In dieser Woche ist es drei Jahre her, dass die chinesischen Behörden Wuhan, eine Stadt mit mehr als 11 Millionen Einwohnern, abriegelten und isolierten, um auf das erstmalige Auftreten des damals noch wenig bekannten Coronavirus, heute als Covid-19 bekannt, zu reagieren.
Seitdem das Regime in Beijing diese Politik, die später als „Zero Covid“ bezeichnet wurde, am 1. Dezember vollständig aufgegeben hat, erschüttert eine beispiellose Katastrophe das Land. Die Regierung hat bisher 73.000 Todesfälle gemeldet - an sich schon eine erschütternde Zahl – aber laut Schätzungen aufgrund von Modellierungen des britischen Analyseunternehmens Airfinity sind in China bereits mehr als 700.000 Menschen an Corona gestorben.
Die von den westlichen Mächten und Medien von Anfang an geschmähte Zero-Covid-Politik hat drei Jahre lang immer wieder die Infektionsketten unterbrochen und eliminiert, die sich in Chinas großen Metropolen auszubreiten drohten. Diese Politik war eine historische Leistung. Sie wurde aufrechterhalten, weil die Bevölkerung Schutz vor der Katastrophe verlangte, während andere kapitalistische Regierungen ihr weltweit freien Lauf ließen.
Die Zero-Covid-Politik hat gezeigt, dass es möglich ist, die Ausbreitung des Virus durch folgende Maßnahmen zu verhindern: Maskenpflicht, Tests und Rückverfolgung von Kontakten, vorübergehende Lockdowns sowie Schließungen von Schulen und nicht lebensnotwendigen Betrieben, Massenimpfungen und andere Schutzmaßnahmen.
Jetzt zahlt die chinesische Bevölkerung einen schrecklichen Preis dafür, dass das Regime diese Politik aufgegeben hat. Dahinter steht eine feige Kapitulation vor den Forderungen riesiger Konzerne wie Apple und der imperialistischen Regierungen, insbesondere der USA. Sie alle hatten gefordert, dass die chinesische Wirtschaft im Interesse der Unternehmensprofite wieder vollständig zu öffnen sei.
Mehr als zwei Jahre lang übte der US-Imperialismus unerbittlichen Druck auf China aus, seine Zero-Covid-Politik aufzuheben. Dies war Teil der verstärkten Bemühungen Washingtons, das Land militärisch einzukreisen und zu unterwerfen. Weltweit prangerten unzählige Kolumnen und Leitartikel Chinas Gesundheitspolitik wegen ihrer Auswirkungen auf die globale kapitalistische Wirtschaft an und forderten ihre Abschaffung, koste es auch Menschenleben.
Diese Kosten waren im Voraus sehr genau bekannt. Eine im Mai 2022 veröffentlichte Studie ergab, dass es bei einer ungehinderten Ausbreitung von Omikron in China innerhalb von nur sechs Monaten wahrscheinlich zu 112 Millionen symptomatischen Infektionen, 5,1 Millionen Krankenhauseinweisungen, 2,7 Millionen Einweisungen in die Intensivstation und 1,6 Millionen Todesfällen kommen würde.
Diese Katastrophe ist nun im Gange. Die Durchseuchungspolitik, gestützt auf den Betrug der „Herdenimmunität“, wurde der chinesischen Bevölkerung schneller als irgendwo sonst auf der Welt zugemutet. Innerhalb von sieben Wochen hat sich das Land von knapp über 5.000 Todesfällen auf mehr als 700.000 gesteigert. Die Zahl liegt weit über der Hälfte der bisherigen Todesfälle der Vereinigten Staaten, die bisher die höchste Todesrate weltweit aufweisen. Nach den letzten Zahlen des Worldometers haben in den USA 1,128 Millionen Menschen ihr Leben durch Covid-19 verloren.
Auch wenn das wahre Ausmaß der sich abzeichnenden Katastrophe vielleicht nie genau bekannt sein wird, kann das, was geschieht, nur als eine Politik des sozialen Mordes in großem Maßstab bezeichnet werden. Seit dem 1. Dezember wird ein schrecklicher Preis bezahlt, der nun auch die Landbevölkerung betrifft, da Millionen Menschen aus den Städten in ihre Heimatdörfer zurückkehren, um das chinesische Neujahrsfest zu begehen.
