Die Entscheidung des nicht gewählten sri-lankischen Präsident Ranil Wickremesinghe, die landesweiten Kommunalwahlen am 9. März abzusagen, verstößt in eklatanter Weise gegen die Verfassung und die demokratischen Grundrechte.
Bereits seit Wochen versucht Wickremesinghes Regierung, die im Auftrag des Internationalen Währungsfonds (IWF) brutale Sparmaßnahmen umsetzt, die Wahlen zu sabotieren, weil sie eine massive und demütigende Niederlage befürchtet.
Letzte Woche teilte die Wahlkommission dem Obersten Gericht mit, die Wahl könne nicht wie geplant am 9. März stattfinden, weil die Regierung kein Geld zur Verfügung gestellt hat, um Stimmzettel zu drucken. Dabei berief sich das Finanzministerium auf ein Dekret des Präsidenten, das nur die Finanzierung „wesentlicher Staatsausgaben“ erlaubt.
Am Donnerstag verkündete Wickremesinghe in einer Rede vor dem Parlament arrogant, es werde keine Wahlen geben, und er werde die Polizei auf alle Beamten ansetzen, die versuchten, die Wahl durchzuführen.
Er erklärte zynisch und in der Manier eines Diktators: „Die Wahlen wurden nicht verschoben. Es gibt überhaupt keine Wahlen, die hätte verschoben werden können.“ Er rechtfertigte diese Aussage mit der absurden und nie zuvor erhobenen Behauptung, die Wahlkommission sei bei der Einleitung der Wahlen nicht beschlussfähig gewesen. In Wirklichkeit hätte die Kommission gegen das Gesetz verstoßen – ganz zu schweigen von den demokratischen Rechten der sri-lankischen Bevölkerung –, wenn sie die seit einem Jahr überfälligen Wahlen nicht organisiert hätte. Die Regierung selbst hatte dies zuvor zugegeben, indem sie den Aufruf zur Einreichung von Kandidaturen als auch den Wahltermin im Amtsblatt der Regierung veröffentlichte.
Wickremesinghe erklärte weiter, wenn das Finanzministerium der Wahlkommission Geld geben würde, „müsste ich den Minister entlassen und die Polizei auffordern, rechtliche Schritte gegen ihn einzuleiten. Das Gleiche würde mit den Verantwortlichen in der Staatsdruckerei passieren [die die Wahlzettel drucken]. Sie würden alle ihre Stellen verlieren.“
Wickremesinghe machte keine Zusage, wann, wenn überhaupt, die Wahlen stattfinden werden – nicht dass eine solche Aussage irgendetwas wert wäre.
Bei anderen Anlässen während der letzten Tage hatte er erklärt, es werde keine Wahlen geben, solange es keinen „Wirtschaftsaufschwung“ gibt, und dass der „Wirtschaftsaufschwung“ – d.h. die Erzielung ausreichender Einkommensüberschüsse bei den verarmten Arbeitern und Werktätigen Sri Lankas, um die Schuldenzahlungen an das internationale Kapital wieder aufzunehmen – von der „öffentlichen Ordnung“ abhängt.
In Wirklichkeit fürchten Wickremesinghe und die sri-lankische Bourgeoisie ein Wiederaufleben der Massenaufstände, welche die Insel letztes Jahr von April bis Juli erschütterten und Präsident Gotabhaya Rajapaksa aus dem Präsidentenamt gejagt und zuvor dessen Bruder Mahinda Rajapaksa zum Rücktritt als Premierminister gezwungen hatten.
Letzte Woche schwor Wickremesinghe in einer Rede, er werde „nicht zulassen, dass das Land in die Anarchie abgleitet“. Damit wollte er sagen, er sei entschlossen, die volle Macht des kapitalistischen Staats einzusetzen, um die grundlegendsten demokratischen Rechte mit Füßen zu treten und die entstehende Massenbewegung zu unterdrücken, die sich gegen das „Wirtschaftsaufschwungs-Programm“ der herrschenden Klasse richtet, das aus brutalen Sozialkürzungen, Privatisierungen und der Erhöhung der Preise für Strom und andere Leistungen besteht. Dieses Programm der verbrannten Erde hat bereits jetzt zu Massenarmut geführt. 35 Prozent der Bevölkerung müssen an den täglichen Mahlzeiten sparen.
