Kriegskosten: Nach dem Gaspreis geht auch der Strompreis durch die Decke

Auf Arbeiterhaushalte rast eine gigantische Preiswelle zu, die für viele den Ruin bedeutet. Nach dem Gaspreis geht nun auch der Strompreis durch die Decke, am Wochenende läuft der sogenannte Tankrabatt aus und die durchschnittlichen Erzeugerpreise sind in einem Jahr um 37 Prozent gestiegen, was unweigerlich auf die Verbraucherpreise durchschlagen wird.

Die Benzinpreise steigen bald wieder über zwei Euro

Experten gehen davon aus, dass die offizielle Inflationsrate Ende des Jahres 10 Prozent und damit ein Mehrfaches der Tarifabschlüsse betragen wird, die die Gewerkschaften vereinbart haben. Die Ampelkoalition wälzt auf diese Weise die Kosten des Ukrainekriegs, den sie (in den Worten des ukrainischen Präsidenten Selenskyj) bis zum vollständigen „Sieg“ über Russland fortsetzen will, auf die arbeitende Bevölkerung ab.

Die Energiekonzerne feiern indessen Profitorgien. Bisher unvorstellbare Rekordpreise an den Energiebörsen bescheren ihnen Spekulationsgewinne in Milliardenhöhe. An der Leipziger Strompreisbörse EEX kletterte der Preis für die Megawattstunde Strom vergangene Woche über 550 Euro. Das sind gut 2000 Prozent mehr als vor einem Jahr. Damals pendelte der Preis zwischen 20 und 80 Euro je Megawattstunde. In Frankreich wurden am Terminmarkt sogar über 1000 Euro pro Megawattstunde geboten.

Auch mit Gas, das aufgrund der gegen Russland verhängten Sanktionen und der Nichtinbetriebnahme der Pipeline Nord Stream 2 äußerst knapp geworden ist, werden hohe Spekulationsgewinne erzielt. Der europäische Future erreichte am Montag den Rekordwert von 292,50 Euro je MWh. Die durchschnittlichen Gaspreise in der Europäischen Union haben sich damit in nur einem Monat verdoppelt und liegen 14 Mal höher als der Durchschnittswert der letzten zehn Jahre.

Die Bereicherungsorgie der Energiekonzerne erfolgt mit dem Segen der Ampelkoalition. Sie hat eine Gasumlage eingeführt, die den Zwischenhändlern die Differenz zwischen den hohen Börsenpreisen und den bisherigen niedrigen Importpreisen für Gas aus Russland ersetzt und damit direkt auf die Konten der großen Energiekonzerne fließt. Sie wird als eine Art Kriegssteuer von sämtlichen Gaskunden erhoben. Sie belastet einen Familienhaushalt mit einem Verbrauch von 15.000 Kilowattstunden im Jahr mit rund 400 Euro. Hinzu kommt der steigende Gaspreis, der vor allem für Neukunden horrend ist.

Bisher haben zwölf Unternehmen Ansprüche auf Entschädigung aus der Gasumlage in Höhe von insgesamt 34 Milliarden Euro angemeldet. Das ist mehr als die Summe der beiden „Entlastungspakete“, die die Bundesregierung in diesem Jahr zur Entlastung der Inflationsopfer beschlossen hat.

Darunter befinden sich auch Konzerne, die sowohl als Zwischenhändler wie als Energielieferant tätig sind und hohe Profite ausweisen. So hat OMV im ersten Halbjahr 2022 5,6 Milliarden und Gunvor 2 Milliarden Euro Gewinn erzielt. Beide haben Geld aus der Gasumlage beantragt. Uniper, der als bisher größter Importeur von russischem Gas rund zwei Drittel der Gasumlage beansprucht, war 2016 vom Energiekonzern E.ON abgetrennt worden, der im vergangenen Jahr 5,3 Milliarden Euro Profit machte.

Die Bundesregierung unterstützt die Bereicherung der Energiekonzerne ausdrücklich. Gefragt, weshalb auch profitable Unternehmen die Gasumlage kassieren, antwortete Susanne Ungrad, die Sprecherin von Wirtschaftsminister Robert Habeck, am Dienstag auf einer Pressekonferenz: „Wir stehen auf dem Standpunkt, dass ein Unternehmen auch Gewinne machen muss.“

Eine Übergewinnsteuer, die wenigstens einen Teil der horrenden Profite abschöpfen würde, lehnt die Ampelkoalition strikt ab. Mit der Gasumlage tut sie das Gegenteil: Sie finanziert die Milliardenprofite von Konzernen mit Geld, das sie Arbeiteraushalten über die Gasrechnung abknöpft.

Was die Explosion der Energiepreise für jeden Einzelnen bedeutet, kann derzeit nur geschätzt werden.

Auf Haushalte, die mit Gas heizen und kochen, kommen durch die Gasumlage von 2,4 Cent pro Kilowattstunde trotz der nachträglich angekündigten Senkung der Mehrwertsteuer Preissteigerungen in dreistelliger Höhe zu. Ab Oktober treten außerdem zwei weitere Umlagen in Kraft: 0,57 Cent pro Kilowattstunde für sogenannte Regelenergie und 0,06 Cent für die Gasspeicherbefüllung, was für einen Durchschnittshaushalt eine zusätzliche jährliche Belastung von mehr als 100 Euro bedeutet.

Die größte Kostensteigerung ergibt sich aber aus dem Anstieg des Gaspreises selbst, der nach Meinung von Experten seinen Höhepunkt noch längst nicht erreicht hat. Laut Statistischem Bundesamt zahlten Kraftwerke im Juli 235 Prozent, Industrieabnehmer 195 Prozent und Wiederverkäufer 187 Prozent mehr für Erdgas als ein Jahr zuvor. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis dieser Anstieg voll auf die Privathaushalte durchschlägt. Bei Neukunden ist das teilweise jetzt schon der Fall.

