Teil einer weltweiten Offensive der Arbeiterklasse:

US-Autoren und -Schauspieler im Kampf mit der Unterhaltungsindustrie

Der Streik von Zehntausenden Autoren und Schauspielern in den USA gegen die Großkonzerne in der Unterhaltungsindustrie ist von globaler und historischer Bedeutung. Verhandlungen finden nicht statt, und unmittelbar ist kein Ende des Arbeitskampfs in Sicht. Vertreter auf beiden Seiten des Konflikts halten es für möglich, dass der Ausstand noch monatelang dauert, auch wenn die US-Regierung und mächtige Teile des Establishments mit allen Mitteln versuchen, ihn zu unterdrücken.

Da bald auch die Tarifverträge von Hunderttausenden UPS-Beschäftigten und Autoarbeitern in den USA auslaufen, könnten wichtige Industriezweige durch Streiks stillgelegt werden.

Autoren und Schauspieler auf Streikposten in New York City am 21. Juli 2023 (Foto: WSWS)

Anfang dieses Jahres hieß es in der WSWS: „Die lange Periode, in der die Mechanismen der Gewerkschaftsapparate eine Stagnation erzwangen, stößt jetzt auf den Widerstand der Massen. In einem Land nach dem anderen kehrt die Militanz der Arbeiterklasse zurück. ,Die Gesetze der Geschichte sind‘, wie Trotzki einst schrieb, ,stärker als die bürokratischen Apparate.‘“ Dies zeigt sich in der wachsenden Zahl von explosiven Ausbrüchen sozialer Kämpfe, die immer breitere Schichten der Arbeiterklasse einbeziehen.

Zum derzeitigen Streik der Schauspieler, Mitglieder der Gewerkschaft SAG-AFTRA, kam es nur, weil Tausende von ihnen mit einer halben Revolte auf die Gefahr reagierten, von ihrer Gewerkschaftsführung wieder einmal ausverkauft zu werden.

Die Prozesse in der Unterhaltungs- und Medienbranche erinnern an ähnliche Entwicklungen in vielen anderen Bereichen: zunehmende Gelegenheitsarbeit und der Verlust von anständig bezahlten Arbeitsverhältnissen und von Errungenschaften, die über Jahrzehnte erkämpft worden sind. Die Konzerne sprechen von „neuen Realitäten“, „neuen Geschäftsmodellen“ und „neuen Technologien“, und immer sollen die Beschäftigten draufzahlen.

Mitglieder der WGA, der SAG-AFTRA und der IATSEA auf Streikposten in New York City (Foto: WSWS)

Die Film-, Fernseh- und Medienkonzerne versuchen, in ihren Belegschaften die Arbeitsbedingungen der „Gig Economy“ durchzusetzen, was bedeutet, dass sie nur noch nach Bedarf beschäftigt und bezahlt werden sollen.

Die Writers Guild of America (WGA) und die SAG-AFTRA haben zugelassen, dass sich die Arbeitsbedingungen der Autoren und Schauspieler seit Jahren immer weiter verschlechtern. In einem Tarifabkomen nach dem anderen haben die Gewerkschaften den Unternehmen nachgegeben und die Einkommen und Interessen ihrer Mitglieder geopfert.

In den Jahren 2007 und 2008 haben die Drehbuchautoren bei einem 100-tägigen Streik große Opfer gebracht. Am Ende des Streiks versicherte die WGA ihren Mitgliedern, sie habe eine „historische“ Einigung erzielt, um die Autoren vor der Gefahr durch Streaming zu schützen. In Wirklichkeit haben die Unternehmen praktisch grünes Licht für ihre Bedingungen bekommen. Mittlerweile musste die Gewerkschaft zugeben, dass der Übergang zum Streaming auf Kosten der Autoren erfolgt.

An der Spitze der Konglomerate sitzen Milliardäre, die im Interesse ihrer Profite dabei sind, Hunderttausenden von Arbeitern in der Film- und Fernsehbranche Armutslöhne und prekäre Arbeitsbedingungen zu diktieren. Gleichzeitig streichen die Unternehmen der Alliance of Motion Picture and Television Producers (APMPTP) und ihre Vorstände Milliardengewinne ein.

Die Unternehmen lügen und behaupten, ihre Angebote seien großzügig, und ihre Beschäftigten hätten es nie so gut gehabt wie heute. Aber die Wut ist weit verbreitet, und fast alle Mitglieder der WGA und der SAG-AFTRA haben für Streik gestimmt. Wenn alles bestens wäre, warum wären die Beschäftigten dann bereit, wochen- oder monatelang zu streiken?