Die Socialist Equality Party (SEP), die sri-lankische Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, ruft die arbeitende Bevölkerung auf, der autokratischen Entscheidung der Regierung, die Kommunalwahlen auszusetzen, entschieden Widerstand zu leisten. SEP-Generalsekretär Deepal Jayasekara erklärte am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Colombo: „Wir, die Socialist Equality Party, verurteilen aufs Schärfste die Entscheidung von Präsident Ranil Wickremesinghe, die Kommunalwahlen abzusagen. ... Es handelt sich dabei um einen eklatanten Angriff auf die demokratischen Grundrechte der arbeitenden Bevölkerung.“
Die SEP hat sich an den Kommunalwahlen beteiligt, um ihren Kampf zur Mobilisierung der Arbeiterklasse als unabhängige politische Kraft zu intensivieren, die ihre eigene sozialistische Lösung für die sozioökonomische Krise der Insel vertritt. An erster Stelle stehen bei dieser Lösung nicht, was sich der bankrotte sri-lankische und internationale Kapitalismus leisten kann, sondern die Bedürfnisse der Massen.
Die 53 Kandidaten, die sie für drei Gemeinderäte aufgestellt hat (Karainagar im nördlichen Distrikt Jaffna, Maskeliya im zentralen Plantagendistrikt und Kolonnawa in der Nähe von Colombo), haben wochenlang um Unterstützung für ein internationales sozialistisches Programm gegen den von den USA und der Nato angezettelten Krieg gegen Russland und den Austeritätskurs des IWF geworben.
Jayasekera erklärte: „Wickremesinghes Entscheidung ist Teil der breiteren Angriffe seiner Regierung auf die demokratischen Rechte der Massen. Sie dient der Vorbereitung auf die Unterdrückung der zunehmenden Kämpfe gegen die harten, vom IWF diktierten Austeritätsmaßnahmen seiner Regierung.“
Der SEP-Generalsekretär erklärte, die Regierung befürchte eine vernichtende Niederlage bei den Kommunalwahlen – laut einer aktuellen Umfrage genießt sie nur die Unterstützung von zehn Prozent der Bevölkerung. Diese Niederlage würde die Fraktionskämpfe innerhalb des politischen Establishments verschärfen. Doch die weitaus größere Sorge ist, dass eine solche Niederlage ihren illegitimen Charakter weiter entlarven und den Widerstand der Bevölkerung anheizen würde.
Wickremesinghe, der als Vertreter des Großkapitals und Marionette der USA berüchtigt ist, war der einzige Vertreter seiner Partei im Parlament, als er letzten Juli durch eine Verschwörung der herrschenden Klasse zum Präsidenten gemacht wurde. Diese Verschwörung wurde von Rajapaksas Partei SLPP angeführt, aber auch die von den Gewerkschaften unterstützten Oppositionsparteien waren daran beteiligt.
Jayasekera schilderte die Lehren aus den turbulenten Ereignissen des letzten Jahres vom Standpunkt der Vorbereitung der Arbeiterklasse und der unterdrückten Massen auf das nächste Stadium des Kampfs. Der Massenaufstand habe die immense soziale Kraft der Arbeiterklasse und ihr Potenzial gezeigt, die kommunalistischen Spaltungen zu überwinden, die von der Bourgeoisie geschürt wurden. Allerdings habe er auch gezeigt, wie dringend sich die Arbeiterklasse zu einer unabhängigen politischen Kraft entwickeln und die Massen vom Land hinter sich mobilisieren muss.
Trotz der Militanz der Massen und dem Ausmaß der Massenbewegung sei es der herrschenden Klasse gelungen, mit der Forderung nach einer Übergangsregierung nach Rajapaksas Rücktritt wieder die Initiative zu ergreifen und die Regierung neu zu organisieren. Die Opposition habe sie dabei unterstützt.
Die SEP habe seit Beginn des Massenaufstands für die Gründung von Aktionskomitees gekämpft, die völlig unabhängig von den prokapitalistischen Gewerkschaften und allen politischen Repräsentanten der Bourgeoisie sind, um den Widerstand gegen die Angriffe der Regierung und der Arbeitgeber zu organisieren und einen Kampf für die Machtübernahme der Arbeiter zu führen.