Ebenso dramatisch sind die Preissteigerungen bei Strom. Das Vergleichsportal Verivox geht davon aus, dass der durchschnittliche Preis im kommenden Jahr über 45 Cent pro Kilowattstunde liegen wird. Das wären rund 50 Prozent mehr als in den letzten drei Jahren, als sich der Durchschnittspreis zwischen 30 und 32 Cent bewegte.

Einige Energieversorger haben ihre Preise bereits erhöht. So müssen die Kunden von EnBW ab Oktober für Haushaltsstrom im Grundtarif 31,1 Prozent mehr zahlen. Verivox registrierte für August, September und Oktober 123 Preissteigerungen von Grundversorgern mit einer durchschnittlichen Erhöhung um 25 Prozent. Für einen Drei-Personen-Haushalt mit einem Verbrauch von 4000 Kilowattstunden bedeutet das im Durchschnitt jährliche Mehrkosten von 311 Euro. Check24, ein anderes Vergleichsportal, berichtet über eine Preissteigerung von 47,4 Prozent.

Auch hier ist die Spitze längst nicht erreicht. Neben dem hohen Preis für Erdgas, mit dem etwa 13 Prozent des Stroms in Deutschland erzeugt werden, tragen weitere Faktoren zum Anstieg des Strompreises bei. Die extreme Trockenheit hat zum Ausfall von Wasserkraftwerken und Kühlanlagen geführt. Kohle und Öl für Kraftwerke können wegen des niedrigen Wasserstands nicht mehr auf Flüssen transportiert werden. In Frankreich, das 70 Prozent seines Stroms aus Atomkraft bezieht, stehen derzeit 29 von 56 Atommeiler still, weil sie nicht gekühlt werden können oder dringend gewartet werden müssen. Das Land, das sonst Strom exportiert, importiert derzeit größere Mengen Gasstrom aus Deutschland.

Die Stromversorgung ist zudem besonders krisenanfällig, da Elektrizität nicht in großen Mengen gespeichert werden kann und selbst geringe Spannungsschwankungen zum Versagen von Computernetzen und Internetanwendungen oder sogar zum Zusammenbruch der Stromnetze führen können. Die Netzbetreiber sind daher dringend auf den Kauf der erforderlichen Mengen angewiesen, was die Strombörsen entsprechend spekulationsanfällig macht. Die derzeitige Krise unterstreicht, wie absurd es ist, dass ein gesellschaftliches Grundbedürfnis wie die Versorgung mit Strom privaten Profitinteressen und dem Spiel von Spekulanten unterworfen ist.

Der Anstieg der Energiepreise ist nur die Spitze der Inflation. Laut Statistischem Bundesamt lagen die Erzeugerpreise im Juli insgesamt um 37,2 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Die Energiepreise trugen mit einem durchschnittlichen Anstieg von 105 Prozent zwar am meisten dazu bei, aber auch die Erzeugerpreise von Verbrauchsgütern stiegen mit 16,2 Prozent stark an. Nahrungsmittel waren sogar 21,1 Prozent teurer als im Vorjahr – Butter 75,2, Milch 32, Kaffee 31,6 und Fleisch 23,5 Prozent.

Auch die Benzinpreise werden im September wieder über zwei Euro klettern, wenn der Tankrabatt – die auf drei Monate befristete Absenkung der Energiesteuer – ausläuft. Auch das Neun-Euro-Ticket endet in diesem Monat aus. Für Werktätige, die auf das Auto oder öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind, bedeutet dies eine weitere empfindliche Mehrbelastung.

Die Preisexplosion ist eine direkte Folge des Stellvertreterkriegs, den die Nato in der Ukraine gegen Russland führt. Obwohl die deutsche Energieversorgung stark von russischen Gaslieferungen abhängig war und auf absehbare Zeit kein Ersatz zur Verfügung stand, beschloss die Bundesregierung, Russland wirtschaftlich zu isolieren und die fertiggestellte Pipeline Nord Stream 2 nicht in Betrieb zu nehmen.

Der Ukrainekrieg wurde nicht durch die ebenso reaktionäre und wie kurzsichtige Entscheidung Präsident Putins ausgelöst, das Land militärisch anzugreifen. Die USA, Deutschland und andere westliche Mächte hatten ihn systematisch vorbereitet und provoziert, seit sie 2014 in Kiew ein Nato-höriges Regime an die Macht putschten und das Land massiv aufrüsteten. Nun sabotieren sie jeden Ansatz zu einer Verhandlungslösung, liefern Waffen im Wert von Milliarden und lenken den Krieg im Hintergrund.

Sie verfolgen erklärtermaßen das Ziel, nicht nachzulassen, bis Russland besiegt ist und sie das gigantische, rohstoffreiche Land unterwerfen, aufspalten und ausplündern können, auch wenn sie damit einen nuklearen Weltkrieg riskieren. Die herrschenden Kreise Deutschlands nutzen den Krieg, um ihr langgehegten Aufrüstungspläne zu verwirklichen und die Militärausgaben zu verdreifachen.

Wie in jedem imperialistischen Krieg muss die arbeitende Bevölkerung die Kosten tragen – mit ihrem Lebensstandard, ihren demokratischen Rechten und ihrem Leben. Das darf nicht zugelassen werden. Nur eine unabhängige Bewegung der internationalen Arbeiterklasse kann das verhindern, die den Kampf gegen die Zerstörung des Lebensstandards, gegen Lohn-, Arbeitsplatz- und Sozialabbau mit dem Kampf gegen Krieg und mit einer sozialistischen Offensive zum Sturz des Kapitalismus verbindet.

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