Nach den Berechnungen von Airfinity, die in den Massenmedien weitgehend untergegangen sind, könnten die Covid-19-Infektionen einen Höchststand von 4,8 Millionen pro Tag erreichen. Am 26. Januar erreichte die Zahl der Todesfälle 36.000 am Tag. Die Zahl der täglichen Opfer entspricht somit der Gesamtzahl getöteter Zivilisten in den letzten zehn Jahren des Afghanistankriegs. Sie liegt auch mehr als doppelt so hoch wie die Zahl der monatlichen Todesopfer im amerikanischen Bürgerkrieg.
Dies ist ein monumentales Verbrechen, nicht nur gegen die chinesische Arbeiterklasse, sondern auch gegen die arbeitende Bevölkerung auf der ganzen Welt. Wie Gesundheitsexperten warnen, erhöht die ungehinderte Ausbreitung des Virus in China die Wahrscheinlichkeit, dass sich weitere, möglicherweise noch ansteckendere und gefährlichere Mutationen des Coronavirus international entwickeln.
Dies bringt die globale Pandemie in ein neues, schwerwiegendes Stadium. Wie den Zahlen zur Übersterblichkeit der Bevölkerung zu entnehmen ist, sind in den vergangenen drei Jahren bereits 21 Millionen Menschen direkt oder indirekt an Corona gestorben. Dies entspricht der Gesamtzahl an militärischen und zivilen Opfern im Ersten Weltkrieg, der als vierjähriges Blutbad in die Geschichte einging.
Die Behörden in Beijing behaupten, dass die Zahl der Todesopfer in China weitaus geringer sei. Gleichzeitig heißt es, dass die Pandemie in kurzer Zeit 80 Prozent der 1,4 Milliarden Einwohner des Landes, d. h. 1,1 Milliarden Menschen infiziert habe.
Das chinesische Zentrum für Seuchenkontrolle und -prävention (CDC) meldete diese Woche rund 13.000 Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 in Krankenhäusern vom 13. bis 19. Januar, zusätzlich zu den fast 60.000, die es in den sechs Wochen davor gemeldet hatte. Diese Daten schließen jedoch diejenigen aus, die zu Hause gestorben sind. Zudem berichten Familien und Menschen im Gesundheitssektor, dass von offizieller Seite Druck ausgeübt werde, Covid-19 nicht als Todesursache in den Totenscheinen aufzuführen.
Dr. Wu Zunyou, der leitende Epidemiologe des chinesischen CDC, und die chinesische Regierung leiten aus dem Eingeständnis, dass 80 Prozent der Menschen infiziert sind, die falsche und irreführende Behauptung ab, dass die meisten Menschen vor einer erneuten Ansteckung sicher seien.
Dies steht im Widerspruch zu unbestreitbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen. Demnach treten Corona-Neuinfektionen weltweit immer häufiger auf und vervielfachen das Risiko von Krankenhausaufenthalten und Todesfällen. Die rasche Entwicklung neuer Varianten untergräbt die Wirksamkeit von Impfstoffen und die bei früheren Infektionen erworbene Immunität.
Nach drei Jahren Zero-Covid-Politik, die immer wieder Infektionsketten durchbrochen hat, wiederholt das Regime in Beijing nun dieselben Propagandalügen, die westliche Regierungen zur Rechtfertigung ihrer eigenen kriminellen Durchseuchungspolitik verwendet haben.
Von Präsident Xi Jinping abwärts drängen die chinesischen Behörden die Bevölkerung auf zynische Weise dazu, anzunehmen, dass das Schlimmste der Pandemie überstanden sei, und dass man zum „normalen“ Leben zurückkehren könne. Dies bezieht sich auch auf das aktuelle Mondneujahrsfest, das man nutzen soll, um Geld auszugeben und zu reisen. Die Masseninfektion soll die Wirtschaft wieder ankurbeln, die im vergangenen Jahr auf eine Wachstumsrate von 3 Prozent eingebrochen ist, dem niedrigsten Wert seit Anfang der 1990er Jahre.
Die People's Daily, die offizielle Zeitung der Kommunistischen Partei, schreibt begeistert, dass vom 7. bis 21. Januar, in den ersten zwei Wochen des 40-tägigen Neujahrsfestes, 110 Millionen Fahrten mit der Bahn unternommen worden seien. Die meisten dieser Reisenden besuchen ihre Familien in ländlichen Gebieten, wo der Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten besonders schlecht ist. So nimmt die weitere Verbreitung der Infektion Fahrt auf.
