Vorherrschaft des Dollars wird in Frage gestellt

Die aktuellen Verwerfungen auf den Finanzmärkten – der Kollaps der Silicon Valley Bank (SVB), die zweitgrößte Bankenpleite der USA, und die erzwungene Übernahme der Credit Suisse durch die UBS – haben lange schwelende Zweifel an der Stabilität des globalen Finanzsystems und der Rolle des Dollars als Weltleitwährung neu entfacht.

Auf dem Parkett der New Yorker Börse: Ein Monitor zeigt die Entscheidung der US-Notenbank, die Zinssätze zu erhöhen, 16. März 2022 [AP Photo/Richard Drew]

Dieselben Fragen wurden bereits vor über einem Jahr aufgeworfen, damals als direkte Folge der US- und EU-Sanktionen gegen Russland. Nachdem die Putin-Regierung militärisch gegen die Ukraine vorgegangen war, wurden Vermögenswerte der russischen Zentralbank in Höhe von rund 300 Milliarden Dollar eingefroren.

Auf die von den USA angeordneten Strafmaßnahmen, die nur aufgrund der zentralen Stellung des Dollars verhängt werden konnten, gab es kaum öffentliche Reaktionen. Dennoch lösten sie in der Welt der Zentralbanken einen Schock aus. Denn wenn es Russland treffen konnte, dann war jedes Land gefährdet, das zukünftig ins Fadenkreuz der USA geriet.

Der Iran hat bereits die Erfahrung gemacht, dass die USA aufgrund der Vorherrschaft des Dollars trotz der Einwände der EU-Länder in der Lage waren, einseitig Sanktionen zu verhängen.

Im vergangenen Monat merkte der Kolumnist Fareed Zakaria in der Washington Post an, dass das bemerkenswerteste Ergebnis der Gespräche zwischen Russlands Präsident Wladmir Putin und Chinas Präsident Xi Jinping einer Äußerung Putins nach dem Gipfel zu entnehmen war, die in den Medien wenig Beachtung fand. „Wir unterstützen die Verwendung des chinesischen Yuan für den Zahlungsausgleich zwischen Russland und den Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas“, hatte Putin erklärt.

Laut Zakaria impliziert diese Aussage, dass „die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und der größte Energieexporteur aktiv danach streben, die Vorherrschaft des Dollars im internationalen Finanzsystem zu brechen“. Die Ablösung des US-Dollar als globale Leitwährung sei zwar ausgeschlossen, doch sei es „sehr wahrscheinlich“, dass er durch „tausende Einschnitte geschwächt“ werde.

Vieles deutet darauf hin, dass dieser Prozess bereits im Gange ist. So wickeln China und Russland inzwischen zwei Drittel ihres signifikant angestiegenen Außenhandels in ihren eigenen Währungen ab.

Mit Saudi-Arabien hat die chinesische Regierung vereinbart, dass sie ihre Erdölkäufe in Yuan bezahlen kann. Damit sind die Saudis zum ersten Mal seit fast 50 Jahren bereit, eine andere Währung als Dollar für ihr Erdöl zu akzeptieren.

Der französische Konzern TotalEnergies unterzeichnete kürzlich mit China einen Kaufvertrag über eine Ladung Flüssigerdgas, der in Yuan abgerechnet wird.

Auch Brasilien, Lateinamerikas größte Volkswirtschaft, deren bedeutendster Handelspartner mit einem Jahresumsatz von rund 150 Milliarden Dollar China ist, begrüßt die Abrechnung in Yuan.

Vergangene Woche kündigten dann China und Brasilien an, ihren Außenhandel künftig in den eigenen Währungen abzuwickeln und damit den US-Dollar de facto über Bord zu werfen. Ferner wurde der Beitritt Brasiliens zu einem internationalen Zahlungsverkehrssystem beschlossen, das Beijing als Alternative zu dem von den USA dominierten internationalen Zahlungs- und Kommunikationssystem SWIFT aufbauen will.

Keine dieser Entwicklungen bedeutet für sich, dass „König Dollar“ demnächst entthront wird. Dennoch sind es untrügliche Symptome eines sich beschleunigenden Langzeitprozesses. So sank der Anteil des Dollars an den Währungsreserven der Zentralbanken von 72 Prozent im Jahr 1999 auf heute 59 Prozent.

