Politik und Medien fordern Lieferung deutscher Kampfpanzer an Kiew für Krieg gegen Russland

Die herrschende Klasse Deutschlands reagiert auf das Debakel der russischen Armee in Charkiw mit einer Verschärfung ihrer Kriegsoffensive. Führende Regierungs- und Oppositionspolitiker und Medien überbieten sich mit Forderungen, deutsche Kampfpanzer und weitere schwere Waffen an Kiew zu liefern, um Russland in der Ukraine zu besiegen.

Leopard 2 Kampfpanzer (Bild: Bundeswehr/Modes/CC BY 2.0/Wikimedia Commons) [Photo by Bundeswehr/Wikimedia Commons / CC BY 2.0]

„Deutschland muss umgehend seinen Teil zu den Erfolgen der Ukraine beitragen und geschützte Fahrzeuge, den Schützenpanzer Marder und den Kampfpanzer Leopard 2 liefern“, erklärte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), der Nachrichtenagentur dpa.

Nun sei nicht „die Zeit des Zauderns und Zögerns“, fügte sie hinzu. „Der aktuelle militärische Vorstoß der ukrainischen Armee und die ersten zurückeroberten Gebiete im Osten des Landes sprechen für die Kampfkraft der Ukraine und den unbedingten Willen, ihr überfallenes Land zurückzuholen – in Verbindung mit der Lieferung schwerer Waffen und militärischen Geräts ihrer Verbündeten.“

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages, Michael Roth (SPD), verlangte ebenfalls, die Waffenlieferungen an die Ukraine massiv aufzustocken. „In dieser neuen Phase des Krieges braucht die Ukraine Waffen, die sie befähigen, von Russland besetzte Gebiete zu befreien und dauerhaft unter Kontrolle zu halten“, sagte Roth den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Es gelte nun, „das Momentum für die Ukraine zu nutzen“.

Auch der SPD-Co-Vorsitzende Lars Klingbeil schloss sich der Forderung nach weiteren Waffenlieferungen an. „Es ist erstmal ein riesiger Erfolg, den die Ukrainerinnen und Ukrainer gerade haben“, frohlockte er im ARD-Sommerinterview. Das habe „auch damit zu tun, dass der Westen, dass Deutschland, dass wir wahnsinnig viele Waffen geliefert haben in den letzten Wochen und Monaten. Und das muss weitergehen. Das wird auch weitergehen.“

Klingbeil ließ keinen Zweifel daran, dass Deutschland die Ukraine bereits jetzt mit Waffen überschwemmt und die Nato eine zentrale Rolle bei der Kriegsführung spielt. „Wir haben Raketenwerfer. Wir haben die Gepard-Panzer – also vieles, was jetzt auch noch mal in der zweiten Tranche ankommt in der Ukraine, was hilft. Aber natürlich müssen wir im westlichen Bündnis auch bewerten: Muss es jetzt weitere Waffenlieferungen geben? Und das muss schnell passieren.“

Besonders aggressiv treten die Grünen auf. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hielt sich zum Zeitpunkt der ukrainischen Offensive in Kiew auf und sicherte der ukrainischen Armee vor Ort ihre Unterstützung zu. „Wir kommen über kurz oder lang nicht umhin, der Ukraine moderne, westliche Kampfpanzer zu liefern,“ mahnte der grüne Verteidigungspolitiker Anton Hofreiter. Deutschland sollte „so schnell wie möglich Leopard-Kampfpanzer liefern, um zu verhindern, dass ukrainische Soldaten unnötig sterben“.

Diese Argumentation ist so zynisch wie gefährlich. In Wirklichkeit rettet die Lieferung von Kampfpanzern und anderen Waffen keine Menschenleben, sondern eskaliert den Krieg immer weiter – mit allen zerstörerischen Konsequenzen. Am Montag warnte der russische Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew, in einem Interview mit der russischen Tageszeitung Iswestija, Deutschland habe mit der „Lieferung tödlicher Waffen an das ukrainische Regime“ eine „rote Linie“ überschritten.

Der russische Einmarsch in die Ukraine war von Anfang an eine reaktionäre und verzweifelte Antwort des Putin-Regimes auf die eskalierende imperialistische Kriegspolitik der letzten drei Jahrzehnte. Seit der Auflösung der Sowjetunion durch die stalinistische Bürokratie haben die Nato-Mächte Russland systematisch eingekreist, mit dem Ziel, das geostrategisch zentrale und rohstoffreiche Land zu unterjochen. Die jüngste Offensive beschwört die Gefahr einer nuklearen Katastrophe herauf.

„Niemand kann ausschließen, dass der Kreml aus dieser militärischen Katastrophe nicht weitgehende Schlüsse zieht“, warnt die World Socialist Web Site in einem aktuellen Kommentar. „Er könnte eine massive militärische Eskalation für notwendig erachten, die wiederum auf Seiten der Nato zur Eskalation führen würde. So lösen die verzweifelten Bemühungen des Kremls um Einigung mit dem Imperialismus paradoxerweise Schritte aus, die zu einem thermonuklearen Krieg führen könnten.“

Trotzdem treibt vor allem auch der deutsche Imperialismus, der bereits im 20. Jahrhundert zweimal versucht hat, Russland militärisch zu unterwerfen, die Kriegsoffensive voran. Wenn es Kritik am Kurs der Bundesregierung gibt, kommt sie von rechts.

So forderte etwa der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter die Ampel-Koalition auf, unverzüglich Kampfpanzer an Kiew zu liefern. „Damit die Gegenoffensive langfristig erfolgreich ist..., braucht es jetzt alle militärische Unterstützung, die möglich ist“, mahnte er gegenüber der Funke Mediengruppe. Deutschland könne „sofort Marder und Leopard, Fuchs und Dingo liefern und die Industrie rasch anweisen, nachzuproduzieren“.