Es gibt immer wieder Berichte von überlasteten Krankenhäusern und Leichenhallen und über akuten Medikamentenmangel. Trotz der staatlichen Zensur, die „düstere Stimmungen“ unterbinden soll, finden sich im Internet zahlreiche Berichte über persönliche Tragödien. Es sind die Geschichten von Menschen, die an Corona erkrankt sind und Schwierigkeiten haben, Medikamente oder medizinische Versorgung zu bekommen, oder die ältere Verwandte durch die Krankheit verloren haben.
Präsident Xi, der sich des Schocks und der Unzufriedenheit bewusst ist, erklärte in seiner Botschaft zum Neujahrsfest, dass seine Regierung sich verpflichtet habe, „die Menschen und ihr Leben über alles andere zu stellen“ und gleichzeitig „die Auswirkungen von Covid-19 im wirtschaftlichen und sozialen Bereich gering zu halten“. Anschließend rief er die Menschen dazu auf, durch „solide Arbeit“ eine bessere Zukunft zu schaffen.
Wie und warum ist es zu dieser Katastrophe gekommen? Das chinesische Regime trägt zwar eine große historische Verantwortung, hat aber auf Geheiß der großen kapitalistischen Mächte und transnationalen Unternehmen gehandelt. Apple, Nike und andere Unternehmen drohten, ihre Produktionsstätten in andere Länder zu verlegen. Die westlichen Medien spielten kleine Proteste der Mittelschicht im November gegen Corona-Beschränkungen über alle Maßen hoch, und der Apparat der Kommunistischen Partei Chinas nutzte sie, um alle Schutzmaßnahmen aufzuheben.
Zur Beruhigung der globalen Elite trat Chinas Vizepremier Liu He letzte Woche auf dem jährlichen Weltwirtschaftsforum in Davos auf und versicherte den Milliardären der Welt, dass China für Geschäfte offen sei, indem er absurderweise erklärte: „Das Leben in China läuft wieder normal.“
Die Davoser Versammlung wurde allerdings nicht allein durch 5.000 Schweizer Soldaten von allen Protesten abgeschirmt, sondern sie hatte auch alle erdenklichen Maßnahmen ergriffen, um die Teilnehmenden vor Corona zu schützen. Dazu gehörten die neusten Impfungen vor der Ankunft, obligatorische PCR-Tests, kostenlose N95-Masken, modernste Belüftung und HEPA-Luftreiniger sowie UV-Lampen und Desinfektionssysteme.
Die Demontage von Zero-Covid durch die KP China, um den Anforderungen der globalen Konglomerate und Finanzgiganten gerecht zu werden, zeigt, dass es keine Lösung für die Katastrophe innerhalb nationaler Grenzen gibt.
Allein die Tatsache, dass China das Virus drei Jahre lang unterdrücken konnte, aber ständig mit der Gefahr einer Wiedereinschleppung aus dem Ausland rechnen musste, zeugt vom kriminellen Charakter der Reaktion auf die Pandemie in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern, vor allem in den USA und der EU.
Durch die Weigerung, eine Eliminierungsstrategie in Anlehnung an das chinesische Beispiel umzusetzen, sind die kapitalistischen Eliten und ihre politischen Vertreter für die Mutation von SARS-CoV-2 in immer infektiösere und immunschwächere Varianten verantwortlich, von Alpha bis Omikron und was auch immer als nächstes kommt.
Um Corona zu überwinden, ist eine weltweit einheitliche Anstrengung unter Führung der internationalen Arbeiterklasse notwendig. Dafür benötigt sie die exakten Informationen, die von prinzipientreuen Wissenschaftlern und Medizinern stammen. Das profitorientierte kapitalistische Weltsystem bedroht die Zukunft der Menschheit, nicht nur durch die Pandemie, sondern auch durch den Klimawandel, die ständig wachsende soziale Ungleichheit und die Gefahr eines dritten Weltkriegs.
Das Massensterben in China bekräftigt die Warnung aus der Neujahrserklärung der WSWS:
Mit ihrer Befürwortung der „Herdenimmunität“ als legitime Antwort auf die Pandemie und ihrer Bereitschaft, in der Konfrontation mit Russland einen Atomkrieg zu riskieren, legen die imperialistischen Mächte eine mörderische Verachtung für das Leben der großen Masse der Weltbevölkerung an den Tag. Nur die Intervention der Arbeiterklasse, bewaffnet mit einem internationalen sozialistischen Programm, kann der Menschheit einen Ausweg aus der vom Kapitalismus geschaffenen Katastrophe bieten.