Während der Dollar seine Position in der Realwirtschaft, gerade bei Handelsgeschäften, einbüßt, dominiert er weiterhin die Finanzmärkte. Rund 90 Prozent aller Devisentransaktionen und etwa zwei Drittel der Wertpapieremissionen werden in US-Dollar abgewickelt.

Allerdings sorgt die Serie von US-Finanzkrisen, zuletzt der SVB-Kollaps und die Zweifel an der Stabilität mittelgroßer Banken, deren Bestände an US-Staatsanleihen aufgrund der Leitzinserhöhungen der Fed stark an Wert einbüßten, für enorme Unsicherheiten.

In seinem Beitrag zitierte Zakaria eine Beobachtung des Investors und Finanzanalysten Ruchir Sharma zu den derzeitigen Marktverwerfungen: „Soweit ich mich erinnern kann, erleben wir gegenwärtig zum ersten Mal eine internationale Finanzkrise, die den US-Dollar mehr schwächt als stärkt. Ich frage mich, inwieweit dies ein Vorzeichen für die Zukunft ist.“ Sollte dies tatsächlich der Fall sein, gäbe diese Entwicklung Anlass zur Sorge, so Zakaria.

Bereits in einem früheren Artikel wies er auf die, wie er es nannte, „versteinerte Haltung“ der US-Außenpolitik hin. Diese bestehe immer häufiger darin, lediglich Forderungen zu stellen, zu drohen und zu verurteilen, was das unschöne Bild eines „schwerfälligen und überalterten Imperiums“ abgebe. Diese außenpolitische Inflexibilität, welche sich aus dem Selbstverständnis der USA als unipolare Weltmacht herleite, komme in der Wirtschaft besonders deutlich zum Ausdruck.

„Amerikanische Politiker haben sich daran gewöhnt, scheinbar ohne jede Defizitsorge Ausgaben zu tätigen – infolgedessen haben sich die Staatsschulden von etwa 6,5 Billionen Dollar vor 20 Jahren auf heute 31,5 Billionen Dollar fast verfünffacht. Der Fed gelang es, eine Reihe von Finanzkrisen zu überstehen, indem sie ihre Bilanz massiv ausweitete, und zwar um das Zwölffache, von etwa 730 Milliarden Dollar vor 20 Jahren auf heute etwa 8,7 Billionen Dollar. Das funktioniert nur dank des einzigartigen Status des US-Dollars. Sollte dieser schwinden, dann wird Amerika einen schmerzhaften Tag der Abrechnung erleiden, so schlimm wie nie zuvor.“

Es gibt nur einen Fall in der Wirtschaftsgeschichte, in dem die Währung einer imperialistischen Macht die einer anderen ersetzte – die Verdrängung des britischen Pfund Sterling durch den US-Dollar.

Während des gesamten 19. Jahrhunderts, als der Kapitalismus sich global ausbreitete, bildete das Pfund Sterling die Grundlage des internationalen Finanzsystems. Diese Stellung endete, als die britische Vorherrschaft infolge des Ersten Weltkriegs stark erschüttert wurde.

Der US-Dollar wurde nicht aufgrund von Beschlüssen und Verhandlungen zur vorherrschenden Weltwährung, sondern errang diese Position nach zwei Weltkriegen, in denen die USA zur dominierenden imperialistischen Macht aufstiegen.

Die beiden Weltkriege wurden durch heftige Währungs- und Handelskonflikte in den 1930er Jahren flankiert, bei denen die Welt in rivalisierende Wirtschafts- und Finanzblöcke zerfiel.

Wie schon Großbritannien zuvor sind die USA heute ein „veraltetes Imperium“. Erste Anzeichen deuten zudem darauf hin, dass die Weltwirtschaft in eine ähnliche Situation abgleitet wie zu Zeiten der Blockbildung in den 1930er Jahren. Die Konsequenzen werden extrem schwerwiegend sein, denn die USA versuchen, jede Untergrabung ihrer Dollar-Vorherrschaft sowohl mit wirtschaftlichen als auch militärischen Mitteln zu vereiteln.

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