Streikende Schauspieler und Autoren in New York City (Foto: WSWS)

Die SAG-AFTRA forderte eine elfprozentige allgemeine Lohnerhöhung für das erste Jahr eines dreijährigen Tarifvertrags, gefolgt von je vier Prozent im zweiten und dritten Jahr. Dies würde zwar mutmaßlich den Anstieg der Lebenshaltungskosten über die Laufzeit des Vertrags ausgleichen, nicht jedoch die Reallohnverluste, welche die Schauspieler in den letzten zehn Jahren und davor hinaus erlitten haben. Die AMPTP hat daraufhin ihrerseits eine Erhöhung von fünf Prozent im ersten, vier Prozent im zweiten und 3,5 Prozent im dritten Jahr vorgeschlagen. Angesichts der derzeitigen Inflationsrate würden die Schauspieler damit zum Ende der Vertragslaufzeit bedeutend schlechter dastehen als heute.

Die Konzerne behaupten frech, ihr Angebot sei „in jeder Hinsicht historisch. Das letzte Mal, dass die Gewerkschaft eine allgemeine Lohnerhöhung von fünf Prozent in einem Jahr durchgesetzt hat, war 1988.“

Den Drehbuchautoren hat die AMPTP noch weniger geboten: eine Erhöhung der Mindestlöhne von vier Prozent im ersten Jahr, gefolgt von drei Prozent im zweiten und zwei Prozent im dritten Jahr.

Laut der Writers Guild arbeiten immer mehr Autoren für den niedrigsten Lohn, der einem WGA-Mitglied bezahlt werden kann. Eine Untersuchung der Gewerkschaft lässt erkennen, dass das Gehalt der Autoren in den letzten fünf Jahren um 14 Prozent gesunken ist. Produzenten und Autoren verdienen 23 Prozent weniger als vor zehn Jahren. Viele Autoren sagen selbst, ihr Einkommen habe sich halbiert.

Die Gewerkschaft schreibt: „In der Saison 2013/14 erhielten 33 Prozent aller Autoren von Fernsehserien Mindestlöhne, heute arbeitet die Hälfte für den Mindestlohn. Während 2013/14 nur zwei Prozent der Showrunner den Mindestlohn erhielten, waren es 2021/22 schon 24 Prozent.“ (Der Showrunner ist derjenige, der die künstlerische Autorität innehat und die Managementverantwortung für ein Fernsehprogramm trägt.)

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Unterdessen ist laut der Los Angeles Times „das Durchschnittsgehalt der obersten Hollywood-Vorstände im Jahr 2021 auf 28 Millionen Dollar gestiegen, d.h. 53 Prozent mehr als 2018 (und etwa das 108-Fache des Lohns eines durchschnittlichen Autoren)“. Allerdings ist die Bezeichnung „durchschnittlicher Autor“ bereits irreführend, da ein Großteil der Gesamtsumme der Löhne für Autoren auf eine relativ kleine Zahl von Personen entfallen, die an riesigen Projekten beteiligt sind.

Was die Tantiemen für Streaming angeht, so lehnt die AMPTP den bescheidenen Vorschlag der Gewerkschaft rundheraus ab, laut dem „Darsteller einen Anteil an den Einnahmen erhalten, wenn ihre Darbietungen auf Streaming-Plattformen gezeigt werden“. Die AMPTP bezeichnete dies als „Hindernis auf dem Weg zu einer Einigung“.

Die Unternehmen hoffen darauf, die Autoren und Schauspieler mit Hilfe der WGA, der SAG-AFTRA und der restlichen Gewerkschaftsführungen aushungern und zurück an die Arbeit zwingen zu können. Der Widerstand gegen den Angriff der Konzerne erfordert eine konzertierte Massenoffensive der Arbeiterklasse, eine Strategie, welche die gut bezahlten, unternehmensfreundlichen Funktionäre der Gewerkschaften der Unterhaltungsbranche wie IATSE ebenso ablehnen wie andere Gewerkschaften, so die Transportarbeitergewerkschaft Teamsters, die Automobilarbeitergewerkschaft UAW und alle anderen im amerikanischen Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO organisierten Verbände.

