Australische Militäranalysten warnen vor US-Krieg gegen China

Die Australian Broadcasting Corporation (ABC) veröffentlichte am 20. und 21. Februar eine zweiteilige Serie mit dem Titel „Was würde ein Krieg gegen China für Australien bedeuten?“ Die Serie betonte die wachsenden Befürchtungen in Teilen der herrschenden Kreise in Bezug auf die katastrophalen Folgen eines US-Kriegs gegen China angesichts der zunehmend aggressiven Haltung Washingtons.

Die zweiteilige ABC-News-Serie „Was würde ein Krieg gegen China für Australien bedeuten?“ [Photo: ABC News screen shot]

Der Artikel beruht auf Interviews mit „vier der erfahrensten Militärstrategen Australiens“, wie ABC sie beschreibt. Alle vier verfügen über „die höchstmöglichen Sicherheitsfreigaben“ und „waren an brisanten Militäroperationen beteiligt“.

Die vier Strategen sind Professor Hugh White, ehemaliger stellvertretender Sekretär für Strategie und Geheimdienste im Verteidigungsministerium, Admiral Chris Barrie, von 1998 bis 2002 Oberbefehlshaber der Australian Defence Force, Allan Behm, ehemaliger Leiter der Abteilungen des Verteidigungsministeriums für internationale Politik und Strategie und Professor Clinton Fernandes, ein ehemaliger Offizier des militärischen Nachrichtendienstes.

Keiner von ihnen ist in irgendeiner Weise Kriegsgegner oder Anti-Imperialist. Sie repräsentieren lediglich eine abweichende Fraktion der herrschenden Klasse, die zutiefst besorgt ist über die wirtschaftlichen und politischen Folgen für den australischen Imperialismus, die ein Krieg zwischen den USA und Australiens größtem Handelspartner China haben würde. Einige von ihnen treten für eine unabhängigere australische Außenpolitik ein.

Die Tatsache, dass der staatliche Rundfunksender sie zusammengebracht hat, bestätigt eindrucksvoll, dass die Zeitspanne für einen US-Konflikt mit China immer kürzer wird. Unter Trump und jetzt auch unter Biden haben die USA Taiwan, den gefährlichsten Krisenherd Asiens, bewusst angeheizt und die Ein-China-Politik, die seit 1979 die Grundlage der amerikanisch-chinesischen Beziehungen bildet, immer offener in Frage gestellt.

Wie ABC erklärte, beobachten die interviewten Analysten „mit großem Interesse, wie in einigen Kreisen die Trommeln für einen möglichen Krieg mit China gerührt werden“. Die Kriegspläne der USA sind deutlich weiter fortgeschritten als diese Stellungnahme es vermuten lässt, und die vier wissen das sehr wohl. Anfang Februar wurde eine interne Mitteilung des Vier-Sterne-Generals Michael Minahan von der US Air Force geleakt, in dem dieser erklärte, er habe das Bauchgefühl, dass die USA im Jahr 2025 einen Krieg gegen China um Taiwan führen würden. In seiner Mitteilung, der ersten von vielen, wies er seine untergeordneten Kommandeure an, detaillierte Vorbereitungen zu treffen.

ABC hob Folgendes hervor: „Die australische Bevölkerung könnte eines Morgens aufwachen und aus den Nachrichten erfahren, dass wir uns im Krieg mit China befinden. Das mag beunruhigend sein, doch viele Menschen wissen etwas noch nicht, das viel beunruhigender ist: Eine solche Entscheidung erfordert keine Anhörung im Parlament. Die Entscheidung darüber, einen Krieg zu beginnen, würde keine öffentliche Diskussion erfordern. Der Generalgouverneur muss seine Zustimmung dazu nicht erteilen, sie liegt einzig und allein in der Hand des amtierenden Premierministers.“

Admiral Barrie warnte gegenüber ABC am deutlichsten vor einem Konflikt mit China: „Die Folgen für uns wären sehr ernst, sowohl für die australische Wirtschaft, die Auswirkungen auf die australische Bevölkerung und die Zerstörung unserer Lebensweise im ganzen Land.“

