Interviews mit Teilnehmern der SGP-Kundgebung

„Wir wollen diesen Krieg nicht!“

Am 4. Februar hielt die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) eine zentrale Antikriegs-Kundgebung auf dem Potsdamer Platz in Berlin ab. Sie wurde von mehr als 300 Menschen verfolgt. Reporter der World Socialist Web Site sprachen vor und nach der Kundgebung mit zahlreichen Teilnehmern.

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Fynn, ein Schüler aus Hessen, liest die WSWS seit einem dreiviertel Jahr. Er möchte Geschichte studieren, um daraus für die Zukunft zu lernen und die vorherrschende Ungerechtigkeit in der Gesellschaft zu beseitigen. Um an der Kundgebung teilzunehmen, ist Fynn die ganze Nacht durchgefahren, um „ein Zeichen gegen den Krieg zu setzen“, wie er sagt. „Ich finde es einfach total falsch, wie die Politik zurzeit den Konflikt in der Ukraine behandelt. Und es ist schade, dass es praktisch keine andere Seite mehr gibt, und dass man ausschließlich diejenigen hört, die behaupten, der Krieg sei notwendig.“

Fynn

Er hofft, dass die Kundgebung dazu beitragen könne, „die Leute aufzuklären, dass es auch noch eine andere Option gibt, nämlich: sich gegen den Krieg zu stellen“. Fynn sieht einen Zusammenhang zwischen der Kriegsgefahr und der „verrückten Politik“, wie sie derzeit in jedem gesellschaftlichen Bereich zum Ausdruck komme. „Das alles wurzelt im Kapitalismus; es läuft auf Ausbeutung hinaus und hat keine Nachhaltigkeit“, sagt Fynn. „Hauptsache, man erzielt Profite.“ Man bekomme es aber regelrecht eingetrichtert, dass der Kapitalismus das einzige funktionierende System sei. „Aber irgendwann habe ich selbst an dieser Lüge gezweifelt und damit angefangen, mich in den Sozialismus sozusagen reinzulesen.“

Sarah

Sarah ist sozialpädagogische Assistentin und macht zurzeit eine weitere Ausbildung. Sie ist entsetzt über die Eskalation des Kriegs in der Ukraine und meint: „Das dürfte eigentlich auf keinen Fall stattfinden. Mich erschreckt es einfach, dass viele Leute die Augen immer noch zuhalten, gerade in so einer Situation. Corona und der Klimawandel kommen ja noch hinzu.“

Sarah ist zur Kundgebung gekommen, um mit Gleichgesinnten in Kontakt zu treten. „Deswegen bin ich heute hier. Eine Freundin von mir kommt auch noch her“, sagt sie. „Ich bin einfach absolut neugierig, wie das heute sein wird.“

Zurzeit absolviert Sarah ein Praktikum in einer Kita. Dort ist sie hautnah mit den Folgen der explodierenden Lebenshaltungskosten konfrontiert und erlebt immer wieder „die Verzweiflung der Eltern wegen des Geldes. Es ist schrecklich zu sehen.“ Den Erzieherinnen und Erziehern ergehe es aber nicht anders. Auch sie kommen nicht mehr über die Runden. Es fehle an allen Ecken und Enden. „Und das sieht man dann auch. Zum Beispiel an der Kleidung der Kinder, und zum Teil auch am Sozialverhalten, weil es an Unterstützung fehlt, in der Kita selbst und natürlich auch bei den Eltern. Die Eltern haben einfach keine Zeit, weil sie arbeiten müssen.“ Auch aus diesem Grund findet Sarah die Kundgebung wichtig. „Es muss ein Zeichen gesetzt werden.“

Richard aus Texas, der seit drei Monaten in Berlin studiert, ist auf die Kundgebung gestoßen, weil er gezielt nach einer Arbeiterpartei gesucht hat. Die unendliche Kriegseskalation, egal von welcher Seite, bezeichnet er als „unmenschlich“. „Es gäbe so viele Möglichkeiten zu verhandeln, aber das wird nicht getan“, sagt Richard. „Die Nato spielt schon seit 1991 eine antagonistische Rolle. Sie hat sich seit der Auflösung der Sowjetunion immer weiter nach Osten ausgebreitet.“

Richard betont, dass er weit davon entfernt sei, Putin und die Invasion in der Ukraine zu verteidigen. „Aber aus einer geopolitischen Perspektive heraus ist klar, dass Russland damit auf die Einmischung in seinen Einflussbereich reagiert.“ Das habe man schon zuvor im Zusammenhang mit Georgien sehen können.