Die Medien befinden sich nach den ukrainischen Vorstößen in einem regelrechten Kriegsrausch. „Mit westlichen, auch deutschen, Waffenlieferungen ist die Ukraine an diesen Punkt gelangt. Nur mit deutlich mehr Lieferungen wird sie ihre Offensive fortsetzen können“, so die Süddeutsche Zeitung. Damit befänden „sich auch Kanzler, Bundesregierung und Ampel an einem erneuten Wendepunkt. Sie müssen entscheiden über die Lieferung von Kampfpanzern des Typ Leopard 2.“

„Nun schlägt die Stunde der Panzer,“ lautet der Titel eines Welt-Kommentars aus der Feder des Brigadegenerals a.D. Klaus Wittmann. Die deutsche Regierung sollte sich „endlich zu viel konsequenterem Nachdenken darüber veranlasst sehen, was die unablässig beteuerte Unterstützung der Ukraine konkret erfordert: zügigere Entscheidungen, raschere Lieferungen von mehr Waffensystemen sowie – endlich und vorrangig – auch von Panzer-, Schützen- und Transportpanzern.“

Es sei „Deutschlands nicht würdig, ständig auf andere zu verweisen, die dies oder jenes auch nicht liefern“, geifert der General, der mit seiner anti-russischen Kriegsbegeisterung auch in Hitlers Wehrmacht seinen Platz gefunden hätte. Natürlich sei „Abstimmung mit Verbündeten notwendig, aber die ständige Berufung darauf“ wirke „wie ein Verstecken hinter anderen“. Wirkliche „Führung“ würde in der Verkündung bestehen, Deutschland sei bereit „zur Lieferung der von der Industrie angebotenen Kampf- und Schützenpanzer“.

Die Äußerungen führender Regierungspolitiker zeigen, dass Deutschland genau das vorbereitet. Dabei reichen die Kriegsziele der herrschenden Klasse weit über die Ukraine und Russland hinaus. Sie sieht den Krieg als Chance, um sich nach ihren fürchterlichen Verbrechen in zwei Weltkriegen wieder zu einer militärischen Großmacht aufzuschwingen und eine zentrale Rolle bei der Neuaufteilung der Welt im 21. Jahrhundert zu spielen.

In einer Grundsatzrede zur Nationalen Sicherheitsstrategie erklärte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) am Montag, Deutschland müsse auch in militärischen Fragen eine Führungsrolle spielen: „Deutschlands Größe, seine geografische Lage, seine Wirtschaftskraft, kurz: sein Gewicht, machen uns zu einer Führungsmacht, ob wir es wollen oder nicht. Auch im Militärischen.“

Nach den Plänen der herrschenden Klasse soll die Bundeswehr in die Lage versetzt werden, als führende Kriegsmacht in der EU und Nato zu agieren. „Wir selbst brauchen starke, kampfbereite Streitkräfte, damit wir uns und unser Bündnis zur Not verteidigen können“, erklärte Lambrecht. Deutschland sei bereit, „Amerika in Europa zu entlasten“, da die USA ihr „Hauptaugenmerk nun notwendigerweise auf die Sicherheit im pazifischen Raum gelenkt“ hätten.

Die Kosten für die Rückkehr des deutschen Militarismus auf die Weltbühne soll die Arbeiterklasse tragen. Lambrecht pries das Sondervermögen der Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro, das Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) unter dem Applaus aller Parteien bereits kurz nach dem russischen Einmarsch im Bundestag verkündet hatte. Dann stellte sie klar, dass die gigantische Summe nur der Anfang ist.

Deutschland werde langfristig genügend Geld bereitstellen müssen, um das Nato-Ziel zu erfüllen, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung auszugeben. Auch wenn im Detail noch erarbeitet werde, über welche Fähigkeiten die Bundeswehr letztlich verfügen müsse, dürfe „das nicht davon ablenken, dass am Ende diese Summe notwendig ist“. Man dürfe sich nichts vormachen. „Wer selber mehr tun muss, aber weniger Mittel hat, der wird intern umschichten müssen.“

Was das bedeutet, zeigt der aktuelle Haushaltsentwurf der Ampelkoalition für 2023. Während Inflation und explodierende Energiepreise Millionen in die Armut stürzen, plant die Regierung massive Kürzungen in fast allen sozialen Bereichen. Allein der Gesundheitsetat soll von 64 auf 22 Milliarden zusammengestrichen werden – und das inmitten der Corona-Pandemie, die allein in Deutschland bereits fast 150.000 Menschen das Leben gekostet hat.

Wie in der Vergangenheit erfordert die Kriegs- und Kürzungspolitik die Militarisierung der Gesellschaft nach innen. Die Bundeswehr werde „in Zukunft eine wichtigere Rolle in unserem politischen Denken und Handeln spielen“, erklärte Lambrecht. Die Zeit, in der „unsere Streitkräfte ausschließlich als Akteur bei Kriseneinsätzen im Ausland oder in der Amtshilfe [wahrgenommen wurden], ist vorbei“. Man müsse „die Bundeswehr wieder als zentrale Instanz für unsere Daseinsvorsorge betrachten. Und zwar jeden Tag.“

Wie schon die außenpolitischen Grundsatzreden von Scholz, Klingbeil und Baerbock in den letzten Wochen sind auch Lambrechts Ausführungen eine Warnung. Die deutsche Bourgeoisie wird erneut vor nichts zurückschrecken, um ihre kapitalistischen und imperialistischen Interessen zu verfolgen. Stoppen kann sie nur das unabhängige Eingreifen der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms. Dafür kämpfen die Sozialistische Gleichheitspartei und ihre Schwesterparteien im Internationalen Komitee der Vierten Internationale.

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