Barrie erklärte weiter, im Gegensatz zu den Konflikten im Irak und Afghanistan, die nur die dort eingesetzten Soldaten und ihre Familien betroffen haben, würde sich ein Krieg gegen China auf alle Australier auswirken: „Wahrscheinlich würde er uns alle wirtschaftlich, finanziell und persönlich in die Armut treiben; wenn es zum Einsatz von Kernwaffen kommt, könnten sogar die meisten von uns getötet werden.“

Hugh White wies darauf hin, dass ein Konflikt mit China für Australien verheerend wäre, ob es sich nun daran beteiligt oder nicht: „Unsere Wirtschaft würde paralysiert werden, da der gesamte Handel mit China und anderen wichtigen ostasiatischen Partnern zum Erliegen käme und vermutlich für lange Zeit nicht wieder in Gang käme. Wenn wir uns an der Auseinandersetzung beteiligten oder erlauben würden, dass beteiligte US-Truppen von Stützpunkten in Australien aus operieren, wäre ein direkter Angriff auf Australien durch chinesische Langstreckenwaffen sehr wahrscheinlich.“

In Wirklichkeit wäre Australien von Anfang an in einen Krieg zwischen den USA und China verwickelt. Während der letzten zehn Jahre wurden die australischen Streitkräfte und Militärstützpunkte eng in die Kriegspläne der USA gegen China eingebunden. US-Marines, Kriegsschiffe und Militärflugzeuge, darunter atomwaffenfähige B-52-Bomber, werden regelmäßig an wechselnden Orten in Nordaustralien stationiert. Das Land ist Partner des Quadrilateral Security Dialogue mit den USA, Japan und Indien sowie des AUKUS-Paktes mit Großbritannien und den USA, der Australien atomgetriebene Jagd-U-Boote stellen wird. Der Stützpunkt Pine Gap im Zentrum von Australien ist für das US-Militär unverzichtbar, um Geheimdienstdaten zu sammeln, sowie für die Kommunikation und die Zielerfassung in ganz Asien.

Hugh White, emeritierter Professor für Strategische Studien an der Australian National University [Photo: Australian National University]

Auf die Frage, was die USA in einem Krieg mit China vom australischen Militär verlangen würden, erklärte White: „US-Truppen würden im Rahmen ihrer Fähigkeiten voll eingesetzt werden, und sie würden das Gleiche von uns erwarten und sogar fordern.“ Auf die Frage nach möglichen Opferzahlen erklärte er: „In einem Krieg gegen China würde die Zahl der Todesopfer mit großer Wahrscheinlichkeit schnell die Zahlen der Verluste im Vietnam- und Koreakrieg überschreiten.“

Die Abhängigkeit des australischen Imperialismus von den USA

Von den vier Analysten kritisierte Allan Behm am offensten die Beteiligung Australiens an den früheren Kriegen der USA: „Australien zögert nie, die amerikanischen Abenteuer zu unterstützen und sich daran zu beteiligen. Korea war ein ebenso unnötiger Krieg wie die Konflikte in Vietnam, dem Irak und Afghanistan. Der Vietnam- und der Irakkrieg waren rechtswidrige Kriege, bei denen die US-Regierung(en) ihre Bevölkerung und ihre Verbündeten über die strategischen Notwendigkeiten und die moralische Rechtfertigung des Einsatzes von Waffengewalt belogen haben.

Australien hat eine grundlegende strategische Pathologie – die Interessen der USA auf Kosten unserer eigenen zu unterstützen. Ein Krieg gegen China um Taiwan würde, so schrecklich er auch wäre, die nationalen Interessen Australiens nicht betreffen.“ Behm kritisierte den Führer der liberal-nationalen Opposition, Peter Dutton, und den Verteidigungsminister der Labor Party, Richard Marles, für deren Standardposition, „immer und überall an der Seite der USA zu stehen“.