Auf die Frage, ob er einen Zusammenhang von Krieg und Kapitalismus sehe, antwortet Richard: „Der Imperialismus ist doch das höchste Stadium des Kapitalismus. Und jedes weitere Anwachsen des Kapitalismus führt zu Konflikten mit anderen Nationen, zum Beispiel um Ressourcen und Arbeitskräfte.“

Er verurteilt aufs Schärfste, dass Deutschland und die anderen Nato-Mächte heute Kampfpanzer in die Ukraine liefern: „Diese Leopard-Lieferungen, die machen den Krieg zu einem Stellvertreterkrieg gegen Russland. Wenn Russland seinerseits Waffen an Verbündete, zum Beispiel an den Iran, liefert, wird das immer dämonisiert. Aber die Nato macht genau dasselbe.“ Richard weist darauf hin, dass die USA weltweit zahlreiche Diktaturen unterstützen, und fügt hinzu: „Die Ukraine ist völlig korrupt. Es ist das korrupteste Land in Europa, und rechtsextreme Kräfte spielen in ihrer Politik eine führende Rolle. Schon im Zweiten Weltkrieg waren ukrainische Faschisten am Holocaust mitbeteiligt, und heute werden diese Kräfte dort in der Politik und an den Schulen verharmlost.“

Claudius

„Krieg heißt No Future“, steht auf dem Schild, das Claudius Sassini an der Kundgebung hochhält. Er sagt: „Ich bin in keiner Richtung parteigebunden, aber ich bin gegen den Krieg. Denn der Mensch muss einfach gegen Krieg sein; im Krieg gibt es nur Verlierer.“

Über die Ursachen des aktuellen Ukrainekriegs sagt Claudius, dass man ihn nur aufgrund seiner Vorgeschichte verstehen könne: „Schon 2014 wurden die Amerikaner auf dem Maidan aktiv, und seither haben sie sechs Jahre lang dafür gesorgt, dass dort ein Bürgerkrieg vorherrschte.“ Er weist darauf hin, dass die russischsprachige Minderheit unterdrückt und sogar die Sprache Russisch verboten wurde.

Dann kommt er auf die Grünen zu sprechen: „Normalerweise waren die Grünen die Antikriegspartei, aber das hat sich ja nun geändert“, meint Claudius. Es sei „in gewisser Weise schockierend, wie weit die Grünen heute in Richtung Krieg und Militarismus gehen. Das hat schon länger angefangen, aber jetzt sind sie die heißesten Kriegsbefürworter von allen.“ Zu den bürgerlichen Medien sagt Claudius, dass sie überhaupt nicht mehr der Wahrheit verpflichtet seien. „Die Medien verfolgen ihre eigenen Ziele. Dieses Weglassen und Verbiegung der Wirklichkeit, das ist falsch.“

Die Kundgebung der SGP am Potsdamer Platz sei für ihn eine seltene Gelegenheit, seine Meinung auszudrücken: „Ich bin grundsätzlich gegen den Krieg. Und ich wünsche mir, dass ganz viele Leute sich uns anschließen und sich ebenfalls dagegen aussprechen.“

Moritz

Moritz arbeitet als Software-Entwickler. Auf die Frage, weshalb er gekommen sei, antwortet er: „Weil ich sehe, dass es sonst keine Bewegung gibt, die sich ernsthaft gegen den Krieg stellt. Es gibt zwar andere, die auch sagen, sie sind gegen den Krieg oder für den Frieden. Aber das wird dann mit der russischen Perspektive verbunden, also mit dem russischen Staat. Oder der ‚Frieden‘ wird als Grund für Kriegslieferungen an die Ukraine angeführt. Beides ist nicht zielführend, im Gegenteil.“

Er fährt fort: „Je mehr Waffen man in die Ukraine liefert, oder je mehr Truppen dahin geschickt werden, desto mehr leidet dort die Zivilvölkerung, und die kann am wenigsten für den Krieg. Die wird richtig verheizt. Und das scheint ja auch mittlerweile in der ukrainischen Bevölkerung anzukommen. Die Leute dort werden wahrscheinlich anfangen, sich zu fragen: Was passiert hier eigentlich? Für wen werden sie verheizt? Und das kann dazu führen, dass sie auch dort in den Widerstand gehen.“

Auf die Frage, an welchem Punkt er zu dem Schluss gelangt sei, dass man politisch aktiv werden müsse, antwortet Moritz: „Ich war früher mal in einer bürgerlichen Partei, in der Piratenpartei. Ich habe gesehen, wie sie immer mehr degeneriert ist. Und dann kam die Frage: Gibt es eine Alternative? Im bürgerlichen Lager war nichts mehr. Ich bin auf die SGP gestoßen und habe verstanden, dass sie eine ganz andere Ausrichtung hat. Und das hat mir wieder Hoffnung gegeben, dass man wirklich etwas ändern kann. Dass man sagt: Wir stürzen den Kapitalismus und bauen weltweit den Sozialismus auf. Dadurch können wir die ganzen aktuellen Probleme lösen. Nicht nur den Krieg, sondern auch die Klimakrise oder die anderen Probleme, die schon seit Jahrzehnten vorherrschen. Denn dass alles kaputtgespart wird, das hatten wir schon vor dem Krieg.“

Zur Bedeutung der SGP-Kundgebung meint er: „Es ist auf jeden Fall gut, hier ein deutliches Zeichen zu setzen: Wir wollen den Krieg nicht, wir wollen auch den Kapitalismus nicht. Wir wollen diese ganzen Probleme nicht mehr, und wir werden den Kapitalismus abschaffen, damit es nie mehr Krieg gibt. Und ich finde, das ist eine sehr gute Aussicht. Wir müssen an den Punkt kommen, an dem niemand mehr auf der Welt einen Krieg anzetteln kann. Weil sich die Menschheit unter dem sozialistischen Banner vereinigt hat. Und dafür stehen wir hier auf.“

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