Streikposten in New York City am 21. Juli (Foto: WSWS)

Es ist notwendig, den Kampf mit neuen Mitteln zu führen. Die Arbeiter werden sich zunehmend dem Aufbau von Aktionskomitees zuwenden. Diese organisieren sich in internationalem Maßstab, um die wahre Kraft der Arbeiterklasse zu entfesseln, und leisten Widerstand gegen den „bürokratischen Apparat, der in enger Zusammenarbeit mit den Unternehmen und der Regierung verzweifelt um eine Eindämmung der sozialen Wut bemüht“ ist, wie es die WSWS in ihrer Erklärung Anfang des Jahres formulierte.

Am Freitag erklärten britische Schauspieler auf dem Leicester Square in London und in der Media City in Manchester ihre Solidarität mit den Streikenden in den USA. Der Star der Serie Succession, Brian Cox, erklärte in London: „Wir befinden uns am Anfang eines schrecklichen Endes.“ Er sagte, in den USA sei die Lage schlimmer, weil es keine staatliche Gesundheitsversorgung gibt. „Den Schauspielern der SAG geht es vor allem um Gesundheitsleistungen, und die brauchen sie. Deshalb brauchen sie ihre Tantiemen.“

Cox erwähnte einen Schauspielerkollegen, mit dem er vor kurzem gesprochen hatte: „Er spielt eine passable Rolle in einer Fernsehshow, und er hat einen Vertrag als unterstützender Künstler, wie man das nennt. Das Schreckliche war, dass sie ihm ganz klar sagten, sie würden seine Darstellung behalten und damit tun, was zum Teufel ihnen gefällt. Das ist eine völlig inakzeptable Position, gegen die wir Widerstand leisten sollten.“

Auch die Schauspieler David Oyelowo, Hayley Atwell, Simon Pegg, Imelda Staunton und Jim Carter engagierten sich für ihre streikenden Kolleginnen und Kollegen.

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Am Freitag sprach die WSWS mit streikenden Mitgliedern der WGA und der SAG-AFTRA und ihren Unterstützern, von denen etwa 300 sich am Streikposten vor der Netflix-Zentrale in New York beteiligten. Die Mehrheit waren Schauspieler, aber es gab auch zahlreiche Drehbuchautoren. Ein WSWS-Reporter vor Ort beschreibt die Atmosphäre: „Die Stimmung der Streikposten ist gut. In den engen, verstopften Straßen von Lower Manhattan erregen sie viel Aufmerksamkeit. Der nahegelegene Union Square ist seit über hundert Jahren ein Schauplatz für Arbeiterkundgebungen. Viele Fahrer hupen, und Passanten applaudieren den Streikenden. Als ein UPS-Fahrer im Vorbeifahren hupt, bricht beim Streikposten großer Jubel aus.“

Er fährt fort: „An den Streikposten herrscht eine Energie, die sich von vielen anderen Streiks im Raum New York der jüngeren Zeit unterscheidet. Die Arbeiter stammen aus unterschiedlichen Berufsgruppen – nicht nur Autoren und Schauspieler, sondern auch viele Mitglieder der IATSE, Kulissenmaler und anderes Hilfspersonal beteiligt sich, weil sie jetzt durch den Streik nichts zu tun haben. Lehrer aus öffentlichen Schulen des größten Schulbezirks im Land, deren Tarifkampf erst vor kurzem von der Gewerkschaftsbürokratie verraten wurde, beteiligen sich ebenso wie Schüler, die ihre Unterstützung zeigen.“

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„Zwei ältere Schüler mit dem Berufsziel Autor erklären der WSWS, sie seien gekommen, weil sie an Gleichheit glauben. Sie erklären, Milliardäre sollten nicht alles für sich alleine haben. Einer sagt: ‚Je mehr Menschen in den Streik treten, desto größer ist die Aussicht auf Veränderungen.‘ Unter den Streikenden, mit denen die WSWS spricht, herrscht große Wut, und darin äußert sich eine tiefgreifende Opposition gegen die Oligarchie, welche die Film- und Fernsehbranche kontrolliert.

Mehrere Streikende bestätigen der WSWS, dass die gleichen Konglomerate, denen die Unterhaltungsbranche gehört, ihre Klauen in nahezu alle Wirtschaftsbereichen geschlagen haben. Fast alle Streikenden erwähnen die Möglichkeit eines Streiks bei UPS Ende des Monats. Einige weisen auch auf den Hotelstreik in Los Angeles hin, und andere sprechen über die Gefahr des Faschismus in ,unserer sogenannten Demokratie‘ oder weisen auf die Rolle Joe Bidens bei der Unterdrückung des Eisenbahnerstreiks im letzten Jahr hin. Wieder andere verbinden ihren Kampf mit der abscheulichen Behandlung von Asylsuchenden in New York durch Bürgermeister Eric Adams.“

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