Was Behm als „grundlegende strategische Pathologie“ bezeichnet, ist jedoch nicht das Produkt falsch denkender Individuen, und noch weniger eine nationale Charakterschwäche, sondern ein Ergebnis der objektiven Schwäche des australischen Imperialismus, der nur eine mittelgroße Macht ist. Er hat sich immer auf die größte imperialistische Macht gestützt, um seine wirtschaftlichen und strategischen Interessen in der Region und der Welt durchzusetzen. Diese Macht war zuerst Großbritannien, dann seit Mitte des Zweiten Weltkriegs die USA.

Befürworter einer unabhängigeren australischen Außen- und Militärpolitik wie Behm wurden weitgehend an den Rand gedrängt, eben weil es sich dabei in den Augen der vorherrschenden Teile der herrschenden Klasse um ein Hirngespinst handelt. Was sich abzeichnet, ist nicht einfach ein Streit zwischen den USA und China um Taiwan, sondern ein viel größerer globaler Konflikt zwischen Atommächten – die ersten Schüsse dazu sind bereits in Europa gefallen.

Die USA betrachten den Krieg gegen Russland in der Ukraine als Vorspiel zum Krieg gegen China, das sie offen als größte Gefahr für ihre globale Hegemonie bezeichnen. Genau wie sie Russland in der Ukraine zu einem kräftezehrenden Krieg provoziert haben, provozieren sie jetzt China zu einem Angriff auf Taiwan. Das Ziel dieser völlig skrupellosen Politik ist in beiden Fällen das gleiche: beide Länder zu schwächen, zu destabilisieren, aufzuspalten und letztlich den Interessen der USA unterzuordnen.

Bezeichnenderweise äußerte sich keiner der vier Analysten zum Krieg in der Ukraine oder Australiens Beteiligung daran, obwohl er Auswirkungen auf einen Krieg in Asien hat. Trotz Behms Verurteilungen anderer Kriege der USA, reagierte er auf den Ausbruch des Konflikts in der Ukraine nicht mit Kritik an Washington und seinen räuberischen Zielen. Vielmehr betonte er, die australische Regierung solle sich heraushalten und ihre militärischen Bestrebungen auf Asien konzentrieren.

Ein Großteil der ABC-Artikel konzentriert sich lediglich auf die Frage, ob die USA einen Krieg gegen China um Taiwan gewinnen würden. Alle vier wägen die relativen militärischen Stärken, die geografische Lage und mögliche chinesische Strategien ab, wobei Clinton Fernandes eine chinesische Blockade Taiwans für wahrscheinlicher hält als eine Invasion. Alle vier kommen zu dem Schluss, dass der Krieg mit einer Pattsituation oder einer Niederlage der USA enden würde.

Das Pentagon und das Weiße Haus stellen zweifellos ähnliche Berechnungen an, nicht nur über die unmittelbaren militärischen Erwägungen, sondern auch über die umfassenderen politischen und strategischen Fragen. Washington hat seine Vorbereitungen auf einen Krieg gegen China forciert, seit Präsident Obama im Jahr 2011 im australischen Parlament den „Pivot to Asia“ angekündigt hat. Genau wie Washington den Krieg in der Ukraine rücksichtslos beschleunigt, weil es sich eine Niederlage nicht leisten kann, steht auch in einem Krieg gegen China seine globale Position auf dem Spiel. Was als Krieg um Taiwan beginnen würde, in dem die taiwanische Bevölkerung als Kanonenfutter dient, könnte schnell und mit katastrophalen Folgen für die gesamte Menschheit außer Kontrolle geraten.

Insofern die Analysten einen Krieg zwischen den USA und China verhindern wollen, hoffen sie, genau das politische und mediale Establishment, das die Kriegspläne der USA bereits unterstützt, zu einer Kehrtwende zu bewegen. Doch der forcierte Kriegskurs im Indopazifik steht, ebenso wie der Krieg in Europa, in engem Zusammenhang mit der immensen und um sich greifenden Krise des Weltkapitalismus. In der ABC-Diskussion wird nichts über die grundlegenden wirtschaftlichen, sozialen und politischen Kräfte gesagt, die den US-Imperialismus in den Krieg und die australischen Regierungen dazu treiben, ihre Bevölkerung an die vorderste Front des Konflikts zu stellen.