Weiter erklärte Jayasekera: „Wir erklärten, dass es im Rahmen des Kapitalismus keine Lösung für die brennenden sozialen und demokratischen Probleme gibt. ... [Deshalb] haben wir eine Kampagne für einen demokratischen und sozialistischen Kongress der Arbeiter und ländlichen Massen geführt, der sich auf die demokratisch von diesen Aktionskomitees gewählten Delegierten stützt. Er soll ein Organ der unabhängigen Arbeitermacht und eine revolutionäre politische Alternative zur kapitalistischen Übergangsregierung bilden, die von den diskreditierten parlamentarischen Kumpanen Rajapaksas eingesetzt wurde.“
An der Pressekonferenz am Donnerstag nahmen Journalisten von sechs großen Medienhäusern teil, darunter Sirasa TV, MTV, TNL, ABC Capital und Virakerasari, die wichtigste tamilisch-sprachige Zeitung.
Einer der Journalisten fragte, ob die SEP mit den diversen Oppositionsparteien zusammenarbeiten werde, um die Absage der Wahlen durch die Regierung anzufechten. Jayasekera erklärte daraufhin, diese Parteien, darunter die offiziellen Oppositionsparteien SJB und JVP, seien in der Vergangenheit selbst an Angriffen auf demokratische Rechte beteiligt gewesen, u.a. durch die Förderung eines fanatischen anti-tamilischen Chauvinismus. Zudem unterstützten sie die Umsetzung der undemokratischen Austeritätsmaßnahmen des IWF durch die Regierung.
Die Oppositionsparteien stehen den sozialen und demokratischen Bestrebungen der sri-lankischen Arbeiter feindlich gegenüber und haben auf Wickremesinghes Aussetzung der Wahlen mit Appellen an die westlichen imperialistischen Mächte reagiert.
Doch diese Länder, beginnend mit den USA, dem Vereinigten Königreich, Deutschland und Frankreich, haben eine lange und blutige Geschichte von imperialistischem Banditentum und Intrigen, darunter die Unterstützung brutaler arbeiterfeindlicher Diktaturen wie die von Pinochet und dem iranischen Schah vor 50 Jahren bis zu al-Sisi in Ägypten heute. Auch den sri-lankischen Staat haben sie in seinem blutigen, drei Jahrzehnte andauernden Bürgerkrieg gegen die tamilische Minderheit unterstützt.
Unter der Führung Washingtons haben sie jetzt einen Krieg gegen Russland angezettelt und eskalieren ihn weiter, womit sie die Welt immer näher an einen atomaren Flächenbrand bringen. Das ist ein verzweifelter Versuch, ihre Krise durch Plünderung und Eroberung auszugleichen.
Zudem haben Washington und das mit ihm verbündete Indien die sri-lankische Wirtschaftskrise rücksichtslos ausgenutzt, um die Insel noch vollständiger in die militärisch-strategische Offensive der USA gegen China einzubinden. Erst letzte Woche traf eine Delegation von 20 Vertretern des Pentagon in Sri Lanka zu geheimen Verhandlungen mit der Regierung ein.
Und natürlich stehen alle westlichen Mächte uneingeschränkt hinter dem Austeritätsprogramm des IWF.
Die SJB beschwerte sich bei der UN-Niederlassung in Colombo über die „verfassungswidrigen Versuche“ der Regierung, die Kommunalwahlen zu verschieben.
JVP-Propagandasekretär Vijith Herath versuchte am Mittwoch, im Parlament die Geier vom IWF als Hüter der Demokratie darzustellen: „Der IWF hat eindeutig erklärt, dass die Regierung von Sri Lanka ein Mandat der Bevölkerung haben sollte, wenn sie Unterstützung erhalten will.“ Herath erklärte, seine Partei werde Demonstrationen veranstalten, rechtliche Schritte einleiten und „Diplomaten der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und Menschenrechtsorganisationen unterrichten“.
Der Freedom People's Congress, der sich letztes Jahr von der Partei des ehemaligen Präsidenten Rajapaksa abgespalten hat, hat einen Brief an ausländische Vertretungen geschickt, in dem er „große Besorgnis über die derzeitige Situation in Bezug auf das Wahlrecht des Volks äußerte“.
Arbeiter auf der ganzen Welt müssen die Entwicklungen in Sri Lanka als Vorboten und Warnung betrachten. Die Bourgeoisie bricht überall mit demokratischen Herrschaftsformen, versucht die Kämpfe der Arbeiterklasse zu kriminalisieren und spuckt faschistische Reaktion aus. Die Verteidigung demokratischer Rechte erfordert ebenso wie der Kampf gegen imperialistischen Krieg und kapitalistische Austerität die unabhängige politische Mobilisierung der Arbeiterklasse, die Vereinigung ihrer Kämpfe über Grenzen und Kontinente hinweg und den Kampf um die Arbeitermacht.