten schießen in die Höhe, und die Regierung verschärft die Unterdrückung. Ich stimme euch zu, dass eine Allparteienregierung nur dazu dienen würde, die Bedingungen des IWF durchzusetzen. Wir brauchen eine Alternative.“

Zwei Studenten, die die Demonstration beobachteten, äußerten ihre Besorgnis und erklärten, mit welchen Schwierigkeiten sie angesichts des nahezu völligen Zusammenbruchs des öffentlichen Bildungssystems konfrontiert sind.

Sie erklärten: „Wir machen zum zweiten Mal die Aufnahmeprüfung für die Universität, aber im Gegensatz zum letzten Mal bekommen wir kein Geld für Nachhilfe. Alle Kosten sind exorbitant gestiegen. Auch die Stromausfälle sind ein Problem.“

Ein Beschäftigter von Hatton Education Zonal erklärte: „Die Regierung von Ranil Wickremesinghe setzt bereits Austeritätsmaßnahmen um. Sie hat bereits begonnen, unsere Rechte und Zulagen abzuschaffen, auch andere Dinge werden gekürzt. Sie wird die Forderungen des IWF nach Privatisierungen umsetzen.“

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