Admiral Barrie ruft mehrfach zu einem Sinneswandel auf: „Australien sollte zu einer Position übergehen, in der die Vermeidung eines Kriegs ein ernsthaftes politisches Ziel ist. Das ist eine staatsmännische Reaktion auf die Herausforderungen, denen wir heute gegenüberstehen. Meiner Meinung nach ist die Gefahr eines Krieges seit 2017 gestiegen.“ Doch die kapitalistischen Politiker von heute haben sich allesamt dem Kriegskurs angeschlossen und steuern auf eine Katastrophe zu. Damit wollen sie nicht nur ihre strategischen und wirtschaftlichen Interessen verfolgen, sondern auch die massiven sozialen Spannungen, die bereits jetzt weltweit den Klassenkampf anheizen, auf einen äußeren Feind ablenken. Aufrufe zu staatsmännischem Verhalten werden auf taube Ohren stoßen.

Die Labor-Regierung von Premierminister Albanese ist von der Unterstützung für die Kriegspläne der USA in der Ukraine und dem Indopazifik nicht abgerückt, sondern hat sie seit ihrem Amtsantritt im Mai 2022 verschärft und damit sogar die vorherige liberal-nationale Koalitionsregierung übertroffen. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht neue Waffenkäufe, mehr Militärhilfe für die Ukraine oder weitere Zugangserlaubnisse zu australischen Stützpunkten für die USA angekündigt werden. Albanese und seine Minister haben obendrein die anti-chinesische Hexenjagd und die Einschüchterung von Pazifikstaaten verstärkt, die Beziehungen zu Peking unterhalten.

Obwohl Barrie die katastrophalen Folgen eines Kriegs zwischen den USA und China schildert, schließt er bezeichnenderweise nicht aus, dass sich Australien dennoch daran beteiligen könnte. Auf die Frage, ob Australien sich beteiligen sollte, erklärt er: „Das kommt drauf an. Es gibt immer ein paar Möglichkeiten, dass die richtige Entscheidung darin besteht, in den Krieg zu ziehen, unabhängig von der Erwartungshaltung, dass wir ,gewinnen‘ – was auch immer das bedeutet.“ Als Vorbehalt fügt er lediglich an, dass „diese Möglichkeiten derzeit unwahrscheinlich erscheinen“.

Nach den barbarischen Erfahrungen des Vietnamkriegs und der Zerstörung ganzer Gesellschaften in Afghanistan, dem Irak, Libyen und Syrien durch die USA gibt es in der Bevölkerung wenig Unterstützung für weitere Kriege unter Führung der USA. Doch diese Antikriegsstimmung darf nicht in eine Unterstützung für die nicht minder räuberischen Interessen des australischen Kapitalismus umgelenkt werden.

Kein Vertrauen darf darauf gesetzt werden, dass irgendeine Fraktion der herrschenden Klasse Australiens, der USA oder irgendeines anderen Landes den Kurs auf einen dritten Weltkrieg und ein nukleares Armageddon verlangsamen oder gar aufhalten wird. Doch die gleichen Widersprüche des Kapitalismus, die die herrschende Klasse in den Konflikt treiben, zwingen auch die Arbeiterklasse in den Kampf. Die Arbeiter, die für drängende soziale und wirtschaftliche Forderungen zur Verteidigung ihrer Arbeitsplätze, Arbeitsbedingungen und Löhne kämpfen, müssen darüber hinaus eine vereinte Antikriegsbewegung der internationalen Arbeiterklasse aufbauen, um den Ausbruch eines solchen Kriegs zu verhindern. Dazu müssen sie der Ursache der Kriege ein Ende setzen: dem kapitalistischen System.

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